Paris-Pleite in der Champions League:Das viele Geld geht in Rauch auf

Lesezeit: 3 min

  • Paris Saint-Germain scheitert trotz aller Investitionen krachend in der Champions League.
  • Beim 1:2 gegen Real Madrid schimpft vor allem der deutsche Nationalspieler Julian Draxler.

Von Jonas Beckenkamp

Hätte es ein einprägsameres Ende geben können als Kawumm und dichten Nebel? Das Stadion des Pariser Prinzenparks lag eingehüllt in Rauchschwaden, als werde hier zum Abschied aus der Champions League eine schwarze Messe gefeiert - es war die Pointe unter all die Verfehlungen dieses schwer reichen, aber international erfolglosen Milliardenprojekts. Einige Fans von Paris Saint-Germain hatten schon während des 1:2 (0:0) gegen Real Madrid im Achtelfinal-Rückspiel Lust auf Frustböllerei bekommen. Es waren Bilder, die an den Abstieg des 1. FC Köln vor einigen Jahren erinnerten.

Zwischen dem ehrenwerten Effzeh und der katarischen Geldverbrennungsmaschine PSG liegen aber in Wahrheit solche Welten, dass die Ereignisse von Paris in der vergangenen Nacht einer besonderen Einordnung bedürfen: Noch nie ist eine Fußballmannschaft mit solchen Investitionen derart krachend gescheitert. Gewiss, gegen Real Madrid kann man mal verlieren, vielleicht sogar zweimal (das Hinspiel gewannen die Spanier 3:1), doch bei über 400 Millionen Euro Transferausgaben in dieser Saison gibt's hinterher fast zwangsläufig Häme und erhobene Zeigefinger.

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Eine "Lektion des Fußballs" habe der Titelverteidiger den neureichen Franzosen verpasst, urteilte das Madrider Sportmagazin Marca auf seiner Titelseite, daneben frei übersetzt die Schlagzeile: "So geht das, Paris". Tatsächlich hatte Real-Trainer Zinedine Zidane es seinem Kollegen Unay Emery erneut gezeigt, er hatte eine Aufstellung ohne seine beiden Gehirne Toni Kroos und Luka Modric gewählt, um das Spiel vertikaler zu gestalten. Und er hatte in Marco Asensio einen Brandbeschleuniger aufgestellt, der schon im Hinspiel ordentlich in der Pariser Defensive herumgezündelt hatte.

Paris völlig planlos

Der junge Mallorquiner luchste nach einer hektisch gestalteten erste Hälfte Dani Alves den Ball ab und spielte letztlich den entscheidenden Pass vor Lucas Vazquez' Flanke zu Cristiano Ronaldo. Dessen Kopfball zum 1:0 (51. Minute) war sein neunter Treffer in den vergangenen neun Champions-League-Spielen - der Rekord von Ruud van Nistelrooy aus der Saison 2002/03 ist damit egalisiert. Paris agierte ohne den verletzten Neymar über weite Strecken völlig planlos, dabei hatte Emery ja immer noch eine stattliche Elf beisammen: Cavani, Di Maria, Verratti (der später vom Platz flog) und vorne der 180-Millionen-Überschallflitzer Mbappé.

Dezidiert nicht zur ersten Elf zählte (trotz des Neymar-Ausfalls auf seiner Linksaußen-Position): Julian Draxler. Den deutschen Nationalspieler platzierte Emery auf der Bank, er brachte ihn erst spät und zog ihm sogar den Argentinier Javier Pastore vor. So hatte Draxler seinen größten Auftritt hinterher, als er mit grimmiger Miene am Mikrofon beim ZDF stand und schimpfte: "Es ist schwer zu akzeptieren, dass wir so sang- und klanglos ausgeschieden sind." Mit seiner Analyse traf er einen Punkt, der tatsächlich kaum zu verstehen war: Warum hatte Trainer Emery nicht ihn spielen lassen, sondern eine eher defensive Dreier-Reihe ins Mittelfeld gestellt?

Eine Aufholjagd mit Zauderei und Abwarten? Das verwunderte doch sehr. Draxler empörte sich zudem darüber, dass sich seine Einwechslung durch den zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich von Teamkollege Cavani (71.) verzögert hatte. "Da war ich überrascht und auch ein bisschen sauer", sagte er : "Das 1:1 ist zwar gefallen, aber ein 1:1 hätte uns gar nichts gebracht. Deswegen habe ich gedacht, dass wir weiter auf die Tube drücken und offensiv spielen sollten." Erst in der 76. Minute wurde der 24-Jährige eingewechselt, doch da wankte Paris nur noch wie ein vermöbelter Boxer - vier Minuten später sorgte Casemiro mit dem 2:1 für Klarheit im Böllerdunst des Stadions.

Ideenlos, mutlos, aufgebläht und ohne Chance, es wirklich zu packen: Paris schied aus wie ein taumelnder, reicher Onkel, der auf dem Gartenfest einen Sonnenstich erleidet. Es war eine solche Offenbarung, dass Frankreichs führende Sportzeitung L'Équipe hinterher nur noch staunend fragte: "All das große Geld - und dann das?" Über 900 Millionen Euro hat der Staat Katar in Person von Klubbesitzer Nasser Al-Khelaifi insgesamt in den Klub gebuttert, allein 222 davon in Neymar, der längst keine Lust mehr zu haben scheint, es mit dieser Elf des Söldneradels weiter zu versuchen.

Jetzt steht ein Einschnitt bevor, der auch Trainer Emery treffen dürfte. Zwar erklärte sein Boss Al-Khelaifi zunächst zurückhaltend: "Wir sind sehr traurig. Aber es gibt keine Kritik am Coach. Wir müssen erstmal zur Ruhe kommen und nachdenken, was wir verbessern müssen." Doch bei all den Ambitionen aus dem Scheichreich werden diese Anpassungen wohl auch einen neuen Coach und ein paar generelle Überlegungen beinhalten.

Wie lang bleibt Neymar noch?

Zu befürchten ist aus Pariser Sicht ja nicht nur Neymars Abschied zur kommenden Saison, sondern vielleicht auch ein vorzeitiges Ende der katarischen Investitionslaune. Viermal war PSG zuvor im Achtelfinale gescheitert (vergangenes Jahr reichte bei einem traumatischen 1:6 in Barcelona selbst ein 4:0 aus dem Hinspiel nicht). Auf aberwitzige Weise bewahrheitet sich bei Saint-Germain trotz einer maximal ausgereizten Auslegung des Financial Fair Play, dass man sich die Champions League eben nicht einfach so zusammenkaufen kann wie einen Fuhrpark voller Maseratis.

Neymar, dessen Haarriss im Mittelfuß kürzlich erfolgreich operiert wurde, entsandte aus dem Krankenstand über die sozialen Netzwerke schließlich eine Nachricht, die der vernebelten Stimmung entgegen wirken sollte: "Ich bin traurig über das Aus, aber noch viel trauriger, dass ich nicht auf dem Platz stehen konnte." Es mache ihn "stolz", zu sehen, wie sich alle in Paris reingehängt hätten. "Reingehängt", das passte aber irgendwie auch zu den Rauchschwaden, die bis in die Nacht durchs Stadion von PSG schwebten und womöglich ein wenig nach verbrannten Geldscheinen rochen.

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