US-Open-Siegerin Osaka:Wirbelsturm des Schmetterlings

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Naomi Osaka gewinnt die US Open. (Foto: MATTHEW STOCKMAN/AFP)

Naomi Osaka gewinnt ein erstaunliches Finale und damit zum zweiten Mal nach 2018 die US Open.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Tennis ist ein fantastischer, bisweilen jedoch wundersamer Sport - vor allem deshalb, weil eine Partie zu jedem Zeitpunkt kippen kann. Es reicht ein Schlag, ein Ballwechsel, und so wie der Flügelschlag eines Schmetterlings zu einem Wirbelsturm führen kann, so kann ein kleiner, scheinbar unbedeutender Moment eine Tennispartie komplett auf den Kopf stellen. Es stand 6:1, 2:0 im Finale der US Open, Viktoria Asarenka (Belarus) brauchte noch einen Punkt zum 3:0, doch dann passierte das: Gegnerin Naomi Osaka (Japan) knallte den Ball mit der Vorhand die Linie lang, und danach klopfte sie sich zum ersten Mal mit der Faust auf den linken Oberschenkel.

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Der war in Verband gewickelt, Osaka hatte sich mit einer Verletzung durchs Turnier gespielt, und nun schien sie dem Muskel mitzuteilen, dass er gefälligst durchhalten solle, weil dieses Endspiel doch noch ein bisschen dauern und nicht gleich vorbei sein würde. Osaka, die beim Einmarsch den Namen Tamir Rice (der damals zwölf Jahre alte Afroamerikaner war 2014 von Polizisten erschossen worden) auf ihrer Maske trug, gewann diese Partie 1:6, 6:3, 6:3 und damit zum zweiten Mal nach 2018 die US Open in New York.

Man muss diese erstaunliche Partie in drei Phasen unterteilen, und die linke Hand von Osaka spielt dabei eine entscheidende Rolle. Von Beginn bis Mitte des zweiten Satzes klopfte sie sich mit offener Handfläche auf den lädierten linken Oberschenkel, als wolle sie sich selbst bestrafen dafür, wie sie in diesem Zeitraum spielte. Es war durchaus von Vorteil, dass wegen der Coronavirus-Pandemie keine Zuschauer erlaubt waren im Arthur Ashe Stadium, die in den ersten Reihen wären nämlich in Gefahr gewesen angesichts der wilden Grundschläge von Osaka.

Es ging schief, was schief gehen konnte

Es lag freilich auch an Asarenka, die dieses Match taktisch herausragend begann. Ihr zweiter Aufschlag ist gewöhnlich weniger Eröffnung als vielmehr Einladung an die Gegnerin, ihr den Return um die Ohren zu knallen. Asarenka gelang, was sich natürlich jeder Tennisprofi in einem Finale wünscht: Sie spielte mehr als 90 Prozent der ersten Aufschläge ins Feld und vermied so, unter Druck zu geraten. Wenn man so will, dann war es ein klassischer Fall von: Der einen gelingt alles, bei der anderen geht so ziemlich alles schief, was schiefgehen kann. Nach weniger als einer halben Stunde Spielzeit stand es 6:1, 2:0 für Asarenka.

Es folgte dieser Moment, und Osaka wechselte nach der krachenden Vorhand von offener Handfläche zur Faust. Sie war plötzlich angekommen in dieser Partie, die nun hochklassig und spannend wurde. Die beiden lieferten sich spektakuläre Ballwechsel, von denen Osaka die prägenden gewann und so immer gewisser wurde, dass es davor vielleicht nicht ihre Stunde gewesen war, dass es aber doch noch ihr Tag werden könne. Die Fehler wurden weniger, und Bälle, die davor knapp im Aus gelandet waren, kratzten nun noch die Linie. Dafür tropfte eine Vorhand von Asarenka von der Netzkante nicht drüber, sondern zurück auf ihre Spielfeldhälfte.

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Der zweite Bruch in der Partie ereignete sich zu Beginn des dritten Durchgangs. Asarenka, die das Turnier vor den US Open - das ebenfalls in New York ausgetragen worden war - gewonnen hatte, weil Osaka wegen des Oberschenkels nicht zum Endspiel angetreten war, hatte drei Breakbälle. Osaka schaffte fünf Punkte nacheinander, und von diesem Zeitpunkt war diese Partie vorbei. Osaka musste ihren Oberschenkel nicht mehr malträtieren, sie musste das Match nur noch konzentriert zu Ende spielen. Das gelang ihr, sie machte kaum noch Fehler, man hätte nun wieder guten Gewissens Leute in die ersten Reihen setzen können.

Als Osaka ihren zweiten Matchball verwandelt hatte, gab es keinen Jubelschrei und keinen Luftsprung. Sie tat das, was genau zu diesem erstaunlichen Finale in diesem bisweilen wundersamen Sport passte: Sie ballte ihre Faust, den Oberschenkel ließ sie aber in Ruhe.

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