Olympische Spiele in Vancouver:Die endlose Causa P.

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Das Olympia-Team ist nominiert, die Lage rund um Claudia Pechstein bleibt unübersichtlich. Sie könnte die deutsche Olympia-Mission noch in ein gewaltiges Dilemma bringen.

Thomas Kistner

Ist der Spuk vorbei? Wohl kaum. Das Schweizer Bundesgericht hüllt sich in Schweigen, deshalb hat es Claudia Pechstein nicht fristgerecht in die letzte Qualifikationsrunde für die Winterspiele in Vancouver geschafft. Das könnte das Ende ihrer sportlichen Karriere bedeuten, oder des olympischen Teils. Andererseits darf gewettet werden, dass sie den Kampf fortsetzt gegen die Sportrichter, die sich in ihrem Fall auf ein wissenschaftlich ziemlich wasserdichtes Indizienverfahren stützen. Dabei wird Pechstein auch weiter das Publikum auf dem Laufenden halten. Darüber, wie sie die Sache sieht.

Claudia Pechstein steht nicht im deutschen Olympia-Team - vorerst. (Foto: Foto: dpa)

Dass Pechsteins Chancen schwinden, sich noch durch den Dschungel aus Instanzen und Eilanträgen nach Vancouver zu robben, signalisiert dem Dachverband DOSB keine Entwarnung. Wirft sie auch ihm in letzter Sekunde noch einen Antrag vor den Bug?

Der DOSB hat ja Ermessensspielräume, an diese appelliert nun bereits der Eisschnelllaufverband DESG, der konsequent seine eigene, eigenartige Rolle in diesem Gesamtspektakel fortsetzt. Steht also der Vorschlag "Pechstein für Olympia" im Raum? Jein, sagt der DOSB. Dessen Boss Bach ließ am Freitag die DESG-Version dementieren, aber irgendwie soll doch noch über den Fall gesprochen werden. Die Lage bleibt unübersichtlich, Pechstein könnte die deutsche Olympia-Mission noch in ein gewaltiges Dilemma bringen. Das ist die aktuelle Erkenntnis.

Der DOSB wird auf Zeit spielen wollen, in der Hoffnung, dass das Schweizer Bundesgericht rasch entscheidet - oder erst nach der letzten Olympia-Nachrückerfrist am 29. Januar. Grundsätzlich aber stellt sich schon jetzt die Frage, was damit gewonnen wäre, eine Athletin, beladen mit den Ballast eines ja weiter schwebenden Dopingverfahrens, zu Olympia zu entsenden.

Und was sagt dann der Steuerzahler, wie reagieren die Athleten, die Bach zu vorbildlichem Betragen in Vancouver vergattert hat, weil dort ja auch die deutsche Olympia-Bewerbung mit München 2018 im Fokus steht? Wie käme bei Funktionären und Verbänden eine Wild Card in letzter Sekunde für eine schwer belastete Athletin an, erteilt vom Verband des IOC-Vize, der nach den letzten Spielen 2006 in Turin ein konsequentes Urteil gegen Österreichs Ski-Athleten verfochten hatte - auch auf Grundlage von Indizienbeweisen?

Wie beim Alkoholtest

Die Causa P. war immer ein Aufreger im Lande, es droht noch einmal große Emotionalität. Dem Teil des Publikums aber, das darin lieber eine von internationalen Funktionären, Forscherkapazitäten und Sportrechtlern gestrickte Generalverschwörung erkennt - für die es, im Gegensatz zum Dopingverdacht, keine Hinweise gibt - sei in Erinnerung gerufen: Ist ein Indizienbeweis wissenschaftlich solide abgesichert, verhält es sich damit wie mit dem Alkoholtest für Autofahrer.

Zeigt der Alkomat beim Pusten Promille an und ist das Gerät in Ordnung, wird es jeder Klageführende schwer haben, seinen Führerscheinentzug noch wirksam anzufechten. Wobei ihm auch hier nicht nachgewiesen werden muss, ob der verräterische (Einzel-)Wert von Bier, Schnaps, Wein herrührt, oder aus einem Gemisch von allen dreien.

© SZ vom 23.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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