Handball:Drei Siege für Olympia

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Spielerinnen wie Emily Bölk (hier beim Torwurf gegen Montenegro), die im Ausland bei Topklubs spielen, sind für den Aufschwung der deutschen Nationalmannschaft maßgeblich mitverantwortlich. (Foto: Marco Wolf/dpa)

Die deutschen Handballerinnen haben mit souveränen Leistungen gegen Slowenien, Montenegro und Paraguay nach 16 Jahren wieder die Olympia-Qualifikation geschafft. Trainer Markus Gaugisch sieht viel Perspektive in seinem Kader.

Von Ralf Tögel, Neu-Ulm

Schon am Samstagabend liefen die Tränen. Freudentränen selbstredend. Emily Bölk wurde von ihren Gefühlen schon kurz vor dem Schlusspfiff gegen Montenegro überwältigt, in der Pressekonferenz wischte sich dann Antje Döll die Augen. Die 35-Jährige spielt beim deutschen Meister Bietigheim, zählt in der Auswahl des Deutschen Handballbunds (DHB) zu den Führungsspielerinnen. Nun sagte sie in stockenden Worten: "Ich spiele seit Jahren Champions League und Bundesliga, auch erfolgreich, aber das hier ist etwas ganz Besonderes." Als die Mannschaft vor zwei Jahren begonnen habe, mit Markus Gaugisch am Olympia-Traum zu arbeiten, "war der so weit weg", erklärte die Linksaußen. "Dass wir das jetzt hier erreicht haben, macht mich sehr emotional und einfach nur verdammt stolz." Am Wochenende haben sich die deutschen Handballerinnen erstmals seit 16 Jahren wieder für Olympia qualifiziert - und dabei gezeigt, dass sie auf dem Weg zurück in die Weltspitze einen ordentlichen Schritt zurückgelegt haben.

Mit dem 31:25-Erfolg am Donnerstag gegen Slowenien und dem 28:24 am Samstag gegen Montenegro erreichte die Mannschaft in der Ratiopharm Arena in Neu-Ulm vor knapp 4300 Zuschauern souverän die Qualifikation für Olympia in Paris. Und am Sonntag krönte das deutsche Team mit einer neuerlich engagierten Leistung und einem 37:20-Erfolg gegen Außenseiter Paraguay das Turnier - wobei Trainer Gaugisch vielen Akteurinnen aus der zweiten Reihe die Gelegenheit gab, sich zu zeigen.

Der EM-Dritte Montenegro hält lange dagegen, doch die DHB-Auswahl kann sich noch steigern

Der Bundestrainer befand sich danach in einem "sehr relaxten Zustand", wie er wissen ließ, "das ist bei mir selten". Er empfinde "eine tiefe Zufriedenheit", zumal viele Beobachter diese Aufgabe im Vorfeld als eine leicht lösbare definiert hätten - ein Irrtum: "Das haben jetzt hoffentlich alle gesehen", merkte er spitz an. In der Tat, sowohl Slowenien aber besonders Montenegro zählen zu den etablierten europäischen Topteams, Letzteres gewann bei der vergangenen EM die Bronzemedaille. Grundlage des Erfolgs der deutschen Mannschaft war die "sehr geile Abwehr", wie Kreisläuferin Julia Behnke fand, die selbst ein elementarer Bestandteil besagter Defensive war. Zusammen mit Emily Bölk, Xenia Smits, Julia Maidhof und der überragenden Katharina Filter im Tor, die in den ersten beiden Partien zur besten Akteurin gewählt wurde, war die deutsche Abwehr nur schwer zu überwinden. Im entscheidenden Spiel hielt Deutschland den EM-Dritten Montenegro in Halbzeit eins sogar bei sieben Treffern, das DHB-Team setzte sich dann auf 25:17 ab und zeigte in diesen 45 Minuten eine Weltklasseleistung.

Obwohl auch der Gegner einen starken Auftritt anbot: Bestens eingestellt von der ehemaligen Weltklassespielerin Bojana Popovic auf der Trainerbank, einer giftigen Defensive und Armelie Attingre im Tor, gestatteten die Montenegrinerinnen der DHB-Auswahl bis zur Pause (11:7) nur vier Treffer mehr. Nach dem Wechsel allerdings kam auch die deutsche Offensive in Fahrt, initiiert von Alina Grijseels. Die Spielmacherin hatte sich in der erfolgreichen EM-Qualifikation vor einer Woche beim Sieg gegen die Ukraine am Sprunggelenk verletzt und war gerade rechtzeitig genesen, um die deutsche Offensive mit ihrem Spielwitz und ihrem dynamischen Eins-gegen-eins-Spiel zu bereichern.

Überhaupt profitierte das deutsche Team in Neu-Ulm maßgeblich von jenen Führungsspielerinnen, die im Ausland ihr Geld verdienen - Torhüterin Filter (Brest), Grijseels (Metz), Bölk (Budapest) oder Julia Maidhof (Ramnicu Valcea) sind zu nennen. Vor allem Maidhof, die vor der Saison zum rumänischen Traditionsklub gewechselt ist, "hat das richtig gutgetan", wie Teamkollegin Döll anmerkte. Die 26-Jährige Linkshänderin brachte viel Druck im rechten Rückraum, war sichere Strafwurfschützin und erzielte die meisten Treffer. Auch beim letzten großen Erfolg der deutschen Frauen, WM-Bronze 2007, waren zahlreiche Führungsspielerinnen im in ausländischen Topligen engagiert.

Halle voll, Aufmerksamkeit groß, Leistungen sehenswert - die DHB-Frauen kommen in Schwung

In Frankreich, Ungarn, Rumänien sowie den skandinavischen Topligen in Norwegen, Dänemark und Schweden ist der Frauenhandball dem deutschen in Sachen Professionalität einen Schritt voraus, das weiß auch der Trainer: Natürlich sei es der Qualität förderlich, wenn sich seine Spielerinnen im Dreitagesrhythmus mit Champions League und nationaler Liga "mit den Besten der Welt messen", so Gaugisch. Was Spielmacherin Grijseels, die mit dem französischen Topklub Metz im Champions-League-Viertelfinale steht, bestätigt: "Diese internationale Erfahrung mit engen Spielen auf hohem Niveau ist Gold wert." Aber der deutsche Frauenhandball hat aufgeholt, bestes Beispiel ist die SG Bietigheim: Der deutsche Meister steht ebenfalls im Viertelfinale der Königsklasse und stellt in Xenia Smits die deutsche Abwehrchefin sowie in Döll und Jenny Behrend die Flügelzange der DHB-Auswahl.

Noch sieht der Bundestrainer in Frankreich, Dänemark, Norwegen und Schweden vier Konkurrenten im internationalen Vergleich vorn, der Angriff auf dieses dominierende Quartett hat bereits begonnen: "Im Feld dahinter haben wir uns nach vorn gerobbt", sagt Gaugisch, auch mental sei der Mannschaft ein großer Schritt nach vorn gelungen: "Wir haben gezeigt, dass wir dem Druck standhalten können, und der hätte nicht größer sein können." In jüngerer Vergangenheit hatten seiner Auswahl in wichtigen Partien immer wieder die Nerven versagt, in Neu-Ulm legte das DHB-Team eine bemerkenswerte Wettkampfhärte an den Tag.

In Paris soll diese Entwicklung fortgesetzt werden, sagt Gaugisch: "Bei aller Freude, dass wir dabei sind, soll das kein Sommerausflug werden." Die Qualifikation sei Werbung für den Frauenhandball gewesen, die Halle war voll, die Aufmerksamkeit groß und die Leistungen sehenswert. "Wir haben viel für den Frauenhandball getan", befand der Bundestrainer, seine Mannschaft habe sich "wahnsinnig weiterentwickelt" und viel Perspektive. Das sehen auch die DHB-Granden so, Präsident Andreas Michelmann hat für die Olympischen Spiele das Ziel Viertelfinale ausgegeben - auch für die Männer.

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