Rennrodeln:Spaß in der Bahn

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Freude: Johannes Ludwig (rechts) und Natalie Geisenberger (links) jubeln mit Tobias Wendl (vorne), der sein Freude herausschreit. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Vierter Wettbewerb - viertes Gold. Die deutschen Rennrodler gewinnen auch den Teamwettbewerb und schaffen damit eine perfekte Serie in Peking. Tobias Wendl trifft gerade noch rechtzeitig die Abschlagmatte.

Von Volker Kreisl

Minus. Plus. Minus. Plus. Zwischendurch wechselten die Zeiten in diesem letzten Rennrodel-Wettkampf auf dem Olympia-Kurs von Peking wild hin und her. Den Deutschen, die bisher alles gewonnen hatten, bekamen im allerletzten Lauf, kurz vorm Ende ihres von allen erwarteten vierten Triumphs offenbar doch noch ihre Grenzen aufgezeigt. Denn im mittleren der drei Team-Staffel-Abschnitte ritten sie an der Grenze zwischen Platz eins und zwei hin und her, und am Ende, als das Doppel mit hauchdünnem Vorsprung in Richtung Ziel schoss, da hätte doch längst schon die rechte Hand von Tobias Wendl in Richtung Abschlagmatte hochschnellen müssen, nur - wo war sie?

Es ist schon vorgekommen, dass Rodler die nur mittelgroße Fläche verfehlt und mit einem Lufthieb das gesamte Team noch aus dem Rennen geschlagen hatten. Doch ja, Wendl behielt alles im Griff, und wenn er auch hinterher über sich selber grinsen musste, es hatte gereicht. Rodelteam Deutschland landete mit 0,08 Sekunden Vorsprung vor Österreich, Bronze gewann die Mannschaft aus Lettland, sie lag dann doch schon 0,948 Sekunden nach den drei Teilrennen zurück. Damit zählen Natalie Geisenberger und das Duo Wendl/Arlt zu jenen Sportlern, die neben dreimal Team-Gold auch schon drei Olympiasiege im Einzel errungen haben. "Wir sind dann einfach los und hatten Spaß in der Bahn. Es ist verrückt", sagte Arlt und sein Partner Wendl ergänzte: "Das sechste Gold ist einfach fantastisch. Wir haben verdient gewonnen und werden feiern."

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Insgesamt hatten die drei Rodelmannschaften vom Bob- und Schlittenverband Deutschland also vier Goldmedaillen bei diesen Spielen geholt, zudem noch zwei silberne Plaketten. Alle vorausgegangenen Erfolge waren souverän eingefahren worden, bei der Teamstaffel gerieten aber nun kleinere Fehler dazwischen, was vielleicht auch damit zusammenhing, dass die Deutschen erstmals in diesem noch jungen Wettkampf auf einmal richtig unter Druck standen.

Geärgert hatten sie sich ja schon am Tag zuvor, jedenfalls die betroffenen Wendl und Arlt. Die hatten, etwa um zehn Uhr abends, als Doppelsitzer das dritte Rodelgold für den BSD errungen, sich zum Gruppenfoto aufgestellt, auf das plötzlich auch Thomas Bach, der Chef des Internationalen Olympischen Komitees, rückte. Normalerweise ein üblicher Vorgang, in diesem Fall aber machten Wendl/Arlt zwar gute Miene, empfanden Bachs Anwesenheit aber als aufdringlich, so berichtete Bild. Dies hatte offenbar mit einem üblen Corona-Quarantäne-Erlebnis von Arlt zu tun, der sich dabei vom IOC alleingelassen fühlte. Beim Test-Weltcup in Yanqing im November traf er im Isolationshotel auf Kakerlaken, auch das Essen sei miserabel gewesen. Allerdings, am nächsten Tag war der Ärger verflogen, vielleicht waren Wendl/Arlt aber auch schon wieder im nächsten Konzentrationstunnel, nämlich dem vor der Teamstaffel.

Auch im Synchronspringen gut: Natalie Geisenberger, Johannes Ludwig, Tobias Wendl und Tobias Arlt. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Dessen Format, das im Winter 2013/2014 für den Höhepunkt, die Olympischen Spiele in Sotschi/Russland eingeführt worden war, hat mittlerweile seine Attraktivität gesteigert. Immer noch sind zwar die Deutschen mit ihren vier großen Eiskanälen in Mitteldeutschland und in Oberbayern und mit ihrer Tradition in den entsprechenden Standorten dominierend. Doch Peking zeigte, dass kein Sieg mehr mit Leichtigkeit errungen wird, der Top-Rodler Felix Loch etwa kam nicht mehr aufs Podest. Und schließlich, die Feinheiten, die zur Staffel gehören, beherrschen mittlerweile auch die anderen Nationen.

Es geht ja nicht mehr nur ums Rodeln, es geht auch um die Reaktionszeit und das Abschlagen dieser Matte, die in den Anfängen fremd wirkte, irgendwie an ein Format aus der früheren TV-Abend-Unterhaltung, an Spiel ohne Grenzen, erinnerte. Indes, ein Teamrennen war vor zehn Jahren vom Weltverband gefordert worden, idealerweise eine Staffel, die nun mal so eine schnelle Übergabe braucht. Der Wechsel per Abschlagmatte, die mit ihrem Akustiksignal, das außer Konzentration nun auch schnelle Reaktion verlangt, wird mittlerweile besser beherrscht. Und diesmal am besten von den Österreichern.

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Deren drei Schlitten waren nahezu fehlerfrei. Starterin Madeleine Egle, die im Einzel noch gescheitert war, legte diesmal einen einwandfreien ersten Abschnitt vor, Wolfgang Kindl baute diesen Vorsprung dann noch um einige Zehntel aus, ehe das Doppel Steu/Koller die Gutschrift auf eine knappe Sekunde dehnte, im Rodeln eine kleine Ewigkeit - die, nachdem Einsitzer Johannes Ludwig gegengehalten hatte, nun Wendl/Arlt irgendwie kontern mussten.

Klappe abgeschlagen, Gong, und die beiden Tobiasse stürzten sich in die Bahn, mit immer noch knappem Rückstand, der dann allerdings doch recht schnell in einem wenn auch minimalen Vorsprung mündete. Und weil sich keine größeren Fehler mehr einschlichen, hing wieder einmal alles von der Ausfahrt der drittletzten Kurve, der 13 ab.

Und tatsächlich, die Bahn steigerte auch ganz am Ende dieser Rodelwoche noch einmal die Spannung, Wendl/Arlt kam noch einmal aus dem Rhythmus und der Bande sehr nahe, dann hatten die beiden am Ende doch noch genügend Speed, um fast die Abschlagmatte zu verpassen und letztlich doch mit acht Hundertsteln Vorsprung auch den vierten Teil der Pekinger Rennrodelwettbewerbe zu gewinnen.

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