Olympia: Magdalena Neuner:Wenn die Bären schlafen

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Biathletin Magalena Neuner gewinnt Silber. Dann muss sie Fragen zur kanadischen Tierwelt und zum Valentinstag überstehen.

Michael Neudecker, Whistler

Wie das denn sei, wollte ein Reporter dann wissen, ob sie Angst habe vor den kanadischen Bären, wenn sie da so während des Biathlon-Rennens durch den Wald laufe. Wald und Kanada und Bären, das liegt ja nahe, nicht wahr. Und, sag mal, Lena, ob sie sich auf den Valentinstag freue.

Strahlt: Magdalena Neuner mit der Silbermedaille. (Foto: Foto: AFP)

Die Biathletin Magdalena Neuner hatte soeben die erste olympische Medaille ihrer Karriere und die erste olympische Medaille für das deutsche Team bei diesen Spielen gewonnen, Silber im 7,5-Kilometer-Sprint, aber die Reporter wollten jetzt mit ihr über Bären und den Valentinstag reden.

Magdalena Neuner lächelte, und dann antwortete sie. Dass "die Bären ja jetzt schlafen", dass "die Kanadier ja auch damit zurecht kommen, dass sie Bären und andere Tiere haben", und dass der Valentinstag ihrer Ansicht nach "völliger Quatsch" sei. Sie hätte die Fragen mit einem knappen Satz abhaken können, hätte den Kopf schütteln können, sogar seufzen, die Augen verdrehen - aber sie antwortete, ausführlich und so ernst wie möglich. Das ist es wohl, weshalb die gebürtige Garmisch-Partenkirchnerin bei Fans und Medien so beliebt ist: Weil sie nie die Augen verdreht, nie seufzt. Sondern immer lächelt, immer antwortet.

Und es ist jetzt natürlich eine schöne Geschichte, dass gerade Neuner die erste Medaille für Deutschland im zweiten Wettbewerb dieser Olympischen Spiele geholt hat. Zumal die Erwartungshaltung groß ist, gerade bei den Biathleten. "Wenn wir in jedem Rennen eine durchbringen, sind wir zufrieden", sagt Uwe Müssiggang, der Bundestrainer der Frauen. Mit "durchbringen" meint er eine Medaille, und das sagt schon alles über die Ansprüche an die deutschen Biathlon-Frauen.

Magdalena Neuner weiß das, sie ist es gewöhnt, dass sie vorne mitfahren soll, am besten siegen. Sie sieht das ja auch selbst so: Vor den Spielen noch sagte sie, dass sie eine Goldmedaille holen wolle. Aber dadurch fühle sie nun keinen zusätzlichen Druck, "weil ich das ja von mir selbst erwarte und ich für niemand anders laufe", sagt sie. So kann man das auch sehen.

Mit der Silbermedaille hat Magdalena Neuner nun schon früh den Druck auf das gesamte Team ein wenig reduziert - dass ihre Kolleginnen Simone Hauswald, Kati Wilhelm und Andrea Henkel in diesem ersten Rennen von Whistler zu häufig daneben schossen, um bei der Medaillenvergabe eine Rolle zu spielen, wurde durch Neuners Erfolg zur Randnotiz.

Es geht jetzt erst einmal um sie, um ihre Geschichte. Die anstrengende und auslaugende Zeit, die sie seit ihren drei Goldmedaillen bei der WM 2007 hatte - "I had some heavy years", so formulierte sie es in Whistler vor der internationalen Presse. Und sprach dann immer wieder von der "mentalen Arbeit", die sie gemacht habe, und die sich nun auszahle. Als das Rennen begann, da sei sie überhaupt nicht nervös gewesen, "das hat mich überrascht".

Dass nicht sie, sondern die eingebürgerte Slowakin Anastazia Kuzmina Gold gewann, das lag vermutlich auch ein wenig an den Bedingungen, die im Whistler Olympic Park herrschten. Es nieselte, der Schnee wurde matschig und schwer, überhaupt regnete es den ganzen Tag in Whistler. "Die Bedingungen waren schon schwierig", fand Neuner.

Ihre schwedischen Kolleginnen, die Gesamtweltcup-Führende Helena Jonsson und die Mitfavoritin Anna Carin Olofsson, kamen mit den Bedingungen nicht zurecht, sie schnitten überraschend schwach ab, Jonsson wurde Zwölfte, Olofsson gar nur 20. "Die Schwedinnen sind auch nur Menschen", sagte Bundestrainer Müssiggang, und sah damit seine These bestätigt, dass bei Olympia "jederzeit alles passieren kann". Weshalb die Silbermedaille für Neuner um so höher einzustufen sei.

Neuner selbst sah das genau so: "Ich bin total glücklich", sagte sie, immer wieder sagt sie das, "ich habe nicht Gold verloren, sondern Silber gewonnen". Sie lächelte jetzt nicht mehr. Sie strahlte.

Das nächste Rennen der Biathlon-Frauen steht am Dienstag auf dem Programm, die Verfolgung über zehn Kilometer. Es ist zugleich Magdalena Neuners zweites olympisches Rennen. Sie ist am vergangenen Dienstag 23 Jahre alt geworden, Vancouver sind ihre ersten Spiele. Auch wenn sich das bei ihr schon anders anfühlt, die Wahrheit ist: Sie hat den größten Teil ihrer Karriere noch vor sich.

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