Olympia:Großes Spektakel von Wiggins zum Abschied

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Rio de Janeiro (dpa) - Bevor langsam die Lichter im Velodrome ausgeknipst wurden, stapfte Bradley Wiggins das Holzoval hinauf und verabschiedete sich von den noch ausharrenden britischen Fans.

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Rio de Janeiro (dpa) - Bevor langsam die Lichter im Velodrome ausgeknipst wurden, stapfte Bradley Wiggins das Holzoval hinauf und verabschiedete sich von den noch ausharrenden britischen Fans.

Um seinem Hals baumelte die Goldmedaille, die fünfte seiner Karriere und vielleicht auch die schwierigste. Ein bisschen Smalltalk, ein paar Umarmungen, dann verschwand er in den Katakomben. Zurückkommen wird er nicht mehr, es ist ein Abschied für immer. „Fuck, es ist vorbei“, sagte der 36 Jahre alte britische Radstar wehmütig und kündigte das Ende seiner olympischen Karriere an: „Ich werde nicht mehr in Tokio teilnehmen. Ich möchte auf dem Höhepunkt aufhören.“

Das ist ihm gelungen. Es ist ein Abschied, wie er im Drehbuch kaum besser hätte stehen können. Denn zuvor hatte Wiggins mit dem britischen Bahnrad-Vierer in Rio de Janeiro einen denkwürdigen Auftritt hingelegt. Nach einem Krimi über 4000 Meter raste das Quartett in 3:50,265 Minuten zum zweiten Weltrekord innerhalb von gut einer Stunde gegen ebenbürtige Australier.

Danach war kein Halten mehr. Als eine der ersten Gratulanten verneigten sich Ex-Sprinter Chris Hoy und Ruder-Ikone Steven Redgrave, beide wie Wiggins längst als Sir geadelt und mit sechs und fünf Goldmedaillen dekoriert. Doch acht olympische Plaketten - Wiggins gewann neben fünf goldenen noch einmal Silber und zweimal Bronze - kann keiner von ihnen vorweisen. „Er ist der größte britische Radsportler aller Zeiten, denn er hat in allen Disziplinen Siege geholt“, lobte Hoy.

Wohl wahr: Wiggins gewann neben all den olympischen Ehren 2012 als erster Brite die Tour de France, wurde Zeitfahr-Weltmeister und stellte einen Stunden-Weltrekord auf. „Ich bin glücklich und zufrieden mit allem, was ich erreicht habe“, bilanzierte Wiggins und wurde sentimental: „Meine Kinder brauchen einen richtigen Vater, meine Frau braucht einen richtigen Ehemann.“ Bella, Ben und Catherine werden sich freuen.

16 Jahre Radsport auf allerhöchstem Niveau sind genug. „Ich möchte nicht mehr irgendwelche harten Rennen in Nordfrankreich fahren wie Paris-Roubaix im Regen“, betonte Wiggins. Schon in den vergangenen 18 Monaten habe er viele Opfer auf sich genommen und auf viel Geld verzichtet. Er hätte beim Team Sky sicher als Topverdiener langsam in den Ruhestand radeln können, doch Wiggins wollte sich noch einmal beweisen - gegen alle Zweifler. Auf der Bahn, da wo 2000 in Sydney alles begann. „Es ging um Gold oder gar nichts“, betonte der Mann aus Killburn. Es wurde Gold, natürlich.

Nun sei er einfach nur erleichtert. Vielleicht so erleichtert wie 2012 nach dem Ende der Tour, als ihm alles zuviel wurde. Noch heute würde Wiggins diese Zeiten verfluchen. Der ganze Stress, jeden Tag die Pressekonferenzen, jeden Tag die immer wiederkehrenden Fragen. „Ich habe Armstrong gehasst, dass er Oprah Winfrey dieses Interview gegeben hat. Und ich habe es gehasst, der Tour-Sieger in einer Periode gewesen zu sein, der all diese Fragen beantworten musste“, hatte Wiggins einmal resümiert.

Vor vier Jahren in London war es regelrecht zur „Wiggomania“ gekommen. Wenige Tage nach seinem Tour-Sieg durfte er bei der Eröffnungsfeier mit einem Glockenschlag die XXX. Sommerspiele einläuten, kurz darauf gewann er unter dem Jubel von mehreren hunderttausend Landsleuten das Zeitfahren, von der Queen wurde er gar zum Ritter geschlagen, von den Medien zur Sportpersönlichkeit des Jahres gewählt. „Ich war auf all das nicht vorbereitet“, sagte Wiggins: „Du hast von einem auf den anderen Tag gelebt. Links und rechts haben sie an dir gezogen. Es war hart.“

In gut drei Wochen werden sie noch einmal an ihm zerren. Dann will er sich bei der Großbritannien-Rundfahrt verabschieden.

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