Olympia:Der Sieg der Olympia-Rebellen

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Rio de Janeiro (dpa) - Maria da Penha hat Karriere gemacht, die Olympia-Rebellin ist glücklich über ihren größten Sieg. "Man hat über uns in Japan, Großbritannien, den USA und Deutschland berichtet."

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Rio de Janeiro (dpa) - Maria da Penha hat Karriere gemacht, die Olympia-Rebellin ist glücklich über ihren größten Sieg. „Man hat über uns in Japan, Großbritannien, den USA und Deutschland berichtet.“

Sie steht vor einem 52 Quadratmeter großen weißen Bungalow, Nummer 18 ist ihr neues Zuhause. „Gut, nicht perfekt, aber wir bleiben hier, dafür haben wir gekämpft.“ Sie schaut direkt auf den gläsernen Turm, der das Medienzentrum der Olympischen Spiele in Rio beherbergt.

Statt auf einer tausende Quadratmeter großen Fläche wohnen die Rebellen der Favela Vila Autódromo nun eng an eng in 20 kleinen Häuschen, in einer Straße. „Man muss auch Kompromisse machen, wir entwickeln das hier nach und nach“, sagt die 51 Jahre alte da Penha.

Die Vila Autódromo war zum Politikum der Olympischen Spiele in Rio schlechthin geworden, als Symbol für rücksichtslose Verdrängung, dem Profit zuliebe. Und diese zarte, stets lächelnde Frau wurde das Gesicht des friedlichen Widerstandes. Einst wohnten hier im Zentrum des Stadtteils Barra rund 700 Familien, 3000 Menschen, die meisten mit legalen Besitztiteln. Viele lebten vom Fischfang in den nahen Lagunen. Dann kam 2009 der Zuschlag für Olympia, hier im Stadtteil Barra sollte der Olympiapark mit den meisten Sportstätten entstehen.

Obwohl die Vila Autódromo nur an das Gelände angrenzt, sollte die von Investoren als „Schandfleck“ empfundene Siedlung irgendwann weichen. Da Penha wohnt seit 21 Jahren hier. Es begann ein über zweijähriger Kampf, teils mit Polizeigewalt wurden Bewohner zum Gehen getrieben.

Hunderte nahmen das Angebot an, in sehr einfache Appartements am Rande Barras umgesiedelt zu werden, 20 Familien blieben. Es stehen noch einige Ruinen der Vila Autódromo, die früher so weitläufige Fläche, wo die Nachbarn grillten, Samba tanzten, ihre Heimat, ist nun Teil des Olympia-Parkplatzes. Auf da Penhas Heimatboden wenden nun die Busse mit dem Rio2016-Logo. „Mein Haus war zum Wohnen gemacht, nicht zum Geschäftemachen“, steht auf einer zerstörten Fassade.

Ein Wandbild der Brasilien-Fahne ziert an einer Ruine statt des Spruches „Ordem e Progresso“, „Ordnung und Fortschritt“ der Slogan „Memória não se Remove“ - „Erinnerungen vertreibt man nicht“. Da Penha schaut auf die Reste der alten Heimat. „Ich bin sehr zufrieden, der Kampf hat sich gelohnt.“ Zuletzt wohnten die Widerständler in Wohncontainern. Doch nun, rechtzeitig zu Olympia, sind die Bungalows fertig geworden, direkt am Olympiapark. Zwar ist alles sehr eng, aber sie werden nicht aus ihrer Umgebung an einen fremden Ort verpflanzt.

Allerdings sind die vor den Häuschen verlegten Grasstücke ganz braun, die Architektin Giselle Tanaka, Anwältin der Vila-Bewohner, macht Druck, dass Mängel noch ausgebessert werden. So wie beim Olympischen Dorf in groß, tauchen auch hier bei der Übergabe Probleme mit Baumängeln auf. Ein Vertreterin der Stadt betont, man habe sich für eine bestmögliche Lösung eingesetzt, es solle doch auch bitte dies einmal berichtet werden. Die Häuser seien wesentlich besser als die provisorischen Siedlungen zuvor. Bürgermeister Eduardo Paes sah sich zu dieser Lösung gezwungen, weil er wegen der internationalen Aufmerksamkeit keine Bilder von Polizisten, die die störrischen Bewohner mit Gewalt aus den Häusern zerren, gebrauchen konnte.

In Zukunft, weit nach Olympia, könnte hier eine Nachbarschaft der Gegensätze entstehen. Denn viele vermuten, dass die Favela plattgemacht wurde, weil Investoren auf der Fläche nach Olympia Luxusbauten hochziehen wollen. Dann wäre links der Straße mit den 20 weißen Bungalows für die 20 Familien der Olympiapark, der nach den Spielen zum nationalen Leistungsportzentrum und Eventpark wird. Und rechts würden besser betuchte Nachbarn in Luxusappartements wohnen.

Dem Immobilienmogul Carlos Carvalho war die Favela scheinbar ein Dorn im Auge. Schon rund zehn Millionen Quadratmeter Land soll Carvalho in Barra, dem aufstrebenden, wohlhabenden, weißen Stadtteil Rios besitzen, bebaut mit Hochhausblöcken. Mit Blick auf die Bewohner der Vila Autódromo sagte er vor einem Jahr dem „Guardian“: „Sie müssen gehen.“ In den Randbezirken gebe es genug Platz, das Zentrum gehöre der Elite. Er hat auch das olympische Dorf mit dem Baukonzern Odebrecht gebaut, nach Olympia will er die Appartements verkaufen und Kasse machen. 2012 spendete Carvalho 650 000 Reais (180 000 Euro) für die Wiederwahlkampagne von Bürgermeister Paes und dessen Partei PMDB.

Was hier nun passiert, wer hier baut: noch unklar. Eine Woche vor dem Start der Spiele ziehen die Rebellen der Vila Autódromo aber nun in die Häuschen ein. „Holt die Schlüssel“, ruft Jorge Arraes, der im Namen der Stadt die Übergabe durchführt. Haus 1 geht an João Felix (59), seit 23 Jahren lebt er hier. Die Tür wird aufgeschlossen, zehn Minuten Inspektion. Zufrieden? Er wackelt mit der Hand. Geht so. „Aber mein größter Wunsch war, dass meine Frau und ich hier bleiben können.“

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