Olympia: Biathlon:Mühsames Happy-End

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Verschobener Wechsel der Generationen: Die deutsche Biathlon-Frauenstaffel erringt ohne Magdalena Neuner mit letzter Kraft die Bronzemedaille.

Volker Kreisl, Whistler

Magdalena Neuner lief doch mit. Gewiss, auf dem Startzettel der olympischen Biathlon-Frauenstaffel stand sie nicht, aber Neuner war trotzdem dabei. Im Herzen der Teamkolleginnen, im Blick der Kameras und im Gespräch der Zuschauer rund um das Rennen. Seit die 23-jährige Doppel-Olympiasiegerin zugunsten der anderen ihren Verzicht auf die Staffel und noch größeren Ruhm bekannt gab, da herrschte erst Irritation, dann überschlug sich das Lob von allen Seiten, und man konnte sagen: Es neunerte allenthalben. Unter anderem wurde Königin Silvia von Schweden nach ihrem Lieblingswintersportler befragt, sie sagte: "Neuner."

Fast hätte man vergessen, dass auch andere in Deutschland diesen Sport ordentlich beherrschen, und weil die anderen Olympiateilnehmerinnen alle über 30 sind, sagte der Staffelausgang auch etwas über die Frage, ob nicht vielleicht bald ein Generationswechsel vollzogen werden sollte. Die Antwort nach vier Runden war nicht ganz eindeutig.

Die vier Deutschen errangen Bronze, und sie nahmen es nach dem weitgehend misslungenen Olympiaverlauf gerne entgegen. Die Rennabschnitte hatten Schwächen und Stärken gleichermaßen offenbart. Stimmt die Laufform wieder, dann dürften Kati Wilhelm, Andrea Henkel und Martina Beck beim nächsten großen Ziel noch Siegchancen haben. Manche will bis zur WM 2012 in Ruhpolding noch weiterlaufen.

33 Jahre ist Kati Wilhelm alt, und die Spiele waren für sie bislang enttäuschend verlaufen. Das Beste, was sie erreichte, war ein vierter Platz im Einzelrennen. Aber Platz vier ist nicht das, was eine ehemalige Olympiasiegerin sich vorstellt. Wilhelm war diesmal Startläuferin, und sie war motiviert. Trotz eines Fehlers beim Liegendschießen, trotz langsamer Schießzeiten hatte sie vor der Übergabe an die zweite Läuferin nur drei Sekunden Rückstand. Wilhelm war also fit.

Die Nächste, Simone Hauswald, ist zwar erst 30, aber auch schon in dem Alter, in dem man sich überlegt, wie es nach dem Biathlon weitergeht. Hauswald ist stille Sportlerin, aber es lag eher am Wirbel um Magdalena Neuner, dass ihr größter Karriereerfolg am Sonntag kaum gewürdigt wurde. Im Massenstart hatte sie Bronze gewonnen, sie ist in Form, und das hat sie im letzten Rennen der Spiele unterstrichen. Null Fehler hatte sie in beiden Schießeinlagen, jedoch einen leichten Rückstand im Laufen.

Kurz entwickelte sich etwas für Frauenstaffeln Außergewöhnliches, nämlich Spannung im Rennen um alle drei Medaillen, Frankreich, Deutschland und Russland lagen zu Halbzeit gleichauf. Doch schon nach dem Liegendschießen zog sich das Feld auseinander, und die Behauptung, dass Staffeln am Schießstand gewonnen werden, bewahrheitete sich. Je ein Nachlader von Martina Beck liegend und stehend genügten, um den Kontakt zu Olga Medwetsewa zu verlieren. Beck hatte ja am meisten von Neuners Rückzug profitiert, sie war in diesem Winter nie in der Form früherer Jahre und frustriert, weil diese Spiele an ihr vorbeizugehen drohten. Beck schoss zweimal daneben und übergab einen Rückstand von fast 50 Sekunden.

Die russischen Biathletinnen haben in den vergangenen Jahren die meisten Staffeln gewonnen, und obwohl vergangenes Jahr zwei ihrer besten Läuferinnen wegen Epo-Dopings gesperrt wurden, haben sie von dieser Überlegenheit nichts eingebüßt. Der russische Anti-Dopingkampf ist immer noch fragwürdig, nicht anzuzweifeln sind aber die Ergebnisse auf den Zielbildern. Auch unter Druck schießt Olga Zaitsewa perfekt, und vielleicht hatte sie sich diesmal deshalb drei Fehler geleistet, weil ihr Vorsprung auf Andrea Henkel schon so groß war.

Henkel ist 32, auch sie fährt nach den Erfolgen früherer Jahre nicht mehr zu Olympia, nur um dabei zu sein. "Bei Olympia geht es nicht um Platzierungen, sondern um Medaillen", hatte sie gesagt", aber am Schluss musste sie hart darum kämpfen. Mit zwei Nachladern im letzten Schießen verlor sie den zweiten Platz an Frankreich und hatte plötzlich die Konkurrenz im Nacken.

Vermutlich wäre die Diskussion um Neuners Verzicht noch mal aufgeflammt, hätte Henkel auf der letzten Schleife noch nachgelassen, aber sie kämpfte, hielt das Tempo hoch, und holte Bronze, die mühsamste Medaille, die ein deutsches Quartett bei Olympia bisher gewann.

© SZ vom 24.2.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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