Aus bei der Fußball-EM:"Das grausamste Spiel in der österreichischen Fußball-Geschichte"

Lesezeit: 3 min

Österreichs Aleksandar Dragovic umarmt seinen sichtlich niedergeschlagenen Teamkollegen David Alaba nach der Achtelfinal-Niederlage gegen Italien. (Foto: Laurence Griffiths/dpa)

Österreich bringt Italien im EM-Achtelfinale an den Rand einer Niederlage - aber eben nicht weiter. Nach dem 1:2 ist die Enttäuschung auch deshalb so groß, weil das Team mithalten konnte.

Von Felix Haselsteiner

Es waren die Minuten der Niederlage, die zeigten, dass sich in den vergangenen Wochen etwas getan hat im österreichischen Fußball. Da hockte David Alaba nach dem 1:2 nach Verlängerung gegen Italien auf dem Rasen des Wembley-Stadions, wo er einst mit dem FC Bayern die Champions League gewonnen hatte, sichtlich erschöpft und enttäuscht. Da schlich Florian Grillitsch langsam in Richtung Kabine und fuhr sich nachdenklich durch die Haare. Und da trat irgendwann Sasa Kalajdzic vor das Mikrofon und sagte: "Ich glaube, das ist nicht nur das grausamste Spiel in meiner Karriere, sondern auch in der gesamten österreichischen Fußball-Geschichte."

Die Österreicher gingen nicht vom Platz als eine Mannschaft, die sich ihrer eigenen Unterwürfigkeit gegenüber der Fußballmacht Italien bewusst geworden war, sondern wie eine, die gerade deshalb so enttäuscht war, weil sie hatte mithalten können. Schon allein die Teilnahme am Achtelfinale einer EM war ein historischer Erfolg gewesen. In der Nachbetrachtung jedoch fühlte sich das Spiel nicht als solcher an. Es war eine "bittere Niederlage", wie Kalajdzic sagte. Die Österreicher hatten auf eine Art und Weise verloren, wie sie nur die wenigsten der kleinen Fußballnation Österreich überhaupt zugetraut hatten.

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Die Italiener, die durch die Gruppenphase spaziert waren, ohne sich ihre eleganten blauen Trikots auch nur zu beschmutzen, waren vor dem Spiel der haushohe Favorit gewesen. Siege gegen Nordmazedonien und die Ukraine hatten hingegen nicht ausgereicht, um den Österreichern den Status eines gefährlichen Gegners zu geben; nach dem zweiten Gruppenspiel hatte die Gazzetta dello Sport Österreich noch als eine der drei schwächsten Mannschaften des Turniers geführt. Die Warnungen von Italiens Trainer Roberto Mancini im Vorfeld des Achtelfinals hatte man eher als höfliche Aussagen wahrgenommen. Doch Mancini sollte recht behalten, denn Österreich lieferte einen beeindruckenden Kampf - und wäre fast belohnt worden.

Zwei Momente nämlich gab es, in denen das Spiel kippte - einer davon wurde aber wieder entwertet. Als Stürmer Marko Arnautovic in der 65. Minute die Führung erzielte, schienen die Österreicher endgültig Überhand zu nehmen: Italien hatte die erste Halbzeit zwar dominiert, war dann aber zunehmend unter Druck geraten und geriet nun zum ersten Mal bei dem Turnier in Rückstand - allerdings nur für knapp zwei Minuten. Dann nämlich erkannte der Videoschiedsrichter eine hauchzarte Abseitsstellung in Form des Fußes von Arnautovic. Das Tor wurde zurückgenommen und Italien kam mit einem blauen Auge davon. "Ich glaube nicht, dass sie zurückgekommen wären nach diesem 1:0", sagte Arnautovic nach dem Spiel. Und in der Tat: Die Österreicher hatten Italien mit ihrem druckvollen, mutigen Spiel in der zweiten Halbzeit in eine Position gebracht, die man so nach der Gruppenphase kaum erwartet hatte.

Der österreichische Mut war gebrochen

Italien spielte erstaunlich zaghaft, was eine Verlängerung zur Folge hatte. In der wiederum kippte das Spiel dann wirklich - dieses Mal jedoch zu Gunsten der Azzuri: Federico Chiesa erzielte in der 95. Minute das 1:0, indem er ein wunderbares Zuspiel von Leonardo Spinazzola verwertete. Es war ein Tor, das auch entstand, weil David Alaba und Konrad Laimer nicht nah genug am italienischen Stürmer dran waren. Und es war ein Tor, das den österreichischen Mut erst einmal für ein paar Minuten brach.

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"Nach dem 0:1 waren wir komplett offen, sie haben es ausgenutzt", sagte Kalajdzic. Italien legte in der 105. Minute mit einem Konter das 2:0 nach, diesmal durch den - wie Chiesa - eingewechselten Matteo Pessina. Die fußballerische Geschichte dieses Spiels wird somit auch geprägt von den Wechselentscheidungen der Trainer: Mancini brachte die zwei Spieler in die Partie, die die Tore erzielten. Franco Foda gelang zwar dasselbe: Der in der 96. Minute eingewechselte Kalajdzic traf in der 114. Minute noch zum 1:2-Anschluss. Allerdings wechselte er erst spät, als seine Mannschaft schon müde wirkte.

Die Wechselfolge war am Ende eine von vielen Kleinigkeiten, die dazu führten, dass die Österreicher die Italiener nur an den Rand einer Niederlage bringen konnten, nicht aber weiter. "Die Mannschaft hat bewiesen, dass sie richtig gut Fußball spielen kann", sagte Foda nach dem Spiel. Den Stolz in seiner Stimme hat sich der vielkritisierte Trainer verdient: Foda hat seine Lehren gezogen, auch gegen Italien wirkte die Mannschaft - wie schon gegen die Ukraine - deutlich verbessert als noch zu Turnierbeginn. Österreich hat im Achtelfinale bewiesen, dass seine goldene Generation nicht nur auf dem Papier existiert, das ist das Fazit des Turniers. Nur mit einem wirklich großen Sieg belohnen muss die Mannschaft sich ein anderes Mal.

Dieser Artikel ist zuerst am 28. Juni 2021 in der SZ erschienen.

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