Nürnberg gewinnt gegen Berlin:Ein Jubiläum zum Vergessen

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Der 1. FC Nürnberg gewinnt das 1000. Bundesligaspiel der Vereinsgeschichte gegen Hertha BSC Berlin mit 2:0. Ein Schuss von Alexander Esswein hat den "Club" gerettet. In den Legendenschatz wird die Partie aber nur einziehen, wenn Nürnberg den Klassenerhalt schafft.

Jürgen Schmieder

Natürlich erzählte man sich am Samstag die tollsten Geschichten in Nürnberg, schließlich absolvierte der Club sein 1000. Spiel in der Bundesliga - und da berichten die treuen Anhänger gerne von den skurrilsten Erinnerungen: von der ersten und einzigen Bundesliga-Meisterschaft im Jahr 1968, von der Entlassung des Trainers Willi Entenmann direkt nach einem Sieg gegen den FC Bayern, vom Phantomtor Thomas Helmers und vom Torphantom Marek Mintal.

Tor? Ich? Ja, tatsächlich: Alexander Esswein nach seinem Treffer gegen Hertha BSC Berlin. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Nürnberger spielten gegen Hertha BSC, wo Trainer Michael Skibbe seinen Berlin-Bundesliga-Einstand gab. Wahrscheinlich wird sich in 50 Jahren kaum noch jemand an diese Partie erinnern - weil sich wohl nicht einmal in ein paar Wochen noch jemand an dieses an legendären Ereignissen arme Spiel erinnern wird, das Nürnberg durch Treffer von Alexander Esswein und Dominic Maroh mit 2:0 (1:0) gewann.

Dabei begann der Nachmittag durchaus verheißungsvoll, in der sechsten Minute gab es eine Szene, die zur Legendenbildung getaugt hätte: Philipp Wollscheid schoss aus elf Metern aufs Tor. Das Spielgerät klatschte an den Pfosten, tupfte im Schlamm auf der Torlinie auf, sprang an den anderen Pfosten und von dort in die Hände von Berlins Torwart Thomas Kraft. Phantomtor? Elfmeter? Mitnichten, der Schiedsrichter entschied ganz bieder auf Abseits.

Fünf Minuten später tauchte Daniel Didavi allein vor dem Berliner Tor auf, nachdem Christian Lell den Ball grotesk verloren und Levan Kobiashvili ausgerutscht war - doch sein Schuss war zu ungenau. Kurz darauf bewies Didavi nach einem feinen Dribbling, dass er nicht nur ungenau, sondern auch sehr weich schießen kann.

Die Nürnberger kombinierten schnell und sicher, sie ließen die ohnehin als porös geltende Berliner Abwehr immer wieder kollabieren. Meist spielte Almog Cohen hinaus auf die linke Seitenlinie hinabwetzenden Alexander Esswein. Der suchte die beiden Angreifer Eigler und Pekhart, fand sie jedoch nur selten. Und wenn doch, dann waren die Torschüsse meist ungenau und weich.

Nach etwa 20 Minuten erkannten die Berliner, dass man Abwehrfehler am besten dadurch vermeiden kann, indem man selbst ein paar Angriffe inszeniert und den Ball möglichst in der gegnerischen Spielhälfte belässt. Zunächst scheiterte Peter Niemeyer mit einem Schuss an Raphael Schäfer (23.), dann scheiterte Pierre-Michel Lasogga (30.) an der mangelnden Höhe des Tores und schließlich Adrián Ramos an seiner Geschwindigkeit beim Strafraum-Sprintduell mit Wollscheid (35.).

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In dieser starken Phase der Berliner fiel der Treffer der Nürnberger: Wieder wetzte Esswein die Linie hinab, doch diesmal suchte er keinen Mitspieler. Er prügelte den Ball aus 22 Metern an den Kopf eines Berliner Spielers, von dort aus flog das Spielgerät in die rechte untere Ecke.

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In der zweiten Halbzeit gab es zunächst einen Wettbewerb, welche Mannschaft die meisten Fehlpässe, hoch nach vorne geprügelte Bälle und Querschläger in der eigenen Spielhälfte schaffte (Berlin gewann die Gesamtwertung knapp). Dann erinnerten sich die Nürnberger daran, dass es für dieses skurrilen Wettbewerb keine Punkte geben würde - und inszenierten lieber wieder Angriffe.

Zunächst legte Eigler schön auf Pekhart (61.), doch der schob den Ball aus sieben Metern an den rechten Fuß von Kraft. Dann schoss Pekhart ein Tor - doch der Schiedsrichter verweigerte zurecht wegen Abseits die Anerkennung (65.). Dann hörten die Nürnberger wieder auf mit gefährlichen Angriffen.

Die Berliner dagegen schienen recht zufrieden zu sein mit diesem knappen Rückstand - anders ist kaum zu erklären, dass die Mannschaft in der zweiten Halbzeit nur zwei Mal aufs Tor schoss, und das innerhalb weniger Sekunden. Cohen warf sich jeweils in die Versuche und bugsierte das Spielgerät schließlich ins Aus. Roman Hubnik lupfte noch einmal - doch sein Versuch aus elf Metern ging eher kläglich neben das Tor.

Kurz vor Schluss erzielte Dominic Maroh dann das 2:0: Der Ball flog nach einem Freistoß durch den Strafraum - und weil ihn keiner berühren wollte, hielt Maroh am langen Pfosten den rechten Fuß hin und stubste das Spielgerät über die Linie.

"Wir haben sehr stabil gestanden und wenig zugelassen - das war schon in Ordnung", sagte Nürnbergs Trainer Dieter Hecking, "wir haben die Konsequenz gehabt, aus unseren Chancen die Tore zu machen. Es geht nur so wie heute." Berlins Patrick Ebert sagte: "Wir haben eigentlich ein ordentliches Spiel auswärts gemacht, haben aber vergessen, ein Tor zu schießen. Aber wir haben in der Hinrunde 20 Punkte geholt und werden versuchen, auch in der Rückrunde 20 Punkte zu holen."

Man wird sich an diese Partie in Nürnberg vielleicht doch erinnern. Sollte der Verein auch in der kommenden Saison 34 Bundesliga-Partien absolvieren dürfen, dann werden die treuesten Anhänger beim 2000. Spiel berichten: von damals, von dieser legendären 1000. Partie und von Essweins Hammer, der in diesen Erzählungen natürlich aus 40 Metern erfolgte und im rechten Kreuzeck einschlug.

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