"Habt ihr gesehen, was ich gemacht habe?", fragte van Gaal. Die Frage war an die versammelten WM-Berichterstatter, vor allem an jene aus den Niederlanden gerichtet. Deren Job besteht im Wesentlich darin, zu sehen, was van Gaal macht. Man konnte deshalb davon ausgehen, dass sie auch bei diesem Last-Second-Sieg im Achtelfinale gegen Mexiko hingeschaut hatten. Louis van Gaal erzählte es trotzdem noch einmal. Weil es so schön war.
"Wir haben drei verschiedene Systeme gespielt", sagte van Gaal. "Zuerst habe ich auf ein 4-3-3 umgestellt, dann bin ich zu Plan B übergegangen und ja, ich habe das in der Trinkpause gemacht, das war eine schlaue Art, von diesen Pausen zu profitieren." Überhaupt machte Van Gaal so viele Dinge, die sich im Nachhinein als schlau herausstellten, dass er sie gar nicht alle aufzählen konnte.
Er setzte etwa den Stürmer Dirk Kuyt in seinem hundertsten Länderspiel erst als Linksverteidiger ein, dann als Rechtsverteidiger, dann als Stürmer. Er nahm auch seinen Kapitän Robin van Persie vom Platz, als es gerade spannend wurde und brachte Klaas-Jan Huntelaar, den er bis dahin sorgsam missachtet hatte.
Wenn all diese A-,B- und C-Pläne schiefgegangen wären, hätte man van Gaal selbstverständlich in der Luft zerrissen. Viel hat ja nicht gefehlt. Zwei Minuten vielleicht. Ausgleich Sneijder, Siegtreffer Huntelaar. Da konnten die niederländischen WM-Berichterstatter ihre fast schon fertigen van-Gaal-Nachrufe doch wieder in die Tonne treten. Bei De Telegraf stand wenig später: "Louis Genigaal".
Er findet sich immer noch gut und zeigt das auch
Über die Genialität dieses Wortspiels lässt sich streiten. Nicht aber darüber, dass die Niederlande am Samstag in Salvador zum Viertelfinale gegen Costa Rica antreten dürfen. Und dass Aloysius Paulus Maria van Gaal, Ritter von Oranien Nassau, 62, das mal wieder ziemlich gut hingecoacht hat. Auch wenn es natürlich genauso gut hätte schief gehen können.
Das Spiel der Niederlande gegen Mexiko war unter anderem deshalb so aufschlussreich, weil es zwei wichtige Erkenntnisse über den Bondscoach lieferte. Er ist, erstens, immer noch der Alte. Und er hat sich, zweitens, komplett erneuert. Unter den zahlreichen Bewunderern des Fußballlehrers Louis van Gaal gehört Louis van Gaal weiterhin zu den glühendsten Fans, daran hat sich nichts geändert.
Sein berühmtes Backstein-Lächeln, seine offen zur Schau gestellte Selbstherrlichkeit, kennen sie in Amsterdam so gut wie in Barcelona oder in München. Wen sie dort nicht so gut kennen, das ist der van Gaal, der sich anpasst, der jederzeit flexibel auf aktuelle Entwicklungen reagiert, der sich weniger nach dem richtet, was er glaubt als nach dem, was geschieht.