US-Football in der NFL:Vollgas? Könnt ihr haben!

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Gegen die New England Patriots gibt es für die Buffalo Bills nach den belastenden Tagen wieder etwas zu feiern. (Foto: Mark Konezny/USA Today/Imago)

Nach dem Herzinfarkt von Buffalo-Profi Damar Hamlin brauchte die NFL einen reibungslosen letzten Spieltag vor den Playoffs. Die Spieler tun der Liga den Gefallen und liefern ab - allen voran die Buffalo Bills.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der letzte reguläre Spieltag, bevor die Playoffs losgehen, lieferte in der US-Footballliga NFL Wundersames. Zum Beispiel beim letzten Spielzug der Houston Texans: Sie lagen 24:31 gegen die Indianapolis Colts zurück und hatten nur noch einen Versuch. Quarterback Davis Mills schleuderte den Lederball aus 28 Yards, und von mehreren Verteidigern bedrängt, verzweifelt in Richtung Endzone; dort schaffte es Kollege Jordan Akins inmitten von drei Gegnern, den Ball aus der Luft zu pflücken. Es war ein wunderbarer Fang. Die Texans gewannen die Partie mit einer erfolgreichen Two-Point-Conversion - wieder Mills auf Akins - sogar noch 32:31.

Wundersam war es deshalb, weil die Houston Texans mit diesen beiden Pässen im Wortsinn das Recht wegwarfen, bei der Talentbörse im April an ersten Stelle wählen zu dürfen. Die Reihenfolge im Draft wird anhand der Bilanzen der vergangenen Saison ermittelt. Es wäre mittelfristig klug gewesen für die Texans, die für diese Saison bedeutungslose Partie zweier grottenschlechter Teams zu verlieren; in der US-Profiliga NFL gibt es bekanntermaßen keinen Abstieg. Im US-Sport ist so ein Vorgehen keine Seltenheit, man kennt es auch in anderen Ligen unter dem Namen Tanking. Absichtliches Verlieren, um die Draft-Position zu verbessern.

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Die Texans widersetzten sich mit ihrem unbedingten Siegeswillen also diesem Trend, und es war auch für die NFL bedeutsam, was da passierte. Denn die Liga steht wieder einmal im Verdacht, zynisch zu sein und das Füllen der Geldspeicher über den sportlichen Wettkampf und die Gesundheit der Spieler zu stellen. Nach dem Herzinfarkt des Buffalo-Profis Damar Hamlin am vorangegangenen Spieltag war ein Wochenende ohne Zwischenfälle für den Ruf der Liga wichtig. Es brauchte Partien, bei denen alle bis zum Ende durchziehen. Und wie so oft in der NFL war es auch diesmal so, dass die geliefert haben, die immer liefern: die Akteure auf dem Platz.

Denn nicht nur die Texans agierten an diesem Wochenende ehrenhaft, ohne jeden Tanking-Gedanken. Die Detroit Lions erfuhren kurz vor ihrer Partie bei den Green Bay Packers, dass sie keine Chance mehr auf eine Playoff-Teilnahme hatten; eine Niederlage hätte sie in der Talentbörse-Rangliste drei Plätze nach oben klettern lassen. "Natürlich geht es um was; wenn auch nicht mehr darum, ob wir in die Playoffs kommen. Es geht darum, es denen zu vermasseln", sagte Lions-Trainer Dan Campbell vor der Partie - genauso spielte sein Team: frech und forsch.

Immer wieder stand der deutschstämmige Passempfänger Amon-Ra St. Brown im Mittelpunkt: Einmal sicherte er sich einen Wurf von Quarterback Jared Goff, indem er den Ball zwischen den Beinen einklemmte, ohne dass der den Boden berührte; kurz darauf war er an einem Trickspielzug beteiligt, bei dem er einen Pass wie beim Basketball sogleich an einen Mitspieler weiterleitete. St. Brown fing sechs Pässe, mit 1161 Yards Raumgewinn ist er der jüngste Receiver der Lions-Geschichte, der eine 1000-Yard-Saison geschafft hat. Die Detroit Lions siegten 20:16 und wählen nun beim Draft in jeder Runde vier Plätze hinter den Green Bay Packers, denen sie die Playoffs vermasselt haben.

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Oder die Washington Commanders: Sie siegten 26:6 gegen die Dallas Cowboys, die deshalb keine Chance mehr hatten auf ein Freilos oder wenigstens Heimrecht in der ersten Playoff-Runde und am kommenden Montag bei den Tampa Bay Buccaneers antreten müssen. Eine Niederlage - die Washington damit hätte rechtfertigen können, dass auf der Quarterback-Position der Ersatzmann des Ersatzmanns agierte - hätte die Commanders um drei Plätze in der Draft-Rangliste nach oben geführt. Die klare Botschaft jedoch: kein Tanking, Vollgas bis zum Schluss.

Natürlich gab es sportlich auch kurzfristig relevante Partien an diesem Spieltag: Die Miami Dolphins zum Beispiel besiegten die New York Jets kurz vor Schluss 11:6, sicherten sich nach der kleinen Krise zuletzt die erste Playoff-Teilnahme seit 2016 und treten am Sonntag bei den Buffalo Bills an. Diese schafften freilich den emotionalen Beitrag zum Wochenende: Vor einer Woche hatte ihr Spieler Damar Hamlin auf dem Feld einen Herzinfarkt erlitten; am Montagabend teilte das Krankenhaus in Cincinnati "stolz" mit, dass man Hamlin entlassen habe und es ihm "gut" gehe, nach Tagen, in denen sein Zustand kritisch war. Viele fragten sich bis zuletzt, wie die Mannschaft auf diese Strapazen reagieren würde. Antwort: Beim buchstäblich ersten Spielzug gegen die New England Patriots trug Nyheim Hines den Anstoß des Gegners 96 Yards weit in die Endzone - das unmissverständliche Signal an die Zuschauer lautete: Wir sind da, und wir wollen spielen! Eine Botschaft, die stellvertretend für alle NFL-Teams galt.

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