Newcastle United in der Premier League:Superreiches Billigteam

Premier League - Arsenal v Newcastle United

Viel Hoffnung ist in den Gesichtern der Newcastle-Spieler um Jamaal Lascelles (li.) nicht zu erkennen.

(Foto: Paul Childs/Reuters)

Trotz des Einstiegs des saudischen Staatsfonds rückt der Abstieg für Newcastle immer näher. Das Team wirkt stumpf und ausgelaugt. Nur die Fans machen Hoffnung - und das kommende Transferfenster.

Von Sven Haist, London

Würde in der Premier League allein die Unterstützung der Fans über Sieg und Niederlage entscheiden, Newcastle United stünde bestimmt nicht am Tabellenende. Minutenlang beklatschte die Anhängerschaft des Traditionsklubs ohne jede Häme das eigene Team nach dem Auswärtsspiel beim FC Arsenal. Das war den verdutzten Spielern und dem Mitarbeiterstab um den neuen Trainer Eddie Howe auf dem Platz sichtbar unangenehm, da sie als Gegenleistung erneut nicht mehr zu bieten gehabt hatten als eine weitere trostlose Niederlage. Der Schweizer Nationalspieler Fabian Schär und Mittelfeldabräumer Joseph Willock warfen jeweils ihre Trikots in die Menge, zumindest eine kleine Erkenntlichkeit für die leidgeprüften Zuschauer.

In puncto Vereinstreue hat den United-Fans auf der Insel fast niemand etwas voraus. Obwohl Sturmtief Arwen mit orkanartigen Winden und heftigen Schneefällen speziell im Norden der Insel nahezu sämtliche Zugverbindungen und Autostrecken lahmlegte, kämpften sich die rund 3000 Ticketinhaber am Samstag aus dem Nordosten Englands bis nach London durch. Pünktlich zum Anstoß um 12.30 Uhr waren alle im Stadion und offerierten die übliche, bedingungslose Unterstützung. Dabei mussten sie allerdings wieder einmal einsehen, dass sich mit Anfeuerungsrufen allein weder Tore schießen noch Tore verhindern lassen.

Newcastles weitgehend stumpfes Team wehrte sich nach Kräften, war aber bemitleidenswert unterlegen. Ohne wirkliche Prüfung kam Arsenal zu einem standesgemäßen 2:0, die feinen Tore erzielten Bukayo Saka (56.) und der eingewechselte Gabriel Martinelli (66.). Nach 13 Spieltagen fehlen dem weiter sieglosen United nun schon sechs Punkte auf einen Nichtabstiegsplatz. Mehr als dieser Rückstand lässt das Verhalten der Mannschaft am Erreichen des Saisonziels zweifeln. Die Spieler wirkten nach den Gegentoren fast gebrochen.

Keiner schien willens zu sein, den Ball zum Weiterspielen auf den Anstoßpunkt zu legen oder andere Gesten des Aufbäumens zu bemühen. Die Körpersprache der Profis gewährte einen tiefen Einblick ins Seelenleben des seit Jahren ausgelaugten Teams. Bezeichnend war, dass Kapitän Jamaal Lascelles das erste Tor mit beherztem Einsatz hätte verhindern können. Stattdessen hielt er den Arm nach oben und reklamierte Abseits. Klublegende Alan Shearer fand, der Klassenverbleib werde eine "Mammutaufgabe".

Weil Trübsinn und Bitterkeit die Lage wohl nur verschlimmern würden, versuchten die Fans nach Spielende, ihrem Team neuen Mut zu vermitteln: für den anstehenden Doppelspieltag, der über das Wohlergehen des Klubs in naher Zukunft entscheidet. Jeweils im heimischen St. James' Park empfängt Newcastle am Dienstag den Vorletzten Norwich und am Samstag das ebenso abstiegsgefährdete Burnley. Sollte erneut kein Erfolg herausspringen, würde der Abstand zur Konkurrenz aufgrund eines komplizierten Spielplans bis Jahresende vermutlich weiter anwachsen - und in Newcastle die nächste Trainerdiskussion starten.

Nach dem Remis im Duell mit Aufsteiger Brentford (3:3) und der Arsenal-Niederlage benötigt Trainer Howe dringend Punkte, weil ihm sonst das Standing fehlen wird, um in Ruhe weiterarbeiten zu können. Mehrmals musste Howe bereits klarstellen, das Unterfangen nicht für "unmöglich" zu erachten. Er habe "genug Anzeichen" gesehen, dass seine Spieler mithalten können, sagte er. Mithalten - aber auch gewinnen?

Newcastles Angriff hat Potenzial - aber kaum Unterstützung

Howes erste Spiele signalisieren, dass er sich noch auf der Suche nach der richtigen Formation befindet. Nach der forschen Spielweise gegen Brentford stellte sich Newcastle bei Arsenal hinten rein. Egal, mit welcher Abwehrformation es Howe versuchte, die Defensive bleibt Newcastles markanteste Schwachstelle. Jahrelang hat der Klub unter dem früheren Eigentümer Mike Ashley die Abwehr - bestehend aus den Innenverteidigern Lascelles und Schär sowie den Außenverteidigern Emil Krafth und Matt Ritchie - ohne signifikante Neuerwerbungen fast verkommen lassen. Schär und Krafth kamen zuletzt jeweils für einen mickrigen Millionenbetrag aus unterklassigen Vereinen.

Arsenal v Newcastle United - Premier League

Der ehemalige Hoffenheimer Joelinton (li.) wird im Newcastle-Trikot zu oft ausgebremst.

(Foto: Shaun Botterill/Getty)

Die ohnehin labile Hintermannschaft wird im anstehenden Kellerduell mit Norwich weiter geschwächt: Lascelles und Ritchie fehlen gelbgesperrt. Immerhin hat Howe ein ordentliches Mittelfeldduo gefunden: mit dem verletzungsanfälligen Spielgestalter Jonjo Shelvey und dem einzigen Sommerzugang Willock (28 Millionen Euro/Arsenal).

Davor besitzt United mit Joelinton, vor zwei Jahren für die Klubrekordablöse von 44 Millionen Euro aus Hoffenheim geholt, dem technisch gleichfalls versierten Allan Saint-Maximin und Torjäger Callum Wilson eine begabte Offensive. Die Spieler sind allerdings häufig auf sich allein gestellt und spielen auch häufig für sich allein. Mit ihnen verband Geschäftsmann Ashley, dem stets vorgehalten wurde, finanzielle über sportliche Bilanzen zu stellen, die Hoffnung, einen großen Reibach erzielen zu können.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Seit dem Einstieg des saudischen Staatsfonds ist Newcastle der vermögendste Klub der Welt, doch durch die ausgebliebenen Investitionen unter Ashley verfügt der Klub für Premier-League-Verhältnisse nur über ein Billigteam. Die gegnerischen Fans (und aus Sarkasmus manchmal auch die eigenen) singen daher, dass Newcastle "verdammt reich" sei, aber, sportlich gesehen, auch "verdammt sch...". Frühestens zu Beginn des neuen Jahres kann sich der Klub auf dem Transfermarkt anders aufstellen. Es werden schon eine Menge Kandidaten gehandelt. Angesichts der schon jetzt gewaltigen Unterstützung der Fans lässt sich kaum ausdenken, was in Newcastle einmal los wäre, wenn dieses Team anfangen würde zu gewinnen.

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