NBA-Finals:Golden State spielt Basketball zum Zungeschnalzen

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Stephen "Steph" Curry umkurvt Kyle Lowry - so sah es oft aus in Spiel zwei der NBA-Finals. (Foto: USA TODAY Sports)
  • Die Golden State Warriors spielen in den NBA-Finals ohne Kevin Durant fast besser als mit ihm.
  • Das liegt daran, dass die Offensive flüssiger spielt - und die restlichen Spieler mehr Freiheiten haben.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt ein paar Sportler auf dieser Welt, die lassen das Schwere leicht aussehen und das Mühevolle mühelos - aktuell zu bestaunen sind zum Beispiel: Roger Federer bei den French Open, Alex Morgan bei den Vorbereitungsspielen zur Fußball-WM der Frauen oder Steph Curry und Klay Thompson in der Finalserie der Basketballliga NBA. Es sieht immer so locker aus, wenn die Scharfschützen der Golden State Warriors den Ball aus acht Metern Entfernung ohne Ringberührung ins Netz platschen lassen, die Zuschauer vergessen bisweilen, welche Anstrengungen nötig sind, damit die "Splash Brothers" so lässig daherkommen können.

Ein Beispiel aus der zweiten Partie gegen die Toronto Raptors, die Warriors gewannen 109:104 und glichen die Serie aus: Curry dribbelt den Ball nach vorne, sein Laufweg wird von Draymond Green freigesperrt - weil beide gegnerische Verteidiger nun Curry nachlaufen, gibt der ab auf den deshalb unbewachten Green. Der läuft in Richtung Korb und sorgt für weitere Verwirrung in der Defensive, über Thompson und DeMarcus Cousins kommt der Ball zurück zu Curry, der sich in der Ecke über einen weiteren Block freigelaufen hat. Sämtliche Laufwege und Pässe sind perfekt aufeinander abgestimmt, die Offensive der Warriors funktioniert wie ein Uhrwerk, die Verteidigung der Raptors kollabiert - und dann macht es "Platsch".

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Schön anzusehen ist das, Basketball zum Zungeschnalzen, allen 22 erfolgreichen Würfen in der zweiten Halbzeit ging jeweils ein sofort verwertbares Zuspiel voraus. Zum Vergleich: Die Houston Rockets, komplett ausgerichtet auf den dauerdribbelnden Allesverwerter James Harden, hatten während der fünften Partie der Viertelfinalserie gegen die Warriors die komplette Spieldauer über gerade mal 19 Assists geschafft.

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Es sieht leicht und lässig aus, was Golden State da tut, und es führt aufgrund der Verletzung von Kevin Durant zu einer philosophischen Teamsport-Frage: Kann das Kollektiv derart viel mehr sein als die Summe der einzelnen Teile, dass es das beste Einzelstück womöglich gar nicht mehr braucht?

Durant ist, darüber darf es keinen Zweifel geben, einer der fünf besten Basketballspieler auf diesem Planeten, vielleicht ist er derzeit sogar der Beste. Er ist in der Lage, von jeder Position aus für sich selbst Wurfchancen zu kreieren, mittlerweile ist er ein brauchbarer Spielmacher und hervorragender Verteidiger, und auch bei ihm sieht das alles meist locker und lässig aus. So einer kann jeder Mannschaft helfen, und seit seinem Wechsel aus Oklahoma City im Jahr 2016 hat er genau das getan: Die Warriors haben in den vergangenen zwei Spielzeiten den Titel gewonnen, Durant ist dabei jeweils zum wertvollsten Spieler der Finalserie gewählt worden.

Seit dieser fünften Partie gegen Houston allerdings fehlt Durant wegen einer Wadenverletzung, er könnte nun zum dritten Spiel am Mittwoch im kalifornischen Oakland zurückkehren. Sie warten sehnsüchtig auf ihn bei den Warriors, auch weil aufgrund von Blessuren aus der zweiten Partie der Einsatz von Devon Looney (Schlüsselbein) ausgeschlossen und der von Thompson (Oberschenkel) fraglich ist, und doch lautet die Frage, nicht nur für den weiteren Verlauf der Finalserie: Sind die Warriors ohne Durant vielleicht sogar besser dran, funktioniert dieses Uhrwerk ohne das wertvollste Rad womöglich gar präziser? "Sie sind variabler, schneller und unvorhersehbarer ohne ihn", sagt zum Beispiel Currys Bruder Seth vom Halbfinalgegner Portland Trail Blazers.

Durant ist 30 Jahre alt, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, er darf am Saisonende wechseln, wohin er möchte, und er hat bereits angekündigt, was er zu tun gedenkt: "Ich habe überhaupt keine Ahnung, was ich tun werde. Was ich will: Basketball spielen und Geld stapeln. Ich will so viel Geld wie möglich verdienen." Aufgrund der NBA-Regeln können ihm die Warriors diesen Wunsch am ehesten erfüllen, sie dürfen ihm einen Fünf-Jahres-Vertrag mit einem Gesamtgehalt von 221,3 Millionen Dollar anbieten - jeder andere Verein darf maximal 164 Millionen Dollar für vier Jahre offerieren.

Die New York Knicks sind interessiert, die Los Angeles Clippers ebenfalls, nur: Sind auch die Warriors interessiert? Die müssen auch den Vertrag von Thompson verlängern, im Gespräch sind mehr als 190 Millionen Dollar für fünf Spielzeiten. Die Verträge von Curry (40,2 Millionen), Green (18,5 Millionen) und Andre Iguodala (17,2 Millionen) für die kommende Saison sind fix, bei einem Verbleib von Durant und Thompson bliebe wegen der Gehaltsobergrenze kaum Spielraum für weitere interessante Einzelstücke, die das Warriors-Kollektiv derzeit so viel besser machen als die Summer der Teile - der gerade genesene Center Cousins zum Beispiel, Looney, Quinn Cook oder Shaun Livingston, die nach dieser Saison allesamt ohne Vertrag dastehen.

Derzeit wird jedes noch so kleine Indiz für einen Blick in die Glaskugel verwendet, dass Durant sein Haus in Nordkalifornien zum Verkauf angeboten und eine Villa in New York gekauft hat zum Beispiel oder dieses T-Shirt mit sämtlichen Spielorten Durants seit der Highschool: ganz unten ist San Francisco vermerkt, dorthin ziehen die Warriors aber erst in der kommenden Saison. Solche Sachen eben.

Eine entscheidende Rolle könnte tatsächlich der weitere Verlauf der Finalserie spielen. Wird Durant zurückkehren, wann genau und in welchem Zustand? Wie gut wird er spielen können? Gewinnen oder verlieren die Warriors trotz oder wegen ihm? Es ist unmöglich, den Ausgang vorherzusagen, diese Serie ist völlig offen - zumal die Toronto Raptors in den ersten beiden Spielen gezeigt haben, dass sie es für die Warriors keinesfalls leicht, lässig oder gar mühelos aussehen lassen wollen.

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