NBA Finals:Jeder kann wichtig werden, jederzeit

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Andre Iguodala entschied kurz vor Schluss das zweite Spiel der Finals für die Golden State Warriors. (Foto: AP)
  • Im NBA-Finale zwischen den Golden State Warriors und den Toronto Raptors steht es nach zwei Spielen 1:1.
  • Der Favorit aus Kalifornien besinnt sich ohne seine angeschlagenen Superstars auf die Stärken im Spiel um die Zone.
  • Am Mittwoch steht die dritte Partie der Finalserie an.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Da stand Andre Iguodala also an der Drei-Punkte-Linie, und er musste eine Entscheidung treffen. Seine Golden State Warriors führten wenige Sekunden vor dem Ende mit zwei Punkten, er hätte also dribbeln und ein Foul provozieren können. Oder abspielen auf einen besseren Schützen. Oder den Ball in seinen Händen einfach in den Korb werfen und diese zweite Partie der NBA-Finalserie entscheiden. Die Toronto Raptors hatten ihn aber so was von überhaupt nicht beachtet, was durchaus als Hinweis darauf gewertet werden darf, wie wenig sie von seiner Treffsicherheit halten.

Es war weit und breit kein Spieler in weißen Leibchen zu sehen, weshalb Iguodala genügend Zeit gehabt hätte, nicht nur über seine Entscheidung nachzudenken, sondern über sämtliche grandiose Würfe der NBA-Finalgeschichte: Sam Jones (Boston Celtics) in Spiel vier der Finals von 1969 zum Beispiel oder John Paxson (Chicago Bulls) 1993 in Spiel sechs, Garfield Heard (Phoenix Suns, 1976, Spiel fünf) oder Robert Horry (San Antonio, 2005, Spiel fünf). All diese Namen mögen nicht jedem geläufig sein, sie waren keine überdimensionierten Stars wie Larry Bird (Celtics, 1987, Spiel vier), Michael Jordan (Bulls, 1998, Spiel sechs) oder Magic Johnson (Los Angeles Lakers, 1987, Spiel vier) - aber sie haben Finalserien entscheidend geprägt.

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Iguodala wollte nicht dribbeln oder passen - er warf, und er traf zum Endstand von 109:104.

Die Stärke der Warriors liegt in ihrem breiten Kader

Es war ein typischer Golden-State-Sieg (keine Panik bei Rückstand, keine Panik bei Dominanz des Gegners, keine Panik bei Verletzungen wie der von Klay Thompson), vor allem aber haben die Warriors mal wieder das Motto vorgelebt, das sie auf T-Shirts tragen und als Aufkleber über den Brettern hinter dem Ring angebracht haben: "Strength in Numbers", was frei übersetzt bedeutet, dass sie ganz fest daran glauben, dass jeder Spieler im Kader in entscheidenden Momenten einer Partie den Ball in den Korb werfen kann. Jeder kann wichtig werden, jederzeit.

Freilich haben sie vier Spieler im Kader, die nach dem Karriereende in die Ruhmeshalle der NBA aufgenommen werden dürften, allerdings: Kevin Durant ist noch verletzt, Thompson konnte von Mitte des Schlussviertels an wegen einer Blessur am Oberschenkel (Trainer Steve Kerr: "Er sagt, dass er okay ist - aber das würde er auch sagen, wenn er halbtot wäre.") nicht mehr mitspielen. Steph Curry und Draymond Green wurden im Chaos am Ende von jeweils zwei Gegenspielern bedrängt - irgendjemand musste also frei sein: Iguodala. Der warf und traf.

Die Warriors sind, auch gezwungen durch die Verletzung von Durant, vor allem in der Offensive zurück gekehrt zu der Spielweise, für die sie vor Durants Wechsel von Oklahoma City Thunder vor zwei Jahren so gepriesen worden sind: unfassbar viel Bewegung, der Ball wird so lange in Verbindung mit konsequentem Freisperren der Kollegen zwischen den Akteuren gepasst, bis die gegnerische Defensive implodiert. Diese Philosophie führt dazu, dass nicht unbedingt der beste Schütze dringend werfen sollte (wie es etwa die Houston Rockets mit James Harden pflegen) - sondern derjenige, der gerade am besten positioniert ist und damit die größte Chance auf Erfolg hat.

"Die laufen rum wie auf dem Spielplatz und bewegen den Ball permanent", sagte Torontos Center Marc Gasol danach: "Wenn ihnen das gelingt, dann öffnet sich das komplette Spielfeld, und sie finden dann einen, der freisteht." Die meisten Punkte erzielten zwar die Stars Thompson (25), Curry (23) und Green (17), in der Statistik sind aber auch Punkte von Quinn Cook (neun), Andrew Bogut (sechs) und Shaun Livingston (sechs) vermerkt - und am Ende gab es eben diesen Wurf von Iguodala, der insgesamt auf acht Zähler, acht Rebounds und sechs Zuspiele kam. Jeder kann wichtig werden, jederzeit.

In dieser Serie, die auch aufgrund der Renitenz der Raptors eine spannende, packende und hochklassige werden dürfte, steht es nach den beiden Partien in Toronto 1:1. Die Warriors erinnern vor der dritten Partie am Mittwoch in Oakland weniger an dieses Team, das die nordamerikanische Profiliga in den vergangenen beiden Jahren dominiert hat, sondern eher wie die Mannschaft, die vor vier Jahren mit erfrischendem und altruistischem Basketball den Titel gewonnen hat. Wertvollster Spieler in der Finalserie gegen die Cleveland Cavaliers damals übrigens: Andre Iguodala.

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