Nationalmannschaft vor Österreich-Spiel:Kompaktheit ist das Wort der Woche

Lesezeit: 3 min

Soll das Kommando gegen Österreich übernehmen: Sami Khedira (Foto: dpa)

Lars Bender? Sven Bender? Oder doch noch einmal das Wagnis mit Toni Kroos? Bundestrainer Joachim Löw fahndet nach einem Partner für Sami Khedira auf der Sechser-Position. Von einer Rückbesinnung auf die Defensive will der Freund des Angriffsspektakels jedoch auch nach den zuletzt eher schwachen Spielen nichts wissen.

Von Boris Herrmann

Joachim Löw erwartet am Freitagabend in München das Spiel einer Mannschaft, der man "scho au" ansieht, dass sie eine große Chance hat, sich für die Weltmeistschaft in Brasilien zu qualifizieren. Er erwartet eine Mannschaft, die "mutig und angriffslustig zu Werke geht", die zeigt, dass sie in den vergangenen Jahren "taktisch gereift" ist und "phasenweise sehr gutes Pressing" spielen kann, auch dank ihrer "enormen Bundesligaerfahrung".

Der allgemeine Eindruck, wonach diese Mannschaft zuletzt ein paar schwächere Spiele abgeliefert hatte, fand dagegen keinen Eingang in den Lobgesang des Bundestrainers. Umso glaubwürdiger klang es, als Löw mit den Worten schloss: "Niemand wird diese starke österreichische Mannschaft unterschätzen."

DFB und Michael Ballack
:Blumen für den Capitano

Besonderes Zeichen nach Jahren der Nicht-Kommunikation: Vor dem WM-Qualifikationsspiel in München gegen Österreich erhält Michael Ballack nun doch eine offizielle Verabschiedung durch den DFB. Auch Philipp Lahm und Jupp Heynckes werden geehrt.

Von Kathrin Steinbichler

Über den Entwicklungsstand seines eigenen Teams hat Joachim Löw selbstverständlich auch referiert vor diesem wichtigen WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich. Da gibt es aus seiner Sicht durchaus Parallelen. Etwa diese: Der Weg stimmt, auch wenn das zuletzt vielleicht nicht immer mit bloßem Auge zu erkennen war. Diese Österreicher von Trainer Marcel Koller sind möglicherweise der ideale Gegner, um herauszufinden, ob er damit Recht hat.

Löw hat am Mittwoch in München keinen Zweifel daran gelassen, dass er mit der wachsenden Schar seiner Kritiker in einem Punkt einig ist: Das jüngste Testspiel gegen Paraguay (3:3) war eine Enttäuschung, nicht nur in Bezug auf das Ergebnis. Es war vor allem eine weitere Offenbarung in Bezug auf die Abwehrstabilität. Das scheint für Löw aber noch lange kein Grund zu sein, auf jene Kritiker zu hören, die seither (oder auch schon viel länger) nach einer neuen Defensivstrategie schreien. Der Bundestrainer begegnete diesen Rufen am Mittwoch mit einer Grundsatzfrage: "Was heißt denn Defensive?"

Löw hat das bei der Gelegenheit gleich selbst beantwortet, wobei er zunächst einmal erläuterte, was Defensive nicht heißt. Etwa: "Sich hinten verschanzen." Oder: "Nur noch auf Konter zu lauern." Und schon gar nicht: "Dass alle insgesamt weiter hinten spielen." Löw räumt zwar ein, dass es bei der Balance zuletzt nicht ganz gestimmt habe. Von einer Rückbesinnung auf die sogenannten deutschen Tugenden kann aber weiterhin keine Rede sein. Löw bleibt Löw, ein Freund des Angriffsspektakels.

Für das Österreich-Spiel gibt er die Parole aus: "Wir werden auf jeden Fall mehr Tore schießen als wir bekommen." Dafür hat er sich einen Matchplan ausgedacht, dessen doppelte Dialektik im ersten Moment etwas verwirrend klingen mag. Der Bundestrainer will eine deutsche Mannschaft sehen, die in der Offensive besser defensiv spielt. Und in der Defensive besser offensiv. Im Grunde heißt das aber bloß: Es soll alles wieder kompakter werden. Die "Kompaktheit" ist zweifellos Löws Wort der Woche. Dass die Mannschaftsteile zu weit auseinander waren, hat er als Hauptproblem des Paraguay-Spiels ausgemacht.

Für den Zusammenhalt aller Teilchen sind im modernen Fußball vor allem die defensiven Mittelfeldspieler zuständig. Die gute Nachricht ist: Es steht wohl fest, dass einer der beiden Sechser am Freitag Sami Khedira heißen wird. Der letzte verbliebenen Deutsche von Real Madrid ist zwar leicht angeschlagen zum DFB-Tross gestoßen und konnte am Dienstagabend nicht mit der Mannschaft trainieren, sein Einsatz gegen Österreich scheint aber nicht in Frage zu stehen.

Löw braucht Khedira, diesmal mehr denn je, was schon daran zu erkennen ist, dass er ihn explizit in den Rang des "Führungsspieler" erhob. Es sei wichtig, dass der Sami das Kommando übernehme, so Löw: "Er muss mit seiner Gestik und seiner Präsenz die anderen führen und leiten." Das ist auch deshalb so wichtig, weil es haufenweise schlechte Nachrichten gibt, was Khediras Spielpartner auf Doppelsechs betrifft. Bastian Schweinsteiger und Ilkay Gündogan sind verletzt, die weiteren Alternativen überschaubar.

Transfer von Mesut Özil
:Schnelles Spiel mit den Millionen

Sein Arbeitgeber Real Madrid legte dem verdutzten Mesut Özil nahe, die Firma zu wechseln - also ging Mesut Özil spontan zum FC Arsenal. Der Nationalspieler ist damit der teuerste deutsche Fußballer der Geschichte. Die Summen in diesem Betrieb machen selbst Beteiligte nachdenklich.

Von Thomas Hummel

"Wir haben natürlich die Möglichkeit, einen der beiden Benders zu bringen", sagte Löw. Aber so groß sind diese Möglichkeiten nun auch wieder nicht. Der Leverkusener Lars Bender, der grundsätzlich etwas näher an der Startelf dran zu sein scheint als sein Bruder Sven von Borussia Dortmund, laboriert an einer Hüftprellung. Hinter ihm steht, laut Löw, "ein großes Fragenzeichen". Sven Bender konnte am Dienstag auch nicht trainieren, was zumindest auf eine kleines Fragezeichen hindeutet.

Die nächste Möglichkeit: Bayerns Toni Kroos. "Der spielt bei uns eigentlich immer gut auf dieser Position", findet Löw. Beim äußerst schmeichelhaften 2:1-Sieg im Hinspiel gegen Österreich wurde Kroos beispielsweise dort eingesetzt. Besonders kompakt sah das damals nicht aus. Kroos ist ein herausragender Fußballer, aber eben auch einer, der jede Sechs automatisch zur Acht mit Tendenz zur Zehn umdeutet. Das wäre im jedem Fall die waghalsigste Lösung.

Michael Ballack wird am Freitag übrigens auch in der Münchner Arena sein. Er bekommt einen Blumenstrauß für seine Verdienste am deutschen Fußball. In zahlreichen seiner 98 Länderspiele haben Ballacks Verdienste darin bestanden, für Stabilität im defensiven Mittelfeld zu sorgen. Es ist trotzdem eher unwahrscheinlich, dass ihn Löw gegen Österreich an der Seite von Khedira aufstellt.

© SZ vom 05.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: