Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff:"Um Jogi mache ich mir keine Sorgen"

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Herr Bierhoff, wie schlimm steht es um den deutschen Fußball? Der Teammanager der deutschen Nationalmannschaft wehrt sich nach dem EM-Aus im Halbfinale gegen Kritik. Im SZ-Interview spricht er über die Zukunft von Bundestrainer Löw, das Luxusdenken der Spieler und kalte Platten beim Abendessen.

Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff wehrt sich gegen die öffentliche Kritik an der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. "Bezeichnungen wie 'Memmen' finde ich verletzend", sagt der Teammanager im SZ-Interview: "Alle Spieler haben Respekt verdient, sie haben sechs Wochen hoch professionell gearbeitet, gegen Italien haben sie trotz Rückstand mit Herz und Leidenschaft gespielt, das kann ich für jeden einzelnen behaupten."

"Es ist nicht so, dass unserem Team nur Filet schmeckt": Nationalelf-Manager Oliver Bierhoff. (Foto: AP)

Überraschend für ihn seien "einige populistische Töne" gewesen, die sich in die Berichterstattung mancher Medien gemischt hätten: "Da wurde meiner Meinung nach wider besseres Wissen be- und geurteilt." Für ihn sei es schon vor dem Turnier absehbar gewesen, "dass wir nach dieser überragenden EM-Qualifikation und nach den Siegen gegen Brasilien und die Niederlande auf einem schmalen Grat wandeln, dass die Fallhöhe groß sein könnte. Insofern musste man auch mit negativen Kommentaren rechnen."

Nicht gerechnet hatte Bierhoff jedoch mit manchen Ausprägungen der Kritik, etwa der Debatte um die Sangeslust der Spieler. "Ich finde es auch schön, wenn die Spieler der anderen Nationen singen - aber daraus zu folgern, dass wir gegen Italien verloren haben, weil die leidenschaftlicher gesungen haben, ist natürlich albern", meinte er: "Die Italiener haben auch vor dem Finale leidenschaftlich gesungen und 0:4 verloren. Wir reden immer von Toleranz, und Toleranz bedeutet für mich auch, dass man akzeptiert, wenn Mesut Özil nicht singt."

Zudem erinnerte Bierhoff daran, "dass bis 2006 im Stadion kaum jemand gesungen hat. Da hatte das noch etwas Verklemmtes, da wurde das Singen automatisch in die rechte Ecke geschoben, und wenn man sich die Spiele von früher anschaut, findet man auch bei den Spielern kaum einen, der mitsingt."

Auch das Argument, die Nationalspieler seien verwöhnt und bekämen vom DFB zu viel Luxus geboten, kann Bierhoff nicht nachvollziehen. "Diese Debatte gab's schon bei Günter Netzer und seinem Ferrari", sagte er: "Ich frage mich bei jeder Ausgabe: Ist sie sinnvoll? Wir investieren in die sportlichen Voraussetzungen, in die Infrastruktur: in den Fitnessbereich, in den Trainingsplatz, in angemessene Flüge." Es gebe professionelle Rahmenbedingungen, die der Verband zu erfüllen habe, weil sie auch Standard bei den Vereinen seien. "Darüber lässt sich nicht diskutieren", meinte Bierhoff; "Aber es ist nicht so, dass unserem Team nur Filet schmeckt, es gibt abends schon auch mal eine kalte Platte."

"Im ersten Moment fragst du dich: Was jetzt?"

Die Mannschaft dürfe sich von derartigen Vorwürfen nicht unter Druck setzen lassen. "Wir müssen die Leichtigkeit beibehalten, die unsere Mannschaft 2010 ausgestrahlt hat", sagte er, "aber so etwas kann auch leicht verloren gehen, wenn derartige Debatten geführt werden."

Dass Trainer Joachim Löw die Lust am Amt verliere, könne er sich nicht vorstellen, sagte Bierhoff. "Wenn man als Trainer sechs Wochen lang Entscheidungen trifft, die von 80 Millionen Menschen diskutiert werden, und wenn die Sache dann so endet, dann ist es normal, dass man erst mal keine Energie mehr hat", meinte er: "Im ersten Moment fragst du dich: Was jetzt? Was willst du jetzt überhaupt noch machen, was willst du den Spielern erzählen? Aber man hat zum Glück seine Erfahrungswerte, und die besagen: Das hast du nach den letzten Turnieren auch nicht gewusst - aber nach vier Wochen sind die Freude und die Ideen zurückgekommen. So wird es auch bei Jogi sein. Er wird das Spiel gegen Italien für sich analysieren, und er wird bald wieder die Kraft finden für die nächste Strecke. Um Jogi mach' ich mir keine Sorgen."

Das ausführliche Interview lesen Sie in der Samstagausgabe der Süddeutschen Zeitung oder auf Ihrem iPad.

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