Abschied vom FC Bayern:Uli Hoeneß taugt nicht für die Opferrolle

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Zeit zum Nachdenken: Uli Hoeneß (Foto: dpa)

Aus dem Gefängnis heraus lässt sich der Weltverein Bayern München nicht regieren. Die Folgen von Hoeneß' Abschiedsrede und Guardiolas Transferwünschen werden nun Vorstandsboss Rummenigge und Sportchef Sammer moderieren müssen - Hoeneß will in der Haft über sich selbst nachdenken.

Ein Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Rückblende zum Freitag, zu einem Tag, an dem deutlich wurde, was der Fußball mit den Menschen machen kann. Rückblende auf zwei Sätze, die all die Fragwürdigkeiten, all das Überzüchtete, das Extreme in diesem Unterhaltungsbetrieb entlarven. Einem Milieu, in dem viele ihre Orientierung verlieren, gerade jene, die als Wegweiser galten. "Ich bin stark!", sagte Pep Guardiola am Freitag vor Journalisten. "Das war's noch nicht!", rief wenige Stunden später Uli Hoeneß den Bayern-Mitgliedern zu.

Beschwörungsformeln ans eigene Ich. Ausgesprochen von zwei Darstellern, die jahrelang so wirkten, als könnten sie vor Energie und Selbstgewissheit kaum laufen. Der eine hatte zwischen 2008 und 2012 mit dem FC Barcelona das Spiel revolutionär verändert, dem anderen war 2013 mit dem Champions-League-Triumph des FC Bayern der Konter gelungen.

Hoeneß auf der Mitgliederversammlung
:Mit einem Urknall in den Knast

Von wegen Reue und leises Servus: Uli Hoeneß verabschiedet sich von den Mitgliedern des FC Bayern mit aller Wucht. Der verurteilte Steuerhinterzieher teilt heftig aus und besteht auf einer Rückkehr in den Verein - dass Karl Hopfner zum Präsidenten gewählt wird, gerät zur Nebensache.

Aus der Halle von Jonas Beckenkamp

Seit wenigen Monaten arbeiteten sie zusammen, und beide haben sich verrechnet: Guardiola hatte nie gedacht, dass dieses 0:1 und 0:4 gegen Real Madrid passieren könne; Hoeneß hatte lange nicht geglaubt, dass ihn seine Steuerschuld ins Gefängnis bringt.

Am Freitagabend nun hat Hoeneß das Präsidentenamt an Karl Hopfner übergeben. Schon bald muss sich zeigen, wie der Nachfolger damit klarkommt, dass Hoeneß ihm nicht nur diesen Job, sondern auch eine bleischwere Rede ("Ich habe in den letzten Monaten etwas an mir entdeckt, was ich nie hatte: Hass! Hass ist nicht gut!") hinterlassen hat.

Tenor der Rede, jedenfalls wird sie so interpretiert: Diese Macht ist nur geliehen. Ich komme wieder! Tatsache aber ist: Das war's - zunächst!

Aus der JVA Landsberg heraus lässt sich dieser bayerische Weltverein nicht regieren. Dort wird abgeschlossen. Die Folgen des Real-Spiels, die Folgen des für den 17. Mai angesetzten Prestige-Duells gegen Dortmund im deutschen Pokalfinale, die neue Spieler-Wunschliste von Guardiola ("Nächstes Jahr wird nach meinen Ideen gespielt"), all das werden andere moderieren müssen. Weniger Hopfner, der neue Präsident, mehr Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef, und Matthias Sammer, der Sportvorstand.

Sie müssen die teuren Entscheidungen ohne den So-wird's-gemacht-Hoeneß treffen. Sie müssen Guardiola in die Hauskultur integrieren, sie müssen diesem vom perfekten Spiel träumenden katalanischen Zweifler erklären, was möglich ist und was nicht. Sie müssen anleiten, schützen, beraten, unterstützen, aber auch Grenzen aufzeigen.

Und Hoeneß? Der sagte in seiner lauten Abschiedsrede einen leisen Satz: "Ich gehe diesen schweren Gang und werde nachdenken über mich." Wohl auch darüber, ob "Hass" das passende Wort, die passende Emotion ist, um seinen Fall zu beschreiben. Und darüber, dass er nicht für die Opferrolle taugt, in der er sich am Freitag präsentierte.

© SZ vom 05.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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