American Football:Konkurrenz verdirbt das Geschäft

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Der größte Unterschied sitzt im Hintergrund: Die Munich Ravens (li. Tomiwa Oyewo) ziehen ein jüngeres und vor allem viel größeres Publikum zu den Heimspielen in Unterhaching an als die Lokalrivalen von den Cowboys. (Foto: Sportworld/Imago)

Die Munich Ravens ziehen seit ihrer Gründung viel Publikum an, die Cowboys haben es schwer, dagegen zu bestehen. Bei beiden Teams läuft es im Ligabetrieb nicht optimal - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.

Von Christoph Leischwitz

Burger und laute Musik gehören dazu, hier wie dort. Der größte Unterschied fällt trotzdem gleich ins Auge: Mehr als 6000 Zuschauer kamen zur Premiere der Munich Ravens nach Unterhaching, mehr als 5000 zum zweiten Heimspiel. Der Start des Neulings in der noch jungen European League of Football (ELF) glückte prächtig. Den Munich Cowboys hingegen, dem Traditionsteam in der German Football League (GFL), sahen im Dantestadion am vergangenen Samstag offiziell gut 1200 Zuschauer zu - was auch nicht übel ist, allerdings die Frage nahelegte, ob da nicht all jene mitgezählt worden waren, die hinterm Zaun des benachbarten Dantebads standen. Mehr Eventcharakter und das jüngere Publikum weisen die ELF-Spiele auf. In München stellt sich nun die Frage, ob die Konkurrenz das Geschäft belebt, oder hier zumindest zwei Teams in den beiden besten Ligen koexistieren können. Beides scheint eher fraglich zu sein.

Das neue Franchise-Unternehmen auf der einen Seite will den aktuellen Football-Hype mithilfe des Fernsehens (ProSieben Maxx) bis zur Gewinnmaximierung treiben und steckt erst einmal einen siebenstelligen Betrag in jedes Team. Dem entgegen steht der gute, alte Vereinssport, dem der Charme der Neunziger anhängt - im Jugendjargon sind die Cowboys wohl old school.

Auch die Probleme, mit denen die Teams aktuell kämpfen, unterscheiden sich deutlich voneinander. Die Ravens mussten für ihr Auswärtsspiel vor zwei Wochen in Barcelona einen Van mit der Ausrüstung vollpacken, weil das günstiger ist, als am Flughafenschalter Übergepäck zu zahlen. General Manager Sebastian Stolz erzählte in seinem Podcast, dass die ganz Großen im Team, die Linemen, im Flieger zusammensäßen wie Ölsardinen - die müsse man künftig auseinandersetzen. Beim ersten Heimspiel führte der Andrang zu Pannen beim Einlass und bei den Food Trucks, im zweiten Heimspiel zeigte sich, dass auch die TV-Crew noch lernen muss: Einmal wollten die Ravens einen Spielzug direkt an der gegnerischen Endzone so schnell wie möglich wiederholen, was daran scheiterte, dass ein Kameramann auf dem Feld stand. Überdies fiel die Anzeigetafel aus. In der GFL wäre das nicht so schlimm, die Schiedsrichter sagen sowieso regelmäßig über Lautsprecher die Spielminute durch. Bei einem ELF-Event ist das eine Katastrophe. Das Spiel ist sowieso schon länger, vier mal 15 statt vier Mal zwölf Minuten, dazu gibt es Fernseh-Auszeiten, die eigentlich mit Video-Einspielern überbrückt werden sollen. Stattdessen gab es eine lange Pause, die die Fans nicht verstanden.

Die Munich Cowboys haben vor allem ein Problem: Verletzte. Präsident Werner Maier kommt kaum nach mit dem Zählen. Während er es versucht, verlässt im Spiel gegen die Marburg Mercenaries, einem Bundesliga-Klassiker, gerade der dritte Runningback verletzt das Feld. Als Quarterback steht dort Justin Sottilare, notgedrungen, eigentlich ist er nur noch Trainer. Zwölf ihrer Spieler sind zu den Ravens gewechselt, wo sie ein bisschen Geld verdienen, nach Barcelona reisen und sich fast wie Profis fühlen können. Es sind wohl etwa 15 Verletzte, die dazukommen.

Der gute alte Vereinssport: Im Dantestadion müssen sich die Cowboys (re. Jonas Hesse im Duell mit den Straubing Spiders) mit alten und neuen Problemen herumschlagen. (Foto: sportworld/Imago)

Verletzungen gehören beim Football dazu, trotzdem bringt Maier deren ungewöhnlich hohe Zahl auch mit der Existenz der Ravens in Zusammenhang: Viele müssten nun ran, "die eigentlich noch nicht so ausgiebig spielen sollten", und mangels Tiefe im Kader könne man weniger wechseln. Kurz: Einige werden in dieser anspruchsvollen Sportart zurzeit stärker belastet, als es ihnen guttut. "Wir haben 20-Jährige, wo wir sagen, die bräuchten eigentlich noch ein, zwei Jahre. Und jetzt sollen 19-Jährige in die ELF gehen und verheizt werden - das kann's wirklich nicht sein", klagt Maier. Die Ravens hatten zu ihrem Heimspiel gegen die Stuttgart Surge (Endstand 9:28) auch die U19 der Cowboys eingeladen. Friedensangebot oder Abwerbeversuch? Maier sagt, es sei abgesprochen gewesen, dass diese Einladung medial nicht so hochgespielt wird, denn das würde eine Partnerschaft suggerieren, die es nicht gibt. Wurde sie aber. Die Ravens (die übrigens ebenfalls Verletzte beklagen und am Sonntag in Duisburg mit 25:39 gegen Rhein Fire ihre dritte Niederlage kassierten) spielen auch in Sachen Social Media in einer anderen Liga.

Immerhin: Ein Problem, das die Ravens noch umtreibt, haben die Cowboys seit Samstag nicht mehr: Sie feierten endlich ihren ersten Heimsieg, ein 24:21 gegen Tabellenschlusslicht Marburg, trotz sportlicher Flickschusterei: US-Abwehrspieler Colby Campbell erzielte als Ersatz-Runningback zwei Touchdowns. Das Niveau der Partie war überschaubar. "Am Ende geht es immer darum, wer die meisten Fehler macht. Aber wir halten da schon gut mit", sagte Cheftrainerin Nadine Nurasyid sarkastisch. Das Wichtigste sei: "healthy bleiben." Gesund bleiben also, um sich in einer Liga zu halten, die de facto gar nicht mehr die erste deutsche Liga ist. Acht deutsche Teams spielen schließlich in der ELF.

Cowboys-Präsident Maier ist auch Mitglied des Ligavorstands. Dort diskutieren sie seit Monaten eine Transferregelung mit der ELF. Von dieser liege zurzeit ein Angebot vor, das Maier aber nicht gut findet. Es würde dazu führten, "dass Spieler, die in die ELF gehen, weniger Sperren bekommen als die, die rauskommen. Das wäre natürlich ein klarer Vorteil für die ELF". Auch Schiedsrichter dürfen in Deutschland übrigens nicht in beiden Ligen pfeifen, und selbst beim Trainerteam der Cowboys werde inzwischen angeklopft. Es gibt eine klare Tendenz: Der deutsche Football verliert auf allen Ebenen an Niveau. Wenn die ELF irgendwann keine guten Spieler mehr von den Vereinen abwerben kann, wird sie das ebenfalls treffen.

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