Münchner Drittliga-Derby:An- und Verkauf ohne Erfolg

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Deko auf leeren Sitzschalen: Wenn Türkgücü spielte, blieb das Olympiastadion meist recht leer - nicht nur bei Geisterspielen. Für das Derby sind bisher auch nur rund 6500 Karten verkauft. (Foto: Sven Sonntag/Picture Point/Imago)

Mit dem Plan, Münchens Nummer zwei im Fußball zu werden, ist Türkgücü krachend gescheitert. Nun trifft der Klub, der sich im Insolvenzverfahren befindet, noch einmal auf den TSV 1860, den er eigentlich überholen wollte.

Von Christoph Leischwitz

Sein Verein habe in der Vergangenheit den Mund manchmal recht voll genommen, dozierte Andreas Heraf am Montag. Der Fußball-Drittligist Türkgücü München hatte ja tatsächlich dem Traditionsklub TSV 1860 München den Kampf angesagt und gedroht, schon bald die Nummer zwei in der Fußballstadt zu sein. Was letztlich aber nur in Etatfragen zutraf. Weil sich aber der Verein mit seinen Dutzenden Spieleran- und -verkäufen letztlich komplett verzockte, herrschen nun Auflösungserscheinungen. Der Trainer, erst in der Winterpause verpflichtet, kritisiert seinen Verein deshalb so deutlich, weil es bei Türkgücü angesichts seiner bevorstehenden Insolvenz vielen vor allem darum geht, selbst möglichst ungeschoren aus der Situation herauszukommen.

Heraf machte auch schon publik, dass der Verein ihm vor Amtsantritt "drei neue Spieler" versprochen habe. Gleichzeitig verzichtete er trotz eines ausgedünnten Kaders "aus sportlichen Gründen" auf mehrere Spieler und den Co-Trainer Alper Kayabunar; es handelt sich allesamt um Personen, die sich in der Vergangenheit dem Verein gegenüber besonders loyal gezeigt hatten. Gestern gab Türkgücü offiziell bekannt, dass Kayabunar nun die U19 trainiert; was Heraf bisher aber nicht erwähnt hatte, das waren die in der Pressemitteilung erwähnten "unterschiedliche Auffassungen" zwischen ihm und Kayabunar.

Im Sommer hoffte Türkgücü auf vorab gezeichnete Aktien im Wert von acht Millionen Euro - nur ein Bruchteil wurde eingesammelt

An diesem Mittwoch (19 Uhr) empfängt Türkgücü die Sechziger zum Nachholspiel im Olympiastadion, und Heraf weist darauf hin, dass sein Team "mit Sicherheit nicht Favorit" sei. Das Spiel ist vielmehr wichtig für das finanzielle Überleben, rein sportlich geht es um Achtungserfolge. Wobei Türkgücü im Moment nur drei Punkte auf Rang 16 fehlen, weil der Akt des Abzugs von neun Punkten, der für einen Insolvenzantrag vorgesehen ist, noch nicht vollzogen wurde. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mochte auf Nachfrage nicht bekannt geben, wann der Spielausschuss hierzu tagen wird und ob der Verein eventuell Einspruch eingelegt hat.

Ganz offenkundig war jedenfalls der österreichische Coach nicht ausreichend über die finanziellen Verhältnisse informiert, ehe er in Deutschland anheuerte. Die Verantwortlichen von Türkgücü wussten schon seit Anfang Dezember, dass sie beim DFB bis zum 20. Januar einen erweiterten Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erbringen sollten. Dafür war nach SZ-Informationen eine Kapitalaufstockung von knapp zwei Millionen Euro nötig geworden. Zu diesem Zeitpunkt soll ein potenzieller Investor, der Interesse an den Anteilen des Präsidenten und bisherigen Mäzens Hasan Kivran gehabt hatte, schon wieder abgesprungen sein; außerdem war ein geplanter Börsengang als dritter deutscher Klub nach Borussia Dortmund und der SpVgg Unterhaching krachend gescheitert: Im Sommer hoffte Türkgücü auf vorab gezeichnete Aktien im Wert von acht Millionen Euro, nur ein Bruchteil wurde eingesammelt. Falls also dem neuen Trainer im Januar tatsächlich neue Spieler versprochen wurden, wäre das schon befremdlich.

Geschäftsführer Max Kothny stellte am 31. Januar den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, nachdem Spieler und Trainer von diesen Plänen nur aus der Presse informiert worden waren. Seine Begründung lautete, dass "zuvor zugesagte Gesellschaftermittel" nicht eingegangen seien, sprich: Kivran schlagartig nicht mehr gezahlt habe. Für den vorläufigen Insolvenzverwalter ist Kothny erster Ansprechpartner. Dem Vernehmen nach soll sich aber auch Kivran auskunftsfreudig gezeigt haben. Nichts ist bekannt darüber, ob der 55-Jährige gedenkt, als Präsident zurückzutreten, und ob er sich aus dem Fußballgeschäft zurückziehen wird.

Aktuell gilt der Spielbetrieb noch für zwei weitere Wochen als gesichert - ein überraschender Sponsor trägt dazu bei

Aktuell gilt der Spielbetrieb noch für zwei weitere Wochen als gesichert; dazu trägt bei, dass überraschend ein Hauptsponsor vorgestellt wurde, der dem Vernehmen nach zumindest einen fünfstelligen Betrag beisteuert. Außerdem werden im Februar 25 Prozent der Drittliga-TV-Gelder ausgezahlt, also etwa 250 000 Euro. Und das Heimspiel-Derby gegen 1860 war ohnehin immer schon ein Hoffnungsschimmer für Einnahmen gewesen. Doch ironischerweise wird Türkgücü ausgerechnet wegen des Insolvenzantrags nun nicht die maximale Besucherzahl begrüßen können, die seit Neuestem erlaubt wäre: Viele Sechzig-Anhänger sehen nicht ein, dass sie die ungeliebte Nummer drei der Stadt mit ihrem Eintrittsgeld unterstützen sollen - auch wenn Türkgücü-Trainer Heraf sagt, selbst ein volles Stadion rette den Klub "nicht vor der Insolvenz". Türkgücü hat nun das Kontingent von erlaubten 15 000 Zuschauern auf 10 000 reduziert, um möglicherweise unnötige Kosten, etwa für zu viele bestellte Stadionordner, zu vermeiden. Am Dienstagnachmittag waren lediglich rund 6500 Tickets verkauft. Für Türkgücü, das im Pandemiejahr 2021 aufstieg, ist es trotzdem die größte Kulisse der jüngeren Vereinsgeschichte - dank des Konkurrenten.

Während Türkgücü gegen den Abstieg kämpft, träumen die Sechziger noch ein bisschen vom Aufstieg. Für ihn gehe es in diesem Spiel nur "um wichtige drei Punkte", sagte Trainer Michael Köllner lapidar. Er achtet darauf, dass seine Spieler den angeschlagenen und derzeit so dezimierten Gegner nicht unterschätzen. Auch besteht die Gefahr mangelnder Motivation, weil Türkgücü später in der Saison vielleicht doch noch aus der Wertung genommen wird. Nach SZ-Informationen wird von der Vereinsführung an der Heinrich-Wieland-Straße schon gestreut, dass im April tatsächlich Schluss sein könnte. Was aber erst einmal nicht viel bedeuten muss: Türkgücüs hauseigene Prognosen sind in der Vergangenheit ja selten eingetroffen.

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