Leichtathletik:Baustellen und Bauchschmerzen

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Neuer persönlicher Rekord - ohne sich darüber freuen zu können: Sebastian Hendel. (Foto: Norbert Wilhelmi/oh)

Beim München-Marathon verpasst der fünftplatzierte Sebastian Hendel die olympische Norm. Wegen verschobener Absperrgitter kommt es zu kuriosen Szenen: Die Männer laufen zu viel, die Frauen zu wenig.

Von Christoph Leischwitz

Nichts gegen den Odeonsplatz und den Marienplatz, aber am Sonntag waren das für ein paar Athleten die unbeliebtesten Orte Münchens. Am Marienplatz, nach rund 35 Kilometern, hatten die Veranstalter nämlich eine anstrengende Kehre eingebaut - abbremsen und noch einmal beschleunigen tut noch einmal besonders weh, wenn man sowieso gerade abreißen lassen musste. So erging es dem besten Deutschen beim 37. München-Marathon, Sebastian Hendel.

Am Ende steckte Hendel in der etwas kuriosen Situation, einen neuen persönlichen Rekord gelaufen zu haben, mit 2:10:14 Stunden - ohne sich darüber freuen zu können. Dass er die olympische Norm von 2:08:10 verpassen würde, dürfte ihm spätestens am Marienplatz klar gewesen sein, doch eine einstellige Minutenzahl wäre er trotzdem sehr gerne erlaufen. Sieger wurde, angesichts des Starterfeldes wenig überraschend, einer der favorisierten Kenianer: Bernard Muia Katui siegte in 2:09:17 Stunden, auch für ihn war es nach eigenen Angaben ein persönlicher Rekord. Der Münchner Streckenrekord aus dem vorigen Jahr (2:07:28) bleibt aber erst einmal bestehen, ebenso bei den Frauen: Siegerin Catherine Cherotich kam mit 2:31:34 Stunden ins Ziel.

Dass es nicht noch ein bisschen schneller war, das hatte mit den Vorkommnissen nahe am Odeonsplatz zu tun. Renndirektor Gernot Weigl gab zu, schon vor dem Rennen "Bauchschmerzen" gehabt zu haben wegen jener Stelle. "Es war ein außergewöhnlicher Marathon", sagte der Mann, der seit 23 Jahren den München-Marathon organisiert, aber so etwas auch noch nicht erlebt hat. In der Nähe des Altstadtrings befand sich eine Baustelle. "Wir haben die Stelle eigentlich abgesichert. Aber dann waren da Lücken im Gitter" erzählte Weigl später. Die Männer liefen deshalb 50 Meter zu weit, Weigl saß im Führungswagen und bemerkte das sofort. "Da ist Gernot aus dem Führungsfahrzeug rausgesprungen", erzählte Hendel, das Schlimmste konnte abgewendet werden: Die Spitzengruppe der Männer lief lediglich knapp 100 Meter zu viel. Gut möglich jedoch, dass Hendel ohne diesen Vorfall unter der Marke von zwei Stunden zehn geblieben wäre.

"Ist halt blöd, wenn es in dem Rennen passiert, auf das man sich sechs Monate vorbereitet hat", sagt Hendel

Bei den Frauen allerdings war der Vorfall folgenschwerer: Weil ein Auto durch eine Lücke im Gitter abbog, liefen die fünf schnellsten Frauen hinterher. Damit fehlten ihnen rund 500 Meter, wie die Veranstalter während des Rennens ausrechneten. "Zum Glück haben wir das Olympiastadion", lautete dann ein Sprecher-Kommentar auf der Pressekonferenz. Denn der Zieleinlauf auf der altehrwürdigen Tartanbahn ermöglichte es, die fehlenden Meter noch einmal reinzuholen. Während also Hendel im Zielbereich erste Interviews gab, zogen die kenianischen Frauen im Schlussspurt an ihm vorbei. Hendel schwankte zwischen völligem Frust und Diplomatie. "Das ist Sport, das kann passieren. Ist halt blöd, wenn es in dem Rennen passiert, auf das man sich sechs Monate vorbereitet hat."

Ob diese Vorfälle zu einem Makel werden, der den ambitionierten Münchner Organisatoren noch länger anhängt, bleibt abzuwarten. Eine klare Analyse wurde angekündigt, am Montag werde auch eine Nachvermessung erfolgen, jedoch ist laut Reglement keine Zeitanpassung mehr möglich. Weigl versicherte allerdings: "Die Läuferinnen und Läufer werden ihre Prämien erhalten." Im Übrigen wird auch noch zu prüfen sein, ob die Absperrgitter nicht vielleicht wegen des Übergangs zu einem Wahllokal der Landtagswahlen verschoben worden waren, von wem auch immer. Auf der offiziellen Streckenkarte war jedenfalls in der Nähe des Vorfalls solch ein Übergang eingezeichnet.

Es hätte rein sportlich auch schon genug zu erzählen gegeben. Diese Zwölfergruppe aus kenianischen Läufern, Tempomachern und einem Deutschen sei "eine coole Erfahrung gewesen", fand Hendel. Ungefähr 34 Kilometer ging das auch gut, dann aber zogen die späteren Treppchen-Besteiger den Kilometerschnitt von 3:06 Minuten auf 2:56 Minuten an, und das Feld löste sich in seine Einzelteile auf. Das Bayerische Fernsehen berichtete erstmals live, eine Kamera war dann kilometerlang nur auf Hendels Gesicht gerichtet - auch für ihn eine neue Erfahrung. "Mal sehen, wie lange ich es durchhalte, mir das anzugucken", sagte er über seine noch anstehende Analyse des Rennens.

Viel Beachtung erfuhr auch der Zweitplatzierte. Die Leistung von Benson Nzioki kam nicht komplett aus dem Nichts, immerhin ist er Trainingspartner eines Halbmarathon-Weltmeisters. Nzioki ist Jahrgang 2003 (sein genaues Geburtsdatum war dem Veranstalter nicht bekannt). Insofern könnte der ohnehin schon denkwürdige Lauf in München der Beginn einer großen Karriere gewesen sein.

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