München-Marathon:Auf den Spuren der Kängurus

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Sebastian Hendel (Foto: Norbert Wilhelmi/München-Marathon/oh)

Der München-Marathon setzt seinen Weg in Richtung Spitzensportevent fort - und der Sachse Sebastian Hendel will das nutzen, um sich am Sonntag für Olympia zu qualifizieren.

Von Christoph Leischwitz

Manfred Steffny ist auch gekommen, und weil zurzeit so viel über die Schuhe von Marathonläufern gesprochen wird, hat er auch einen mitgebracht. Aber nur einen. "Dem anderen wollte ich das nicht auch noch antun", sagt der 82-Jährige, der auch noch den Laufanzug von den Olympischen Spielen 1972 trägt. Er zieht den Schuh aus einer durchsichtigen Tüte, "Känguruleder", erzählt er, aber die Sohle ist mittlerweile steinhart. Mit den heutigen Schuhen, mutmaßt Steffny, wäre er seinerzeit vielleicht nicht an zwei Stunden elf Minuten hängengeblieben.

Bei den Spielen in München lief Steffny die Distanz in 2:24:25,4 Stunden, damit wurde er damals 31. Den München-Marathon hätte er mit dieser Zeit im Jahr 2019 noch gewonnen. Doch inzwischen ist diese Veranstaltung auf dem Weg, auf Dauer ein sportliches Topevent zu werden. Seit dem vergangenen Jahr spielt dieser Wettbewerb in einer anderen Liga, bei den Frauen wie auch bei den Männern wurden die alten Rekorde pulverisiert. Und so geht es auch an diesem Sonntag darum, das Image aufzupolieren, wonach der Münchner Asphalt gar nicht so langsam ist, wie man einst dachte. "Wenn wir zu den größten vier Marathons in Deutschland gehören, brauchen wir einfach Topathleten. Das haben wir voriges Jahr geschafft", sagt Renndirektor Gernot Weigl. Es geht jetzt also nicht nur für einzelne Läufer, sondern auch für das Event selbst darum, Zeiten zu behaupten und nach Möglichkeit sogar zu verbessern. Das alles freilich, ohne den Breitensport aus den Augen zu verlieren. Bis Freitagmittag hatten sich 5097 Starter für den Marathon und 8668 für den Halbmarathon angemeldet. Das Bayerische Fernsehen überträgt erstmals live.

"Ich glaube, jeder Läufer will das in seinem Lebenslauf haben. Den olympischen Geist einmal mitzunehmen, das wäre eine große Sache."

Dafür braucht es natürlich auch Zugpferde. Eines davon ist ein Läufer, der hier schon 2022 Aufsehen erregt hat. Sebastian Hendel, 27, war vor fünf Jahren noch deutscher Meister über 5000 und 10 000 Meter. Vor 363 Tagen lief er in München dann seinen persönlichen Marathonrekord: 2:10:37 Stunden. Es war sein Debüt über diese Distanz. "Mein Training lief besser als letztes Jahr in München, deshalb plane ich auch 64:20 auf den Halbmarathon", erzählt er nun. Einer seiner zwei Tempomacher ist Johannes Motschmann, der auch imstande wäre, neben Hendel zu laufen - er tat das unter anderem auch als sein Trauzeuge. Und wenn er sich dann gut fühle, ergänzt Hendel noch, mal sehen, vielleicht sei ja auch die Olympia-Qualifikation möglich. Dazu bräuchte er 2:08:10 Stunden. Das hätte natürlich was, wenn er 51 Jahre nach den Spielen in München mit dem Zieleinlauf in dasselbe Stadion seine persönliche Olympiateilnahme fix machen könnte. Die Spiele seien finanziell vielleicht nicht so lukrativ, aber: "Ich glaube, jeder Läufer will das in seinem Lebenslauf haben. Den olympischen Geist einmal mitzunehmen, das wäre eine große Sache." Den neuesten Schuh seines Ausrüsters hat Hendel allerdings noch nicht bekommen, davon gebe es bislang eine viel zu kleine Stückzahl.

Ein Platz auf dem Treppchen am Sonntag wäre natürlich auch erstrebenswert - 2022 war Hendel Vierter. Aber leicht wird das nicht, denn auch das internationale Starterfeld in München wird immer prominenter. "Wir haben bei den Männern ein besonders spannendes Elitefeld, weil es mehrere Kenianer gibt, die das Rennen gewinnen können", sagt der Athletenkoordinator Michael Kraus. Zum Starterfeld gehört zum Beispiel Luke Kibet, 40, Weltmeister von 2007.

Für Hendel ist die Platzierung bei seinem erklärten Saisonhöhepunkt sekundär. Die innerdeutsche Konkurrenz werde auch zunehmend besser, letztlich "wird man eiskalt an seinen Zeiten gemessen", erklärt der Sachse. "Deswegen ist mein Ziel, meine Bestzeit unter 2:09 zu steigern. Das ist eine große Herausforderung, aber auch ein großes Risiko." Alles, was der Läufer selbst nicht beeinflussen kann, scheint ihm in die Karten zu spielen. Temperaturen zwischen 17 und 19 Grad sind vorhergesagt, kein Regen. Die Veranstalter sind auch zuversichtlich, dass keine Landtagswähler die Bahn kreuzen. Dafür gibt es an mehreren Orten in der Stadt zusätzliches Personal. Die erste Prognose für Hendel: rekordverdächtig.

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