Champions League:Mourinho zelebriert seine Grimassen

Lesezeit: 3 min

José Mourinho musste wieder einmal alle gegen sich aufbringen beim Spiel gegen Juventus Turin. (Foto: Stefano Rellandini/Reuters)
  • Beim glücklichen 2:1 in Turin zieht Man-United-Coach Mourinho wieder einmal seine sarkastische Show ab - in der Champions League sind die Engländer damit weiter im Rennen.
  • Er erzürnt die Juve-Fans, nicht aber die Verantwortlichen der Italiener, die sich betont gelassen geben.

Von Birgit Schönau, Turin

Dass Juventus mal ein Spiel verliert, ist tatsächlich eine Nachricht. Und dass der erste Patzer der Saison ausgerechnet gegen Manchester United geschieht, erst recht. Denn die Briten, mit denen Juve in der Champions League traditionell Schwierigkeiten hat, werden derzeit von einem Mann trainiert, den sie in Turin besonders verabscheuen, weil er einst, im Jahr 2010 nämlich, mit dem Erzfeind Inter Mailand das in Turin seit Langem herbeigesehnte Triple gewann: José Mourinho.

Es hagelt also Pfiffe für den Coach, der nach dem Schlusspfiff ausgelassen feixt. Mit unschuldigem Jubel über den dringend benötigten Sieg gibt er sich am Mittwochabend in Turin nicht ab. Er läuft auf das Spielfeld und hält sich grimassierend die Hand ans Ohr. Alle sehen es, keiner mag danach mehr pfeifen. Die Juve-Fans gehen still nach Hause.

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Bis kurz vor Schluss hatte ihre Mannschaft 1:0 geführt, dank eines Traumtors von Cristiano Ronaldo. Als sie glaubten, auch diesen Sieg schon sicher zu haben, wie all die anderen zuvor, da trifft Juan Mata nach einem direkten Freistoß (85.). Und in letzter Minute macht der bedrängte Alex Sandro auch noch das fatale Eigentor: Juventus erlebt den Manchester-Effekt wie einst der FC Bayern. Allerdings bloß in der Gruppenphase.

"Wir haben ein fantastisches Spiel gemacht", schwärmt nachher Manchesters Trainer José Mourinho. Nun, darüber könnte man streiten, aber was zählt, ist das Resultat, und das ist in der Tat fantastisch, weil dringend benötigt. Nach der 0:1-Niederlage im Hinspiel stand United schon mit einem Bein in der Europa League, jetzt kann man sich auf dem zweiten Platz hinter der Gruppenersten Juve berechtigte Hoffnungen auf das Achtelfinale machen: Ein Sieg gegen die Schweizer Young Boys aus Bern, das Kanonenfutter der Gruppe, reicht.

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"Juve kann es sich leisten, ein Match zu verlieren", glaubt Mourinho, "die marschieren sowieso weiter. Wir aber haben heute Abend am Limit unserer Möglichkeiten gespielt. Besser geht's nicht, wir waren auf unserem Top-Niveau." Was jetzt nicht gerade ein Kompliment an die eigene Mannschaft ist, die dem Gegner eindeutig unterlegen war, dessen Zerstreutheit indes gewitzt zu nutzen wusste. Der calcio cinico, der zynische Fußball des José Mourinho ist also noch nicht tot, vermutlich ist er ja überhaupt nie totzukriegen.

Genauso wie der spezielle Humor des Portugiesen, sein zelebrierter Sarkasmus, die Lust an der Verhöhnung. "Ich bin nach Turin gekommen, um meine Arbeit zu machen", behauptet er mit gespielter Entrüstung, "und dann werde ich in diesem Stadion 90 Minuten lang übel ausgepfiffen." Da fällt man natürlich aus allen Wolken, als José Mourinho. "Deshalb habe ich nach dem Schlusspfiff die Hand ans Ohr gelegt. Ich wollte noch mehr von diesen Pfiffen hören. Aber da kam auf einmal gar nichts mehr." Auf diesen begnadeten Selbstdarsteller ist halt immer Verlass: Die anderen sollen nicht nur verlieren, sie sollen sich auch noch richtig ärgern.

Mit diesem Vorsatz scheitert Mourinho allerdings an Massimiliano Allegri, dessen in Italien längst sprichwörtliche Coolness nicht gespielt ist. Tatsächlich muss man sehr genau hinschauen, um zu sehen, dass Allegri leicht die Augenbrauen hebt. Ärgern über die Niederlage? "Am Ende tut uns das vielleicht sogar ganz gut, es rüttelt uns auf, und am Sonntag haben wir ein wichtiges Spiel gegen AC Milan." Und dann wird's so cool, dass es fast schon eisig klingt: "Dieses Match gegen Manchester war wirklich nicht so wichtig. Man kann halt nicht immer gewinnen." Kurzum, das Gegenteil des FC-Bayern-Traumas - man steckt die Niederlage weg, als wäre sie in einer Trainingseinheit passiert.

Natürlich wird sich Juve-Coach Allegri hinter den Kulissen seine Spieler vorgeknöpft haben. Die vielen verschenkten Chancen (Paulo Dybala setzte einen Lattenschuss nach dem nächsten), die Wurschtigkeit in der Abwehr (Leonardo Bonucci wurde erst nach dem Schlusspfiff richtig wach und wollte sich dann tatsächlich wütend auf Mourinho stürzen), überhaupt eine allzu große Siegesgewissheit, die Allegri zu Recht fürchtet wie die Pest.

"Das haben wir ja schön hingekriegt", klagte Giorgio Chiellini, der Kapitän, dem man wie üblich mangelnden Einsatz nicht vorwerfen kann. "Eigentlich hätten wir 3:0 gewinnen müssen. Wenn man derart überlegen ist, muss man das Match abschließen. Aber seit Wochen liegt es in der Luft, dass wir einen Sieg verschenken." Gegen den alten Fuchs Mourinho, der seine Einwechslungen diesmal perfekt setzte, kann man sich Blasiertheit schlicht nicht leisten.

Einen Gewinner hat Juventus Turin dennoch in eigenen Reihen: Cristiano Ronaldo erzielte gegen seinen ehemaligen Klub ein beeindruckend kraftvolles Tor, das erste dieser Champions-League-Saison. "United hat nichts getan, um diesen Sieg zu verdienen", urteilt der Portugiese schneidend. "Das war nicht ihr Spielglück, sondern ein Geschenk von uns." Apropos Geschenke: Fast so sehr wie sein neues Idol CR7 umjubelte das Turiner Publikum einen alten Bekannten - der frühere Juventino Paul Pogba wurde mit viel Applaus bedacht. Nicht allzu geheim träumt auch die Klubführung von einer Rückkehr: Der talentierte Krake Paul würde halt doch viel besser zu einer Mannschaft passen, für die ein 1:2 gegen Manchester United höchstens eine Lektion auf dem Weg zum nächsten Erfolg darstellt.

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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