Motorsport:Glanz und Glamour: Die Zeit des Weltmeisters

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Austin (dpa) - Der Blick geht nach unten. Zum Handy. Lewis Hamilton liest und er schreibt. Die schwere Goldkette um seinen Hals glitzert. Die Brillanten links und rechts im Ohr blinken im Licht der Scheinwerfer. Dafür, dass auch die Mercedes-Kappe seinem Style entspricht, hat Hamilton schon gesorgt.

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Austin (dpa) - Der Blick geht nach unten. Zum Handy. Lewis Hamilton liest und er schreibt. Die schwere Goldkette um seinen Hals glitzert. Die Brillanten links und rechts im Ohr blinken im Licht der Scheinwerfer. Dafür, dass auch die Mercedes-Kappe seinem Style entspricht, hat Hamilton schon gesorgt.

Wenn er nicht unterm Pult mit seinem Smartphone beschäftigt ist, redet Hamilton über die Formel 1, über seine Liebe für die USA, fürs Reisen und für die Musik. Oder darüber, wie er beim Kartfahren vor dem Großen Preis der USA von einem dunkelhäutigen Buben passiert wurde. „Es war, als hätte ich mich selbst überholt“, erzählt Hamilton und hat die Lacher auf seiner Seite.

Es ist drei Tage vor dem möglicherweise entscheidenden Rennen zu seinem dritten WM-Titel. Hamilton wirkt entspannt bis gelangweilt. Den Raum zur offiziellen Pressekonferenz auf dem Circuit of the Americas betritt er mit Sonnenbrille. Draußen hängen graue Wolken über der Strecke und von Sonne ist keine Spur zu sehen. Kurz bevor es losgeht, zieht Hamilton die getönten Gläser ab. Let the Show begin!

„Wie sie sehen können, mache ich so viel, wie ich kann“, antwortet Hamilton einem Journalisten auf die Frage, was man unternehmen kann, damit Stadt-Kids sich auch für die Formel 1 begeistern. Oder wie es der Chef des US-Rennens in Austin, Bobby Epstein, jüngst formulierte: „Die Fans wollen Menschen, kein Metall. Und was Lewis macht, ist großartig für's Geschäft.“

Hamilton lebt, was er mittlerweile ist. Sportlich seit fast zwei Jahren das Maß der Dinge. 20 der vergangenen 34 Rennen entschied er für sich, wurde Weltmeister 2014. Zum zweiten Mal nach 2008, damals im McLaren. 2015 ist es nur noch eine Frage der Zeit, schon an diesem Sonntag kann es soweit sein. Die Krönung des Superstars, des Sohnes eines Einwanderers aus der Karibik, der zeitweilig mehrere Jobs hatte, um dem Filius die kostspielige Leidenschaft zu ermöglichen. So schaffte es Hamilton zum ersten dunkelhäutigen Pilot in der Formel 1.

Es ist der amerikanische Traum eines Briten. „Wir können auch Sachen tun, die andere nicht machen können. Das ist etwas Einzigartiges“, sagte Hamilton einmal, es gebe nur wenige, die das machen könnten. „Wenn du im Auto bist, fühlst du dich besonders. Wenn du aussteigst, bist du einfach wieder nur du.“

Aber wer ist dieser Hamilton? Geboren am 7. Januar 1985 in Stevenage. Seit 2007 in der Formel 1. Lange schien es, als sei er nach dem im letzten Rennen erst verpassten Titel im Premierenjahr vor allem auf der Suche nach sich selbst. Bei McLaren ließ man ihn nicht der sein, der er sein wollte - falls er das damals schon so genau wusste.

Seit er bei Mercedes zur Saison 2013 als Nachfolger von Schumacher engagiert wurde, ist Hobbymusiker Hamilton Hamilton unplugged. Seit die Hin-und-Her-Beziehung mit Pop-Sternchen Nicole Scherzinger beendet ist, scheint Hamilton noch mehr zu sich selbst gefunden zu haben. Er genießt seine Karriere, er genießt sein Leben. Er steht auf Tattoos, und davon hat er reichlich. Er er steht auf Schuhe, und auch davon er reichlich. „Ich bin keine Frau, aber ich habe viele Schuhe, von allen möglichen Sorten“, sagte er vor ein paar Wochen in einem Interview auf der offiziellen Formel-1-Homepage.

Er treibt sich gern auf Modeschauen in New York oder Paris rum, jüngst ließ er sich in der Stadt an der Seine zusammen mit Karl Lagerfeld fotografieren. Er ist auf Du-und-Du mit Hollywood-Stars. Er feiert halbnackt und turtelt danach weiter mit Musikerin Rihanna auf Barbados. Er ist auf Bildern mit den schlagzeilentüchtigen Kardeshians zu sehen. Und die Haare wurden auch schon blond.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bezeichnete Hamilton schon als „Rockstar“. Daimler-Boss Dieter Zetsche meinte einmal, Hamilton sei der „mit Abstand der bekannteste Fahrer. Das kann uns auch nicht schaden, im Gegenteil“. Was sich Mercedes die Dienste des Top-Werbeträgers mit globalem Erkennungswert kosten lässt, kann nur spekuliert werden.

In diesem Jahr verlängerte Hamilton für weitere drei Jahre bis Ende 2018. Den Vertrag handelte er selbst aus. „Die 10 Prozent, die normalerweise der Manager bekommt, habe ich mir hart verdient“, erzählte Hamilton später einmal. „Lewis wollte und musste alles hinterfragen“, erzählte Niki Lauda später.

Der Österreicher ist Aufsichtsratschef bei Hamiltons Team. Schon am Sonntag könnte Hamilton mit Lauda gleichziehen, was die Anzahl der WM-Titel betrifft. Ein wahrhaft erlesener Kreis. Hamilton wäre der zehnte Pilot in der Geschichte der Formel 1 mit mindestens drei Titeln.

Die Rekordlisten hat Hamilton aber gar nicht im Sinn, weder die mit den meisten Siegen, angeführt durch Michael Schumacher: „Diese 91 unglaublichen Erfolge überlasse ich Schumi gerne.“ Noch die mit den meisten Titeln, ebenfalls angeführt durch Schumacher. „Auch da ist Michael uns allen viel zu weit voraus“, sagte Hamilton jüngst der Schweizer Boulevardzeitung „Blick“.

Schumacher war Hamiltons Vorgänger bei Mercedes. Schumacher schützte stets sein Privatleben, er suchte nie die Öffentlichkeit. Hamilton teilt sich immer mit. Handy sei dank, wie in Austin während der Pk. 

Hamilton am Strand von Miami beim Surfen, Hamilton mit einer Kostprobe von Adeles „Someone like you“ in einem Appartement mit beeindruckendem Ausblick durch die bodenlangen Fenster. Hamilton im Fokus der Paparazzi. Hamilton mit Scotti Pippen. Hamilton mit Will Smith. Hamilton mit einem seiner beiden Hunde. Nur ein Bruchteil vom Hamiltons Output via Facebook, Twitter oder Instagram vor dem Rennen in den USA.

Sein intensiver und ungebremster Mitteilungsdrang sorgte allerdings auch schon für Ärger und Unverständnis. Im Sommer war für kurze Zeit ein Video online, das ihn mit einem Gewehr an einem Schießstand zeigte. Dann doch lieber ein Foto aus dem Cockpit seines roten Privatjets.

Leerlauf ist weder was für den kompromisslosen Formel-1-Piloten Hamilton, noch für den Menschen Hamilton. Er wisse meist nicht mal, was er in drei Tagen mache, erzählte er einmal. Für sein Umfeld sei das nicht immer so einfach. Hamilton braucht aber Abwechslung. Das gilt wohl für so ziemlich alles in seinem actiongeladenen Leben. 

Schauplatz Singapur, Unterkunft des Teams im Fahrerlager. Es ist längst nach Mitternacht, Teamchef Wolff stellt sich den Fragen der Journalisten nach dem überraschenden Einbruch der Silberpfeilen. Hamilton steht hinter der letzten Reihe, aufgestützt auf einen Stuhl. Irgendwann aber reicht es. „Jede Woche das Gleiche“, kommentiert er die Frage-Antwort-Runde, grinst und verschwindet hinter einem Paravent.

163 Grand Prix hat er mittlerweile absolviert, 42 davon gewonnen. Eine Zeitlang bescherte ihm seine unbeherrschte und überemotionale Fahrweise den Ruf als Crashkid. Er schickt sich nun aber an, der erfolgreichste Pilot des motorsportverrückten Großbritanniens zu werden. Seine Zeit in der Formel 1 sieht er aber bereits als begrenzt an.

Als er in Japan auf ein mögliches Karriereende seines ehemaligen McLaren-Mitstreiters Jenson Button - Debüt 2000 - angesprochen wurde, meinte Hamilton: „16 Jahre dasselbe Vier-Tage-Wochenende alle zwei Wochen. Das ist ziemlich heftig für mich.“ Der Gesichtsausdruck zwischen Verwunderung, Respekt und auch ein bisschen Unverständnis, wie man sowas so lange durchhalten kann, sprachen Bände.

Dennoch genießt Hamilton das, was er macht. Auch, weil er es seit einiger Zeit besser macht als jeder andere. Einer, mit einem Eitelkeitsfaktor wie Hamilton, dessen Bilder mit Promis durchaus auch einen gewissen Selbstbestätigungsfaktor haben könnten, freut sich über die Fans, die ihm auch in Austin zujubeln. Er nimmt sich viel Zeit, lacht viel, lässt sich bereitwillig fotografieren. „Ich freue mich einfach auf das Wochenende, ich habe das Rennfahren in den vergangenen beiden Wochen vermisst“, hat Hamilton kurz vorher in der Pressekonferenz noch betont, ehe der Blick dann doch wieder nach unten zum Handy ging.

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