Motoren in der Formel 1:Zukunftsgipfel am Nürburgring

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Nach dem Ausstieg von Honda sind Ferrari, Mercedes und Renault von 2022 an die drei verbliebenen Motorenhersteller der Rennserie - und haben eine nicht ganz unerhebliche Frage zu klären.

Von Philipp Schneider, Nürburg

Auch die Ingenieure von Motoren haben Gefühle, das weiß Fernando Alonso ganz genau. Er hat ja lang genug mit ihnen gespielt. Alonso weiß auch um die Macht der Bilder. Fünf Jahre ist es her, sein McLaren hatte nach dem Einrollen bei der Qualifikation mal wieder gestreikt, da setzte er sich auf den Klappstuhl eines Streckenposten und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Alonso sah aus wie ein Camper auf einem Festival, der darauf wartet, dass gleich einer seiner Kumpels ein selbstkühlendes Bierfass ansticht. Alonso streikte, weil sein Honda-Motor damit angefangen hatte. Er, der zweimalige Weltmeister, hatte keine Lust auf Hinterherfahren. Alle sollten das sehen.

Fernando Alonso weiß auch um die Macht der Worte. Wäre es möglich, einen Motor zu mobben, Alonso hätte es getan. Immer wieder schimpfte und stänkerte er in seiner Zeit bei McLaren gegen seinen japanischen Antrieb, auf die Spitze trieb er es als Meister der Pointe selbstverständlich beim Großen Preis von Japan 2015. Nachdem er mal wieder überholt worden war, schimpfte er ins Mikrofon: "Ich werde auf der Geraden überholt, als wenn ich einen GP2-Renner fahren würde. Das ist peinlich, sehr peinlich." Ein GP 2-Motor hat nicht 1000 PS wie der eines Formel-1-Autos, sondern gut 400 weniger. Jahre später hat sich Alonso für diesen Funkspruch entschuldigt, mit dem er die stolzen Ingenieure im Entwicklungszentrum in Sakura beleidigt hatte.

"Kommen und Gehen gehört bei ihnen dazu"

Zu sagen, Alonso hätte Honda im Alleingang aus der Formel 1 getrieben, wäre zu viel der Ehre. Alonsos Ärger verriet gleichwohl viel über die technische Herausforderung, die der Einstieg eines Herstellers mit sich bringt: Seit dem Wiedereinstieg der Japaner in die Formel 1 2015 hat ihr Motor nie so gut funktioniert, wie sie es sich erhofft hatten. Die Überraschung der Konkurrenz hielt sich in Grenzen, als Honda kürzlich verkündete, die Formel 1 nach der Saison 2021 nicht länger mit Motoren zu versorgen. Es ist ja in der langen Historie der Japaner in der Königsklasse bereits ihr vierter Ausstieg.

"Kommen und Gehen gehört bei ihnen dazu. Das beobachten wir auch bei anderen Herstellern. Nur Ferrari war der Formel 1 immer treu", frohlockte Mattia Binotto, der Teamchef von Ferrari, der am Freitag am Nürburgring mit Toto Wolff von Mercedes und Cyril Abiteboul von Renault zu einer Art Motorengipfel zusammenkam. Die drei Hersteller sind nach Hondas Ausstieg ab 2022 allein.

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Sein Mercedes-Teamkollege Lewis Hamilton ist der zweitschnellste Fahrer im Qualifying, Sebastian Vettel wird Elfter. Nico Hülkenberg gibt ein Blitz-Comeback.

Ein wenig überraschend war der Zeitpunkt: Schließlich war Honda nach drei schwierigen Jahren mit McLaren und dem stänkernden Alonso 2018 zunächst zu Toro Rosso gewechselt, ein Jahr später auch zu Red Bull. Viermal gewann seither Red Bull ein Rennen. Doch angesichts von Entwicklungskosten von mehr als einer Milliarde Euro, die seit 2015 flossen, sahen die Japaner in Kombination mit den ohnehin düsteren wirtschaftlichen Zeiten den Moment gekommen, um die Prioritäten ihrer Entwicklungsabteilung neu zu sortieren. Bis 2050 will Honda klimaneutral sein. Sayonara Formel 1! Konnichiwa Elektromotor!

Seither kreist eine große Frage nicht nur über den bald antriebslosen Autos des Dosenherstellers aus Österreich, sondern über der ganzen Formel 1: Was passiert mit der Rennserie, wenn es sich nicht mehr lohnen sollte, mit den komplizierten Hybrid-Antrieben zu werben? Schon Toyota und BMW hatten sich einst nach relativer Erfolglosigkeit bei enormen Kosten mit dem Hinweis auf die Nachhaltigkeitsdebatte aus der Formel 1 verabschiedet.

Es dürfte kein neuer Hersteller mehr einsteigen, bevor das neue Reglement greift

Zehn Teams gibt es in der Formel 1, wenn sie bald von drei Herstellern versorgt werden müssen, dann gerät dies bereits zum Kraftakt. Die Hersteller liefern den Kundenteams nicht nur den Antrieb an sich, sondern auch die für deren Unterhalt notwendige Infrastruktur. Sollten nun noch wahlweise Mercedes, Renault, oder Ferrari aussteigen, dann wäre es vorbei mit der Formel 1, wie man sie kannte.

Im Jahr 2022 verordnet sich die Rennserie zwar ein optisches Lifting, es greift dann ein neues Reglement für die Aerodynamik, die das Überholen vereinfachen soll. Neue Motoren sind allerdings erst ab 2026 geplant. Es dürfte kein neuer Hersteller mehr einsteigen, bevor das neue Reglement greift.

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Die Formel 1 muss ein langfristiges Problem lösen, Red Bull ein kurzfristiges. Eine Möglichkeit wäre, dass Dietrich Mateschitz für seine zwei Rennställe die Honda-Infrastruktur übernimmt und künftig selbst die Motoren produziert. Das wäre allerdings ein selbst für den Dosen-Milliardär kostspieliges Unterfangen. Mercedes schließt eine Motorenpartnerschaft mit Red Bull aus. "Nein", sagte Wolff, als er am Nürburgring entsprechend gefragt wurde. Die Motorenabteilung aus Brixworth stoße bereits an ihre Kapazitätsgrenzen. Mercedes fährt mit eigenen Motoren, dazu erhalten noch Racing Point und Williams Antriebe. Ab 2021 kommt noch McLaren dazu.

Wie die Motoren der Formel 1 in Zukunft aufgebaut sein sollen

Eine Rückkehr zu Ferrari, Red Bulls Motorenlieferant im Jahr 2006, wäre eine Option. "Es ist etwas, worüber wir uns allmählich Gedanken machen sollten", sagt Binotto darüber. "Ein Team wie Red Bull ist kein Standardkunde", bemerkte allerdings Red-Bull-Chef Christian Horner, "unsere Ziele sind extrem hoch, wir wollen Siege holen". Das ist mit dem gegenwärtig eher röchelnden Ferrari-Motor schwerlich möglich.

Außerdem denkbar: eine Rückkehr zu Renault. Zwischen 2010 und 2013 räumte eine Liaison zwischen Franzosen, Österreichern und Sebastian Vettel vier Weltmeisterschaften ab. Doch seit Anbeginn der Ära der Hybrid-Motoren 2014 gab es Probleme: die Partnerschaft endete im Streit - und mit einem Wechsel von Red Bull zu Honda. Dass in der Not das Tomahawk schon mal vergraben werden kann, hat Horner offenbar begriffen: Am Nürburgring säuselte er vorsorglich freundliche Worte in Richtung der Franzosen. Renault sei "jetzt eine andere Organisation als das letzte Mal, als sie uns beliefert haben", sagte Horner.

Bleibt die Frage, wie die Motoren der Formel 1 in Zukunft aufgebaut sein sollen. Dass Vettel und Hamilton seit 2014 mit hocheffizienten Technikwunderwerken kreisen, das hat die Formel 1 womöglich versäumt, aggressiver zu kommunizieren. Die Hybride werden von gleich zwei Elektromotoren angetrieben. Man kann also zumindest nicht sagen, die Formel 1 hätte ihre Bedrohung durch die Nachhaltigkeitsbewegung nicht frühzeitig erkannt. Die Komplexität dieser Antriebe ist allerdings ein Problem für die Formel 1: Sie verursacht immense Kosten und erschwert Privatteams den Einstieg.

Als wahrscheinliches Szenario gilt, dass die F1 die Motorennovelle vorzieht

Inmitten der Endzeit-Debatte nach Bekanntgabe des Honda-Ausstiegs sorgte nun ausgerechnet Herbert Diess für Träumereien in der Branche. Der Vorstandsvorsitzende des VW-Konzerns, der stärker als alle anderen deutschen Hersteller auf Elektrifizierung setzt, überraschte mit einer Lästerei gegenüber der Formel E: "Die Formel 1 wird CO2-neutral, indem sie synthetische Kraftstoffe nutzen wird. Sie ist viel aufregender, spaßiger, mehr Rennsport und ein besserer Technik-Wettkampf als die Formel E, die in Stadtzentren ein paar Runden im Spielmodus dreht", stichelte Diess. Nanu? War diese Liebeserklärung an die Formel 1 etwa Vorbote eines Einstiegs - etwa von der VW-Tochter Audi?

Stefano Domenicali, der ehemalige Ferrari-Teamchef und künftige Boss der Formel 1, hat die Möglichkeit eines Engagements für Audi einst geprüft. Der Flirt wurde nie ernst. Aber eine Absage für die Ewigkeit bedeutete sie auch nicht.

Als wahrscheinliches Szenario gilt, dass die Formel 1 die Motorennovelle von 2026 vorzieht. Auto, Motor und Sport berichtete, nach dem Grand Prix in Portimao in zwei Wochen gebe es eine Strategiesitzung der Teamchefs, mit Weltverbandspräsident Jean Todt und Vertretern von Formel-1-Eigner Liberty Media. Dort sollen Szenarien besprochen werden, wie die Motoren der Formel 1 günstiger konzipiert und zugleich so grün angestrichen werden können, dass sich auf dem Höhepunkt der Klimadebatte niemand mehr an ihnen reiben kann.

Wer die Debatte über Sinn oder Unsinn der Formel 1 fair führen möchte, muss eingestehen, dass die 20 kreiselnden Autos, die sonntags nicht einmal 1000 Kilometer zurücklegen, in der großen Klimabilanz der Menschheit zu vernachlässigen sind. Man kann das ausrechnen: Die Emission aller 20 Formel-1-Autos an einem Rennwochenende beläuft sich auf 17 Tonnen CO2. In der Saison 2019 verursachten sie bei 21 zu fahrenden Rennen gemeinschaftlich 365 Tonnen CO2. Problematisch für das Klima ist bei der Formel 1 das, was das TV-Bild nicht zeigt: die Reisen der Zuschauer und Teammitglieder um die ganze Welt.

Das Übel hat der Motorsport allerdings mit anderen Sportarten gemein: Der Klimaforscher Patrick Fortyr hat im Auftrag des Deutschlandfunks ermittelt, wie die Bilanz der Fans in der Fußball-Bundesliga vor Corona ausfiel: 7 753 Tonnen CO2 produzieren sie demnach an nur einem Spieltag. Mit Anreise, Abreise und Bratwurstverköstigung. Das ergibt bei insgesamt 34 Wochenenden eine Summe von 263 000 Tonnen. Für diesen Wert könnten die 20 Fahrer der Formel 1 unter Ausschluss der Öffentlichkeit 720 Jahre lang kreisen.

Das Problem der Formel 1 ist also ein anderes: Das öffentliche Zurschaustellen des sinnbefreiten Kreisens von Verbrennungsmotoren.

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