Am Ende, da konnte nicht einmal Gott fassen, was da gerade passiert war. Zlatan Ibrahimovic, der sich gerne zum Allmächtigen ausruft und seinen Anhängern nur durch seine Anwesenheit den Himmel auf Erden verspricht. Hat er doch seit seinem Weggang von Malmö FF im Jahr 2001 mit jedem seiner anschließend sieben Profiklubs mindestens einen Titel gewonnen. Jener Ibrahimovic also stieg am Sonntag ab in die Hölle seines Sports. Los Angeles Galaxy, der Klub, bei dem er seit ein paar Monaten sein göttergleiches Wirken zu entfalten versucht, hatte es verbockt. Hatte gegen Houston Dynamo bereits 2:0 geführt, dann aber durch drei Gegentore nach der Pause die Teilnahme an den Playoffs verpasst.
Nach der Partie saß der, der es richten sollte, Ibrahimovic also, minutenlang alleine auf der Ersatzbank, immer wieder schüttelte er den Kopf. LA Galaxy, das gerne eine Art FC Bayern Nordamerikas wäre, also ein Klub, der Meisterschaften in Serie einheimst, hat nun seit 2014 keinen Titel mehr gewonnen, die vergangenen drei Meister hießen Portland Timbers, Seattle Sounders, Toronto FC. Und so hatten sie in Los Angeles die Ankunft von Zlatan, dem großen Schweden, wie eine Erlösung gefeiert Ende März, mit einer ganzseitigen Anzeige in der Los Angeles Times. Auf einer komplett weißen Seite hatte Ibrahimovic unten links unterschrieben, oben stand: "Dear Los Angeles. You're welcome." Liebes Los Angeles, bitteschön. Diese Stadt hatte sich schon damals nicht daran erinnern können, "Danke" gesagt zu haben, und nach dem plötzlichen, ernüchternden Knockout wissen sie nicht, wofür sie sich nun eigentlich bedanken sollen.
Auch Bastian Schweinsteiger und Sebastian Giovinco fehlen in den Playoffs
Die amerikanische Profiliga MLS ist auf Spektakel ausgerichtet, es geht mindestens so sehr um Starkult wie um die Suche nach dem besten Verein der Saison. Auf der Liga-Homepage feiern sie nach jedem Spieltag die zehn schönsten Spielzüge, die zehn aufregendsten Paraden, die zehn feinsten Pässe. Deshalb holen sie immer wieder weltberühmte Akteure, die den US-Fußball mit bezaubernden Aktionen aus der Randsport-Nische lotsen sollen. Einige dieser Stars werden jedoch in den an diesem Mittwoch startenden Playoffs fehlen, Bastian Schweinsteiger (Chicago Fire) zum Beispiel, Italiens Nationalspieler Sebastian Giovinco (Toronto), der amerikanische WM-Held Tim Howard (Colorado Rapids) und Ibrahimovic.
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Um eines klarzustellen: Der große Schwede hat in den USA genau das getan, was von ihm erwartet wurde. Er schoss sofort im ersten Spiel das Tor des Jahres, ein 30-Meter-Volleyknaller im Derby (dem sie wegen des Verkehrs in der Stadt den Namen "El Tráfico" verpasst haben) gegen den LA Football Club. Und in der Nachspielzeit gelang ihm zudem der Siegtreffer. Er sammelte in 27 Partien 22 Tore und zehn Vorlagen. Sie sollten sich also tatsächlich bedanken bei ihrem Zugang, sonst wäre es noch viel schlimmer gekommen.
Genau darin jedoch liegt das Problem dieses Vereins, dieser Liga, des gesamten US-Fußballs: Es gibt da diesen einen, der auch im Alter von 37 Jahren noch immer auf hohem Niveau agieren kann. Ibrahimovic lieferte zuverlässig Inhalte für die Top-Ten-Filmschnipsel. Auch Schweinsteiger, 34, trug vor ein paar Wochen mit einem 30-Meter-Kracher gegen Real Salt Lake dazu bei, Giovinco, 30, steuerte am vergangenen Wochenende einen akrobatischen Volley-Seitfallzieher bei. Die Trikots dieses Trios verkaufen sich laut Auskunft im MLS-Shop prächtig; die Anwesenheit von Ibrahimovic hob den Zuschauerschnitt bei Galaxy-Partien um durchschnittlich mehr als 1500 Besucher.
Wer immer nur diese Drei-Minuten-Highlights mit tollen Toren und Pässen und Paraden betrachtet, der könnte glauben, dass da aufregender, anspruchsvoller Fußball geboten wird in der MLS. Wer jedoch mal ein paar Spiele über 90 Minuten im Stadion verfolgt, der bemerkt, dass es taktisch und technisch einen Unterschied gibt zu den großen Ligen in Europa. Und der ist ungefähr so groß wie der zwischen Nordamerikas Basketballliga NBA zur deutschen Bundesliga.
"Wenn du dich dafür entscheidest, in gewissen Ligen zu spielen, dann musst du dir darüber im Klaren sein, dass dies Auswirkungen auf die Karriere haben kann", hatte Italiens damaliger Nationaltrainer Antonio Conte auf die Frage gesagt, warum er Giovinco nicht für die EM 2016 nominierte. Contes Nachfolger Gian Piero Ventura sagte zur Nichtberücksichtigung für die WM-Qualifikationsspiele: "Die MLS ist nun mal eine Liga, die nicht viel zählt. Wenn du da eine Zeit lang spielst, wirkt sich das auf Qualität und Mentalität aus." Heißt aus der italienischen Perspektive: Die MLS hält dem Vergleich mit den großen europäischen Ligen nicht stand.
Wie soll sich das ändern, wenn die Klubs in Serie Ü30-Helden wie Ibrahimovic, Schweinsteiger, den Engländer Wayne Rooney (33, D.C. United) oder den Spanier David Villa (36, New York City FC) verpflichten - alle sehr prominent, aber ihre Prominenz nährt sich aus ihrer großen Vergangenheit. Und wenn dann die Mitspieler quasi am roten Teppich Spalier zu stehen haben, auf dem die Altstars noch ein paar Kunststückchen für die Höhepunkt-Schnipsel präsentieren. Gewiss, es gibt Klubs wie Kansas City oder FC Dallas, die ohne Übersee-Stars auskommen und nun die Playoffs erreicht haben.
Als die Galaxy-Umkleidekabine für Journalisten geöffnet wurde, war Ibrahimovic weg
Vielleicht lässt sich das Problem von Klubs wie LA Galaxy an Zahlen verdeutlichen: 74 418 Dollar und 75 Cent. Das ist das Jahresgehalt von Galaxy-Verteidiger Dave Romney, der am Sonntag mit Ibrahimovic gegen Houston Dynamo auflief und der niemals so alt werden wird, wie er bei zwei der drei Gegentore aussah. Die vier Defensivspieler von LA vom Sonntag haben in dieser Saison zusammen weniger verdient (889 422,75 Dollar) als Ibrahimovic zuvor bei Manchester United in zwei Wochen (1,03 Millionen Dollar). Wie soll bei diesem Gefälle ein homogenes Team entstehen? Ein Gefüge, ein Gemeinschaftsgefühl, wenn es wenige Großverdiener gibt und viele Nebendarsteller, deren sportliche Qualität oft dem Gehalt entspricht? Und das ist geringer als in der zweiten oder gar dritten deutschen Liga.
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Als Bastian Schweinsteiger nach dem letzten Saisonspiel (0:0 gegen D.C. United) gefragt wurde, ob er sich eine dritte Spielzeit in Chicago vorstellen könne, sagte er: "Mal sehen. Die Saison war nicht leicht für uns. Ich muss darüber nachdenken und Gespräche führen. Es ist eine interessante Liga mit viel Potenzial." Er hielt sich vage die Option der Rückkehr offen, aber sein Kollege in Los Angeles sagte nichts. Als am Sonntag die Galaxy-Umkleidekabine für Journalisten geöffnet wurde, war Ibrahimovic schon weg, sein Spind war leer. Er hat einen Vertrag für die kommende Saison, doch er hat jüngst stets betont, dass er noch nicht wisse, ob er ihn erfüllen will.
Nun heißt es, dass Real Madrid dringend einen Stürmer suche und dass die Spanier diesen selbsternannten Fußballgott gerne aus seiner Hölle befreien würden. Es könnte also sein, dass Ibrahimovic in Kürze eine Anzeige in der Zeitung El Pais schaltet: "Hola Madrid. De nada."