Mitgliederversammlung des TSV 1860:Gespanntes Warten auf Montag

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Der TSV 1860 will basisdemokratisch werden: Die Mitglieder sollen künftig direkt Einfluss auf Klub-Entscheidungen nehmen. Dafür müssen sie sich in die Delegiertenversammlung wählen lassen und diese dann selbst abschaffen. Bald steht das Ergebnis der komplizierten Delegiertenwahl fest - und auch Präsident Schneider spricht sich für die Reform aus.

Markus Schäflein und Philipp Schneider

Wer Demokratie will, muss sich manchmal ein bisschen anstrengen. Von A wie Artner bis Z wie Zitarosa fanden sich auf der Wahlliste der Fanvereinigung Pro1860 genau 172 Namen. Schon auf dem Parkplatz vor der Gaststätte Heide-Volm in Planegg verteilten Helfer die Infozettel. "Diese 172 Kandidaten stehen für die dringend notwendige Reform der Vereinssatzung und die Stärkung der Rechte jedes einzelnen Mitglieds", stand da, und "für die Abschaffung des Delegiertensystems, weil es Mitglieder und Fans des TSV 1860 spaltet."

Direkte Mitbestimmung für Mitglieder: Fans des TSV 1860 München (2010) (Foto: imago sportfotodienst)

Jene Namen galt es nun, bei der Mitgliederversammlung der Fußballabteilung des Zweitligisten 1860 München auf dem 381 Personen umfassenden Wahlzettel anzukreuzen. 172 Leute, die sich in die Delegiertenversammlung wählen lassen wollten, mit dem einzigen Zweck, genau dieses Gremium umgehend abzuschaffen - die Mitglieder sollen künftig direkt Einfluss auf die wichtigsten Entscheidungen des e.V. nehmen. Unter der Präsidentschaft Karl-Heinz Wildmosers hatten die Delegierten einst als Instrument der Machtsicherung des Klubpatriarchen gedient.

Eine Liste mit 172 Namen gab es auch von der konkurrierenden Fanorganisation Arge. Ein Programm war deren Zettel nicht zu entnehmen, was auch daran liegt, dass in der großen, weit nach ganz Bayern hinein reichenden Gruppierung zu den meisten Themen gar keine einheitliche Meinung existiert.

Vor der Versammlung hatte es einen Streit gegeben, weil der zu Pro1860 gehörende Fußballabteilungsleiter Robert Reisinger die Versammlung an einem Dienstagabend angesetzt hatte, was für die teilweise weit anreisenden Arge-Mitglieder ungünstig war; kurioserweise zahlte ein Sponsor dann die Busse für die Arge-Fans.

Reisinger wurde übrigens an diesem Abend wiedergewählt, einen Gegenkandidaten gab es auch gar nicht. "Wir haben keinen geeigneten Kandidaten gefunden", erklärte Arge-Vorsitzender Gerhard Schnell dem Wochenanzeiger. Dass die Satzungsreform bei einer Wahl der Arge-Liste in der Delegiertenversammlung durchgeht, gilt als eher unwahrscheinlich.

Um sich selbst abzuschaffen, muss das Delegiertengremium nämlich mit einer satten Drei-Viertel-Mehrheit entscheiden - und die Arge ist in dieser Frage nicht geschlossen. Das wichtigste Gegenargument sei, "dass wir uns nicht sicher sind, ob wir die Mitglieder der Fanklubs wirklich jedes Jahr motivieren können, zur Mitgliederversammlung zu fahren und ihr Stimmrecht wahrzunehmen", sagte Schnell.

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Wie groß die Erfolgsaussichten der Satzungsreform sind, wird sich also erst am Montag zeigen. Dann erst steht das Ergebnis der Delegiertenwahl fest. Allein der Wahlgang nahm fast eine Stunde in Anspruch, die Auszählung wird kompliziert und langwierig. Jeder Stimmberechtigte hatte 172 Stimmen, über 600 Zettel müssen ausgezählt und auf Gültigkeit geprüft werden - ist ein einziger Kandidat zu viel angekreuzt, was bei 381 Kästchen und 172 Kreuzchen leicht passieren kann, ist der ganze Zettel ungültig.

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Die grundsätzliche Stimmung an diesem Abend war aber eindeutig. Die Mitglieder stimmten - bei nur 41 Gegenstimmen - für einen Antrag, dass sich die Leitung der Fußballabteilung auf der nächsten Delegiertenversammlung des Gesamtvereins für eine Abschaffung des Systems einsetzen soll. Auch 1860-Präsident Dieter Schneider spricht sich für die Reform aus. "Ich würde sie befürworten", sagt er. "Wir arbeiten im Präsidium auch schon an Vorschlägen für eine neue Satzung."

Selbst falls viele Arge-Delegierte gewählt wurden, kann sich Schneider einen Neubeginn vorstellen: "Der politische Fraktionszwang scheint etwas aufgeweicht zu sein."Auch der Wunsch, die Aufsichtsräte des e.V. künftig nicht mehr im Block, sondern einzeln zu wählen, wurde von den Anwesenden mit großer Mehrheit unterstützt. Dies sind allerdings nur Wunscherklärungen, keine Entscheidungen - entscheiden dürfen die Mitglieder nichts. Noch nicht.

© SZ vom 22.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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