Missbrauch im Schwimmen:Deutscher Schwimm-Verband stellt Bundestrainer Buschkow frei

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Lutz Buschkow, Bundestrainer der Wasserspringer (Archivbild) (Foto: imago sportfotodienst/imago sportfotodienst)

Der ehemalige Weltklasse-Wasserspringer Jan Hempel erhebt schwere Missbrauchsvorwürfe gegenüber seinem früheren Trainer Werner Langer. Der Schwimmverband entbindet nun einen seiner führenden Funktionäre von seinen Ämtern.

Als Tina Punzel und Lena Hentschel im Foro Italico zu EM-Gold sprangen, saß Lutz Buschkow am Beckenrand und applaudierte noch. Kurz danach war der Bundestrainer der Wasserspringer verschwunden. Zwei Stunden später teilte der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) mit, dass der 64-Jährige "mit sofortiger Wirkung" freigestellt werde. Der einstige Wassersprung-Europameister und Olympiamedaillengewinner Jan Hempel hatte in der ARD-Dokumentation "Missbraucht - Sexualisierte Gewalt im deutschen Schwimmsport" der ARD von jahrelangem sexualisierten Missbrauch durch seinen Trainer Werner Langer berichtet und dem Verband und Buschkow vorgeworfen, nicht tätig geworden zu sein.

Hempel hatte in dem Film des Journalisten Hajo Seppelt berichtet, er sei elf Jahre alt gewesen, als Langer ihn erstmals missbraucht habe. Von 1982 bis 1996 habe der Missbrauch angedauert. Hempel erzählt, es sei zu regelmäßigen Vergewaltigungen gekommen, unter anderem auch während der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona, an der Wettkampfstätte, unmittelbar vor dem Wettkampf. Hempel berichtet in der Dokumentation weiter, dass er 1997 die Verbandsspitze unterrichtet habe - ohne Reaktion: "Alle haben geschwiegen, bis heute."

Hempels schwere Vorwürfe waren am frühen Donnerstagmorgen öffentlich geworden. Erst am Abend verkündete der DSV, dass er intensiv prüfe, ob Buschkow, seit 1991 im Verband tätig und seit 20 Jahren Bundestrainer, Kenntnis davon gehabt habe. Die Akteneinsicht habe keinerlei derartige Anhaltspunkte ergeben, hieß es in der Erklärung. Der Prozess der Aufklärung sei noch nicht abgeschlossen. Der Vorstand habe entschieden, Buschkow "aus dem Feuer rauszunehmen", sagte Präsident Marco Troll der ARD, "was aber zunächst eine Unschuldsvermutung darstellt. Solange die Vorwürfe nicht geprüft sind, hat er zunächst keine Aufgabe im DSV wahrzunehmen."

Weitere Betroffene berichten in dem ARD-Film über verschiedene Fälle und Ausprägungen sexualisierter Gewalt im deutschen Schwimmsport. Manche Begebenheiten reichen bis in die jüngste Vergangenheit. Es sind Schilderungen, die in vergleichbarer Form in den vergangenen Jahren auch in anderen Sportarten vermehrt ans Licht kamen - und die den Ruf nach Installation einer unabhängigen, übergeordneten Instanz verstärken. "Die Enthüllungen zu Missbrauchsfällen im Schwimmen machen wütend und betroffen", kommentierte die Vereinigung Athleten Deutschland bei Twitter: "Sie zeigen: Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern um strukturelles Versagen. Leider wird einmal mehr die Notwendigkeit eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport deutlich."

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Sexueller Missbrauch im Schwimmen
:"Alle haben geschwiegen - bis heute"

In einer ARD-Dokumentation sagt der ehemalige Wasserspringer Jan Hempel, er sei über Jahre immer wieder von seinem Trainer missbraucht worden, sogar am Tag des olympischen Wettkampfs. Der Deutsche Schwimm-Verband stellt Bundestrainer Lutz Buschkow frei, der davon seit Jahren wissen soll.

Von Claudio Catuogno und Sebastian Winter

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