Mexikos Nationalelf vor der WM:Orgie? Mineralwasser mit guten Bekannten!

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Héctor Herrera: Mit interessanter WM-Vorbereitung (Foto: AFP)
  • Die Vorbereitung bei Deutschlands erstem WM-Gruppengegner läuft alles andere als optimal. Mexikos Nationalmannschaft hat das letzte Testspiel vor der WM gegen Dänemark mit 0:2 verloren.
  • Für Aufregung sorgt weiter eine Feier mit Escort-Damen, an der mehrere Spieler teilgenommen haben sollen.
  • Das Thema dürfte auch das Teamgefüge beeinflussen. Denn vor allem Stammspieler Héctor Herrera fühlt sich zu Unrecht im Zentrum der Debatte um die Party.

Von Javier Cáceres, Kopenhagen/München

Mexikos Nationalelf genießt noch immer viel Kredit unter ihren Fans. Oder war das doch Ironie, was am Samstag in Kopenhagen zu hören war? Resignation? Galgenhumor?

Denn seit Tagen kreisen die Debatten bei Deutschlands erstem Gruppengegner um Moral, Professionalität und Beziehungsprobleme. Der Grund: Die WM-Fahrer organisierten in Mexiko City eine sehr private Abschiedsparty - und baten einem Bericht der Zeitschrift TV Notas zufolge rund dreißig Escort-Damen hinzu. Als sie nun eine Woche später am Samstag in Kopenhagen zum letzten WM-Test antraten, wurde der Mannschaftsbus am Bröndby-Stadion von einem Schlachtruf mexikanischer Fans empfangen, der überraschend viel Wohlwollen signalisierte: "¡Putas pa' la banda!", riefen die grün gekleideten Männchen, "Huren für die Truppe!"

Das mag der Seele geholfen haben, sportlich war es nutzlos: Mexiko verlor gegen Dänemark mit 0:2 durch ein Traumtor von Yussuf Poulsen (RB Leipzig), der den Ball von der 16-Meter-Linie in den Torwinkel schlenzte, sowie einen Treffer von Christian Eriksen (Tottenham Hotspur), der Mexikos Trainer Juan Carlos Osorio besonders ärgerte. "Das darf nicht angehen, dass wir ein Tor nach einem Einwurf bekommen", maulte der Kolumbianer - und kam dann, entgegen seinem ursprünglichen Wunsch, doch nicht umhin, auch über außersportliche Dinge zu sprechen.

Denn: Der Samstag war geprägt von einem Gerücht, das den sportlichen Interessen der Mexikaner massiv zuwiderläuft. Wenige Stunden vor dem Spiel gegen die Dänen hatten diverse mexikanische Medien erfahren, dass Stammspieler Héctor Herrera auf die WM verzichten wolle. Herrera (FC Porto) war unter jenen acht Spielern, die als Partylöwen identifiziert worden waren, seine Ehe sieht sich seither größeren Belastungen ausgesetzt. Am Mittwoch hatte er von der Teamleitung die Erlaubnis erhalten, nach Portugal zu reisen, um mit der erbosten Ehefrau zu tagen. Offen ist, ob ihm das gelungen ist.

Laufwege der besonderen Art

Die Aufregung von Señora Herrera dürfte schon deshalb groß sein, weil Handyvideos im Internet zirkulieren, die zwar von früheren Partys mexikanischer Profifußballer stammen, aber einen Einblick geben, wie es gewesen sein könnte. Auf den Filmchen sieht man Laufwege der besonderen Art: Unter anderem tanzen einander wohl eher flüchtig bekannte Menschengruppen - Hossa!, Hossa!, Hossa! - fein choreografierte Nacktpolonaisen im Pool.

Herrera, für den wegen der Verletzung von Diego Reyes (FC Porto) eigentlich die Hauptrolle im defensiven Mittelfeld vorgesehen ist, soll nun aus zweierlei Gründen vor der Desertion gestanden haben. Und beide lassen vermuten, dass es kurz vor dem WM-Start am Sonntag in Moskau gegen die Germanen nicht besonders gut um den Teamgeist der Mexikaner bestellt ist. Zum einen hat Herrera die begründete Vermutung, dass jener Paparazzo von TV Notas, der die Frauen am Ausgang der Partystätte in einem gehobenen Viertel von Mexico City fotografierte und damit die Affäre auslöste, den entscheidenden Tipp aus dem Kreis der WM-Reisegruppe erhalten hatte. Es soll ein üppiges Infohonorar geflossen sein, das diverse Medien auf einen allerdings unglaublichen Betrag taxieren: eine Million Dollar. Zum anderen aber sieht sich Herrera zu Unrecht im Zentrum der Debatte um die Party, die am freien Tag stattfand und daher keine Sanktionen durch den Verband nach sich zog.

Herrera war beileibe nicht der einzige WM-Fahrer, der bei der Party war; auch Torwart Memo Ochoa, die Eintracht-Frankfurt-Profis Carlos Salcedo und Marco Fabián, Jesús Gallardo, die Geschwister Jonathan und Giovani Dos Santos, Raúl Jiménez sowie Jesús Manuel Corona waren zugegen. Aber: Es verdichten sich die Hinweise, dass der gesamte Kader zur Feier antanzte. Die Geselligkeit soll von den Kapitänen Rafael Márquez, Andrés Guardado und Torwart Ochoa organisiert worden sein. So jedenfalls berichtet es die mexikanische Ausgabe der Zeitung El País. Im mexikanischen Pressekorps, das die Nationalmannschaft auf dem Weg nach Russland begleitet, wird nun gerätselt, warum nicht alle Namen fielen: Sollte jemand geschützt werden? Oder legt die Zeitschrift in ihrer nächsten Ausgabe neue Details nach?

Guardado jedenfalls stellte sich am Samstag nach dem Spiel gegen die Dänen den Medien und dementierte, dass Herrera gehen wolle: "Das ist eine Lüge." Auch Trainer Osorio erklärte, von einem Rücktritt Herreras keine Kenntnis zu haben. Im Hintergrund versuchen sich derweil vor allem die Berater der Spieler daran, der Feier die frivole Note zu nehmen. Es seien 70 bis 80 Leute zugegen gewesen; es sei nichts passiert, was man ausschließlich dem Beichtvater anvertrauen könne; es sei nicht nur Alkohol, sondern auch viel Mineralwasser geflossen - und die Frauen, die in Limousinen vorfuhren, seien gar keine Escorts, sondern gute Bekannte gewesen.

Die Internetauftritte von zumindest zwei Damen, die der Geselligkeit beigewohnt haben wollen, können für Letzteres aber kaum als Indizien herhalten, ihre Fotos haben eher Katalog-Charakter. Allerdings verwahrte sich auch eine der besagten Frauen dagegen, als Begleit-Dame bezeichnet zu werden. Sie sei vielmehr eine "Naturvampirin", erklärte Aimée A.

"Er hat uns gesagt, dass es immer Spitzel gibt"

Welche sportlichen Auswirkungen die Affäre hat, wird sich erst in Russland zeigen. Die Dänen spielten besser, aber das war zu erwarten; die Tore fielen, nachdem Trainer Osorio seine ganz persönliche Orgie feierte - eine Wechselorgie. Er tauschte nach der Pause sechs Spieler aus. Zudem habe der Coach sein Team vor dem Spiel gebeten, sich nicht allzu sehr ins Zeug zu legen, sagte Torwart Ochoa: "Er hat uns gesagt, dass es immer Spitzel gibt. Wir sollten deshalb versuchen, unsere Waffen nicht zu zeigen."

Osorio, 57, war am Freitagabend in Leverkusen beim mageren 2:1 der Deutschen gegen Saudi-Arabien gewesen. Hoffnung für den WM-Auftakt schöpfte Osorio danach allemal: "Wir haben die Strategie definiert und wissen, welche Elf spielen wird. Die Chancen, dass wir bei 100 Prozent sind, stehen gut." Eine Gewissheit hat er schon mal: Gas geben können seine Jungs.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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