Mercedes in der Formel 1:Hinterher und außen vor

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Die Formel-1-Saison ist zwei Rennen alt - und schon hat Mercedes seine erste Krise. Michael Schumacher und Nico Rosberg fahren hinterher, das deutsche Team hat Schwierigkeiten, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Und fühlt sich zudem auch noch von Formel-1-Boss Ecclestone benachteiligt.

René Hofmann, Sepang

In drei Wochen findet der Große Preis von China statt, das dritte Rennen der Formel-1-Saison. Was bis dahin im Mercedes-Team passiert? Darüber gehen die Meinungen auseinander. "Wir sind stark in der Qualifikation, aber noch nicht im Rennen. Daran müssen wir bis zum nächsten Rennen arbeiten", sagt Nico Rosberg.

Michael Schumacher kam in Sepang nach Platz drei im Qualifying nur auf den zehnten Rang. (Foto: dpa)

Ob das aber so schnell etwas bringen wird - Michael Schumacher ist skeptisch: "Ich bin sicher, dass die Jungs bereits sehr hart über eine Lösung nachdenken. Das geht allerdings nicht von einem Rennen zum nächsten. Es benötigt etwas Zeit. Und die müssen wir uns nehmen."

Es könnte also sein, dass es in Shanghai wieder so aussieht wie in Melbourne und in Sepang: freitags und samstags hui, sonntags pfui. Wie beim Saisonauftakt in Australien waren den Mercedes-Fahrern in Malaysia in den Trainingsläufen und in der Qualifikation beeindruckende Zeiten geglückt. Als es aber ernst wurde, stürzten sie ab.

Die Tabelle, in der die schnellste Runde jedes Fahrers notiert wird, führte Schumacher nach 56 Umläufen eine Sekunde hinter dem Besten, Lotus-Beweger Kimi Räikkönen. Bei Rosberg betrug der Rückstand 1,1 Sekunden. Nur weil in der Schlussphase gleich zwei Konkurrenten Probleme bekamen - Sebastian Vettel fiel wegen eines Reifenschadens zurück, Williams-Lenker Pastor Maldonado wegen eines Motorenproblems -, kam Schumacher als Zehnter zum ersten Punkt. Rosberg wurde Dreizehnter. Eine Woche zuvor war er Zwölfter gewesen, Schumacher war mit einem Getriebeproblem ausgefallen.

Es benötigt schon einige Phantasie bei der Anwendung der Grundrechenarten, um daraus einen guten Trend zu lesen. Schumacher hat sie. "Im vergangenen Jahr waren wir bei den Rundenzeiten meilenweit von der Spitze entfernt", erinnert er sich, inzwischen sei die Spitze zumindest in Sichtweite gerückt: "Wie viel uns fehlt, weiß ich gar nicht genau", sagt Schumacher, "ich denke, es ist etwa eine Sekunde. Im vergangenen Jahr waren es noch mehr als zwei Sekunden."

Mit seinem Anspruch und dem der Marke aber verträgt sich weder das eine noch das andere. Rosberg unterlief in der Qualifikation zum zweiten Mal in diesem Jahr ein Fehler, der ihm einige Startplätze kostete. Aber das blieb eine Marginalie. Den Fahrern gibt keiner die Schuld an dem Formtief. Ihr Fahrzeug ist das Sorgenkind.

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Auch im dritten Anlauf ist es Teamchef Ross Brawn offenbar nicht geglückt, für Mercedes einen Triumphwagen zu bauen. Der Brite, der als Technikchef bei Ferrari Michael Schumacher zu fünf Titeln verhalf und 2009 im eigenen Team Jenson Button dank des umstrittenen Doppeldiffusors zum Weltmeister beförderte, konnte in Sepang nur ein "sehr enttäuschendes Ende" des Wochenendes bilanzieren und konstatieren: "Unser Auto wirft ein bisschen ein Rätsel auf."

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Die Knobelaufgabe, die nun auf Brawn wartet, lautet: Wie ist der Maschine ein besserer Umgang mit den Reifen beizubringen? Diese kleben nur in bestimmten Temperaturbereichen; die Techniker sprechen gerne von "Fenstern". Beim Mercedes sind die besonders klein, es sind eher Schießscharten. Gelingt es nicht, diese aufzubrechen, droht dem Team auch in den restlichen 17 Rennen die Gesellschaft, in der es sich an diesem Sonntag befand: bei den Rennställen Marussia, HRT und Caterham, die entweder noch nicht lange dabei sind oder ihren Namen jedes Jahr ändern.

Neben der sportlichen Misere gibt es aber noch eine andere - und die könnte langfristig noch weit gravierendere Auswirkungen haben. Ende des Jahres läuft das Concorde Agreement aus, der Grundlagenvertrag, der regelt, welchen Anteil an den Vermarktungseinnahmen Bernie Ecclestone an jedes Team ausschüttet. Die Verhandlungen, wie es danach weitergeht, laufen. Am Samstag überraschte Ecclestone mit der Ankündigung, die Mehrheit der zwölf Teams habe einem Angebot von ihm schon zugestimmt, darunter die Schwergewichte Ferrari, Red Bull und McLaren. Mercedes ist noch außen vor.

Dem Vernehmen nach, weil die Firma sich benachteiligt fühlt angesichts der Boni, die den Rivalen zum Teil mit den abenteuerlichsten Begründungen zugestanden werden könnten.Skurrile Bonusregel Neben einem Treuebonus soll es tatsächlich einen Bonus für Teams geben, die seit 2008 zweimal nacheinander Konstrukteursweltmeister wurden, zudem für Teams, die seit 2000 unter dem gleichen Namen teilnehmen. Für Mercedes würde all das nicht gelten.

Fließt weniger Geld, könnte aber die Finanz-Architektur des Werksteams ins Wanken geraten. Von Klagen wird deshalb schon geraunt - und von ganz anderen Konsequenzen. Es gibt bereits Stimmen, wie es wäre, wenn die Firma künftig nur noch Motoren liefere und kein eigenes Formel-1-Auto mehr baue. McLaren-Chef Martin Whitmarsh beispielsweise "hofft das nicht".

Bis zum Rennen in China wird sich allerdings auch diese Ungewissheit wohl nicht aufklären. Bis dahin bleibt die Teamwertung eine Momentaufnahme mit Signalwirkung: Mercedes weit zurück, etwas hinter Williams und knapp vor HRT, Caterham und Marussia - die Teams haben von Ecclestone angeblich überhaupt noch kein Angebot erhalten, im Millionenspiel zu bleiben.

© SZ vom 27.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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