Volleyball-Meister Stuttgart:Sogar der Meister hat Sorgen

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Stuttgart, entfesselt: Krystal Rivers (links) und ihre Mannschaft nach dem verwandelten Matchball zur Meisterschaft. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Stuttgarts Volleyballerinnen holen zum dritten Mal in Serie den Meistertitel. Doch wie geht es weiter? Die Frauen-Bundesliga steckt in einer Existenzkrise - zudem entsteht in den USA neue Konkurrenz.

Von Sebastian Winter

Es gibt Abende, an denen ist es sehr förderlich, wenn die exponierteste Spielerin jemanden an ihrer Seite weiß, der sie unterstützt. Wie im Falle von Krystal Rivers, dieser Überfigur in der Volleyball-Bundesliga, ohne die ihr Verein Allianz MTV Stuttgart nicht dort wäre, wo er nun ist. Für Rivers, die so athletische, schlagkräftige US-Amerikanerin, verlief das entscheidende fünfte Playoff-Finalspiel beim SSC Palmberg Schwerin jedenfalls recht holprig. Sie schlug öfter in den Block, ihr Aufschlag entfaltete nicht die gewohnte Wirkung - Rivers wirkte müde am Ende dieser Saison.

Aber da war ja noch Jolien Knollema. Die 21-jährige Außenangreiferin eilte Rivers und den anderen zu Hilfe, als der erste Satz verloren war, nahm sicher an, brillierte im Angriff, auch im Block. "Sie hat die Mannschaft zeitweise getragen, und das mit 21 Jahren, in ihrem ersten Finale", sagte Stuttgarts Sportdirektorin Kim Renkema am späten Sonntagabend. Drei Stunden vorher hatten die MTV-Volleyballerinnen Schwerin in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt im Entscheidungsspiel 3:1 (17:25, 25:20, 25:13, 25:13) geschlagen - gleichbedeutend mit dem vierten DM-Titel nach 2019, 2022 und 2023.

Auch Stuttgarts Kader fällt auseinander, weil die Profigehälter steigen

Konstantin Bitter hat somit bereits in seinem ersten Jahr als Stuttgarts Cheftrainer das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Supercup gewonnen. In der Champions League kam Bitters Mannschaft wie im Vorjahr ins Viertelfinale. "Das ist nicht zu toppen", sagte Renkema, "das Triple gab es im deutschen Frauen-Volleyball noch nie. Wir haben Geschichte geschrieben." In einer Liga, in der Stuttgart nun aber vor Problemen steht: Der eigene Kader fällt auseinander, nur drei Profis - die Schlüsselspielerinnen Rivers, Knollema und Libera Roosa Koskelo - bleiben im Verein.

Ohne Respekt vor der gelben Wand: Jolien Knollema, Stuttgarts Beste am Sonntag. (Foto: Pressefoto Baumann/Imago)

Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Profigehälter auch in der Bundesliga immer weiter steigen. Zugleich werden in den USA bei den Frauen zurzeit neue Volleyball-Profiligen abseits des College-Systems aufgebaut. Gerade US-Amerikanerinnen, die früher nach Europa gewechselt wären, bleiben nun lieber in der Heimat. Oder sie kehren dorthin zurück, wie Stuttgarts Kayla Haneline, Alexis Hart und andere amerikanische oder europäische Profis, die bislang in der Bundesliga spielten. "Die US-Liga hat sich enorm entwickelt, sie zahlt sehr viel Geld, das ist gefährlich für uns", sagt Renkema.

Die neue Konkurrenz aus Übersee trifft auf eine Frauen-Bundesliga, die zugleich in einer ihrer größten Krisen seit Jahrzehnten steckt. Der VC Neuwied stellte im Dezember einen Insolvenzantrag und zog sich nach der Hauptrunde aus der Bundesliga zurück. Die Roten Raben Vilsbiburg, 2008 und 2010 deutscher Meister, 2009 und 2014 DVV-Pokalsieger, verkündeten vor drei Wochen, künftig aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr im Oberhaus zu spielen. Pokalfinalist Potsdam plagen massive finanzielle Probleme, und wohin man schaut abseits von Stuttgart und Schwerin: Die Lage ist besorgniserregend. "Viele Klubs verlieren den Anschluss. Wir müssen schauen, dass die Liga wieder gesund wird, sonst gibt es sie bald nicht mehr", sagt Renkema.

"Das Triple gab es im deutschen Frauen-Volleyball noch nie. Wir haben Geschichte geschrieben": Trainer Konstantin Bitter und Sportdirektorin Kim Renkema mit der Meisterschale in Schwerin. (Foto: Pressefoto Baumann/Imago)

Doch wie soll das gehen für den Mittelbau der Liga - bei schrumpfenden Etats, steigenden Gehältern und neuer US-Konkurrenz den Anschluss nicht zu verlieren? Es dürfte für die Klubs und die Geschäftsführung der Volleyball-Bundesliga ein ziemlich aufregender, arbeitsreicher Sommer werden.

Stuttgart feierte in Schwerin aber erst einmal in der Nacht von Sonntag auf Montag. Den Erfolg, das hatten sie beim alten und neuen deutschen Meister immer wieder betont, möchten sie Tore Aleksandersen widmen, ihrem einstigen Trainer, der sie trotz seiner fortschreitenden Krebserkrankung im Frühjahr 2023 zur Meisterschaft geführt hatte. Aleksandersen starb im vergangenen Dezember in seiner norwegischen Heimat. "Aber er ist immer bei uns", sagt Renkema. Weil er diese Mannschaft noch zusammengestellt hatte, die nun in Schwerin jubeln durfte. Und auch im Wortsinn: Stuttgarts Spielerinnen vergaßen nie, Aleksandersens Trainingsjacke und ein Bild von ihm zu jedem ihrer Spiele mitzunehmen.

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