Manchester Uniteds Sieg im Ligapokal:Der erste Tanz des Erik ten Hag

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Trainer Erik ten Hag (Mitte), Lisandro Martínez (links) und Antony wollen ihren Siegestanz noch möglichst oft aufführen. (Foto: Matt Impey/Shutterstock/Imago)

Der Niederländer hat Manchester United wieder zu einem Klub gemacht, der Titel gewinnt. Er sagt, er liebe den Verein, nennt Sir Alex Ferguson sein Vorbild - und teilt mit der Trainerlegende manchen Charakterzug.

Von Sven Haist, London

So viel Leichtigkeit und Rhythmusgefühl hätte wohl kaum jemand Erik ten Hag zugetraut. Der sonst so fokussiert wirkende Trainer von Manchester United schnappte sich nach dem League-Cup-Triumph im Wembley-Stadion seine Spieler Lisandro Martínez und Antony, mit denen er im Vorjahr schon bei Ajax Amsterdam zusammengearbeitet hatte, und legte mit den beiden Südamerikanern einen kurzen Siegestanz hin. Die Einlage des Trios erinnerte an den Party-Hit "Pepas" des Puerto-Ricaners Farruko.

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Vor einem Jahr hatte das Trio die Choreografie nach dem Gewinn der niederländischen Meisterschaft mit Ajax uraufgeführt, nun ist sie wohl ein Ritual geworden. Die Aktion war damals in gewisser Weise der letzte Tanz von ten Hag in Amsterdam - jetzt sollen seine Hüftschwünge am Sonntagabend in London die ersten von vielen bei Manchester United gewesen sein.

Die Tanzeinlage war ein spezieller Dank an Martínez und Antony, und auch bei allen anderen Spielern bedankte sich ten Hag auf dem Platz persönlich für das 2:0 (2:0) gegen Newcastle United. Im Gegenzug wurde der Niederländer im Kabinentrakt von seinem Trainervorbild Sir Alex Ferguson, der Manchester United über 26 Jahre geprägt hatte, herzlich empfangen. Die beiden posierten sogar für Siegerfotos. Ferguson sei im Augenblick "ein glücklicher Mensch", berichtete ten Hag danach. Vor einigen Tagen hatte er angekündigt, den Schotten "stolz" machen zu wollen.

Erstmals seit dem Titel in der Europa League 2017 hat der frühere Seriensieger Manchester United wieder einen Pokal gewonnen. So lange, sechs Jahre, musste der Klub zuletzt zwischen 1977 und 1983 auf eine Trophäe warten. Für ten Hag, 53, war es der erste Triumph außerhalb seiner Heimat, daher sei dies "kein normaler Tag", sagte er. Als ten Hag nach der Pressekonferenz von den Reportern daran erinnert wurde, die auf dem Podium vergessene Trophäe mitzunehmen, scherzte er, gedanklich schon "beim nächsten Cup" zu sein. Eine Riposte, die denen des scharfzüngigen Ferguson ziemlich ähnlich sah.

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Eine solch offen dargestellte Siegermentalität passt bestens zum englischen Rekordmeister, bei dem sich ten Hag immer größerer Beliebtheit erfreut. Die Fans jubelten am lautesten, als der Pokal auf der Ehrentribüne dem Trainer überreicht wurde. Der Ligapokal-Sieg war einst auch der jeweils erste Titel für die Trainergrößen José Mourinho und Pep Guardiola in England. Dies solle "nur der Anfang" sein, betonte ten Hag. Die britischen Zeitungen lobten seinen Einfluss auf die Entwicklung bei United, das Massenblatt Sun wortspielte in Bezug auf die taktische Meisterleistung: "It's know contest." Know steht für Wissen und liest sich im Englischen wie "no contest", kein Wettkampf.

Anders als viele Trainerkollegen aus seiner Heimat, die vor allem eine auf Ballbesitz ausgerichtete Spielweise lehren, scheint das Repertoire von ten Hag über die klassische holländische Schule hinauszugehen. Im Duell mit Newcastle verordnete er seinem Team kompakten Defensivfußball - weil diese Ausrichtung dem Gegner am wenigsten entgegenkam. Der Plan ging auf: Newcastle mühte sich ab, United lauerte pragmatisch auf Fehler. Der Spielverlauf glich dem des Europa-League-Finales 2017, als der damalige United-Trainer Mourinho mit vergleichbarem Vorgehen das spielstarke Ajax entnervt hatte.

Beide Endspiele gewann Manchester 2:0, und sogar die Tore entstanden nahezu identisch: eine Standardsituation sowie ein abgefälschter Schuss. Gegen Newcastle verwertete der überragende Mittelfeldabräumer Casemiro eine Freistoßflanke per Kopf (1:0/33.), kurz darauf fabrizierte Newcastles Sven Botman ein Eigentor, indem er einen Schuss von Marcus Rashford unglücklich blockte. In der Schlussphase verteidigte Manchester den Vorsprung ohne echte Angreifer, die vordersten Spieler waren Scott McTominay und der vom FC Bayern bis Saisonende ausgeliehene Marcel Sabitzer, zwei defensive Mittelfeldakteure.

Ten Hag führt die Wende mit einem Straftraining ein - bei dem er selbst mitläuft

Dass der einstige Champions-Klub Manchester United nun wieder Pokale gewinnt, ist keine Selbstverständlichkeit. Durchaus renommierte Trainer waren vor ten Hag an dieser Aufgabe fulminant gescheitert - unter anderem wegen der mangelnden Kompetenz im Klubmanagement. Trotzdem traute sich ten Hag nach seiner Aufbauarbeit bei Ajax die schwere Aufgabe bei diesem Weltverein zu. United stellte ihm für die Erneuerung des Kaders eine Viertelmilliarde Euro für Ablösen zur Verfügung, die er bis auf Casemiro ausschließlich für ihm bekannte Profis ausgab (Antony, Martínez, Eriksen, Weghorst, Malacia). Entweder hatte er sie selbst schon gecoacht - oder sie spielten in der niederländischen Eredivisie. So konnte ten Hag Potenzial und Persönlichkeit genau einschätzen. Dieses Vorgehen zahlt sich nach etlichen Fehlgriffen des Klubs bislang aus.

Den Abwärtstrend stoppte ten Hag aber zu Saisonbeginn noch nicht. Nach einem besorgniserregenden 0:4 in Brentford stand United am zweiten Spieltag der Premier League auf dem letzten Platz. Zur Strafe mussten die Spieler am nächsten Tag jene 14 Kilometer in der brütenden Sommerhitze nachlaufen, die sie im Spiel zu wenig geliefert hatten - und ten Hag rannte zur Verwunderung aller Beteiligten mit. Diese Geste erwies sich als so zielführend für die Trendwende wie die riskante, aber unvermeidbare Entscheidung, anschließend kaum noch auf Kapitän Harry Maguire und Stürmer Cristiano Ronaldo zu setzen. Während Ronaldo nach Saudi-Arabien floh, stellte sich Maguire in den Dienst der Mannschaft - ten Hag belohnte dies im Cup-Finale mit einer späten Einwechslung. Vielleicht sei es "ein Risiko" gewesen, diesen Klub zu übernehmen, gab der Trainer zu, aber er "liebe" United: die Trikots, das Stadion, die Ferguson-Ära und die vielen großen Spieler.

Mit einigen der früheren United-Größen hat ten Hag regelmäßig zu tun, sie arbeiten als TV-Experten in England. Als er im Gespräch bei Sky UK auf seinen Tanz angesprochen wurde, grätschte der einstige Mittelfeldrüpel Roy Keane verbal dazwischen. Keane witzelte mit ernster Miene, ten Hag solle deshalb sofort "zurücktreten", heute Abend noch. "Niemals, niemals", erwiderte ten Hag. Er möchte bei Manchester United noch weitertanzen.

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