Mainz 05 gewinnt nach Trainerwechsel:Nur zu erklären mit der Unlogik des Fußballs

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Jetzt auch mit drei Punkten: Trainer Jan Siewert bringt Mainz 05 das Siegen wieder bei. (Foto: Gerhard Schultheiß/Jan Huebner/Imago)

Trainer Jan Siewert lässt Mainz nach 14 sieglosen Partien so spielen, wie es seinem Vorgänger Bo Svensson gefallen hätte - und bezwingt mit dieser Taktik sogar RB Leipzig. Darf er nun vielleicht getreu dem Mainzer Modell länger bleiben?

Von David Kulessa

Marco Rose hat zehn Jahre bei Mainz 05 verbracht, aus seiner Verbundenheit zum Verein macht er nach 200 Pflichtspielen und dem Beginn seiner Trainerlaufbahn am Bruchweg kein Geheimnis. Das erklärt auch, wieso er unter der Woche das Abschiedsvideo von Bo Svensson, seinem ehemaligen Mitspieler, gesehen hatte. Den Tränen nahe war der 44-Jährige nach knapp drei Jahren als Mainzer Trainer zurückgetreten: "Ganz großer Sport" sei das gewesen, sagte Rose auf der Pressekonferenz vor seiner Rückkehr nach Mainz, wo er mit seinem neuen Arbeitgeber RB Leipzig samstags im Spiel eins nach der Ära Svensson zu Gast war.

Dass der Leipziger Chefcoach auf der Pressekonferenz nach dem Spiel wiederum einen "herzlich Glückwünsch an Mainz 05" aussprechen musste, ist außer mit der Unlogik des Fußballs nur schwerlich zu erklären. Saisonübergreifend 14 Spiele lang waren die Mainzer in der Bundesliga ohne Sieg, beim Pokal-Aus bei Hertha BSC zuletzt gänzlich chancenlos gewesen. Doch am Samstagnachmittag, keine 48 Stunden nach dem Rücktritt Svenssons, trat die Mannschaft plötzlich wieder so auf wie in den besten Phasen unter ihm - und besiegte Europapokal-Teilnehmer RB Leipzig verdient mit 2:0 (0:0).

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"Der Sieg ist für den Verein, die Spieler, den Staff, aber vor allem für Bo Svensson", sagte hinterher ein selbstloser Jan Siewert, der natürlich wusste, dass dieser Sieg auch für Jan Siewert nicht ganz ungünstig war. Der 41-Jährige, der im Normalbetrieb für die U23 der 05er zuständig ist, ist nicht nur der Nachfolger Svenssons, sondern war auch dessen Vorgänger. Weil die Verantwortlichen ihrem neuen Cheftrainer im Januar 2021 ein Auswärtsspiel bei den Bayern zum Einstand ersparen wollten, sprang Siewert ein. Der gewann die erste Halbzeit in der Münchner Arena mit 2:0, verlor die zweite mit 0:5 und übergab dann an Svensson, der die Mainzer in einer sensationellen Rückrunde zum Klassenerhalt führte - unter anderem, nach einer anfänglichen Niederlage, mit einem 3:2-Sieg gegen Leipzig.

Eine Beförderung Siewerts zum Cheftrainer würde perfekt zum Mainzer Modell passen

Diesmal dürfte Siewert länger bleiben. Vieles deutet darauf hin, dass er auch am nächsten Samstag beim Kellerduell in Darmstadt noch Trainer der Mainzer Profimannschaft sein wird. Und selbst eine längerfristige Anstellung scheint zunehmend realistisch: "Er hat heute das beste Bewerbungsschreiben verschickt, das er verschicken konnte", sagte Sportdirektor Martin Schmidt nach dem Heimsieg gegen Leipzig. Seit Sommer 2020 ist Siewert in Mainz, erst war er Cheftrainer des NLZ und zur vergangenen Saison übernahm er die zweite Mannschaft - eine Beförderung scheint schon deshalb wahrscheinlich zu sein, weil sie perfekt ins Mainzer Modell passen würde. Seit der Spieler Jürgen Klopp im Februar 2001 als Trainer übernahm, haben sich die Mainzer regelmäßig aus sich selbst erneuert. Auch die Trainer Thomas Tuchel, Sandro Schwarz, Martin Schmidt und eben Bo Svensson hatten dem Verein bereits im Unterbau gedient, bevor sie Chefs wurden.

Es ist daher auch nicht wirklich überraschend, dass Siewert, zumal angesichts einer sehr kurzen Vorbereitungszeit, gegen Leipzig eine Taktik wählte, die aus dem noch zu schreibenden Lehrbuch seines Vorgängers zum Thema Abstiegskampf stammen könnte. Gleichzeitig ist der Erfolg dieser Herangehensweise natürlich auch ein bisschen unfair, weil sich zwangsläufig die Frage aufdrängt, ob Svensson gegen RB nicht auch ein Sieg gelungen und dann doch noch alles gut geworden wäre.

Ganz sicher hätte auch Svensson der Mannschaft aufgetragen, tief zu stehen, das Zentrum dichtzumachen, die Zweikämpfe leidenschaftlich zu führen und in den richtigen Momenten mutig nach vorne zu verteidigen. Siewert machte nach Abpfiff gar keinen Hehl daraus, dass die Mannschaft in "sehr vielen Dingen ganz klare Abläufe und Prinzipien" habe, an denen er gar nichts Großartiges ändern musste. Allerdings, womit wir bei der Unlogik des Fußballs wären, scheint es manchmal wichtig zu sein, dass es ein neuer Chef ist, der in der Kabine die gleichen Dinge sagt wie der alte. Und deswegen hätte Svensson diese Partie vermutlich doch nicht gewonnen. Der Südkoreaner Lee schloss einen Konter nach Karim Onisiwos Flanke mit dem Kopf dann zum 1:0 ab, vier Minuten später bereitete der Österreicher auch das 2:0 durch Leandro Barreiro vor (80.).

Hinten stabil, vorne zielstrebig und mit wenigen Chancen zum Erfolg: In dieser Konsequenz haben die Mainzer Spieler Svenssons Spielidee schon lange nicht mehr umgesetzt. Auch gegen Bayer Leverkusen und Bayern München waren in dieser Saison zwar anständige Heimspiele dabei, bloß: Auch an guten Tagen verloren die 05er in dieser Saison 0:3 und 1:3. Jedenfalls, bis Jan Siewert kam.

Wie er es geschafft habe, in die Köpfe der Spieler zu kommen, wurde der Mainzer Trainer nach dem Spiel gefragt. Seine Antwort lautete: "Keine Ahnung."

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