Zum Tod von Luis Suárez:"Halb Tänzer, halb Torero"

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Luis Suarez (links) im Trikot von Inter Mailand in der Saison 1965/66. (Foto: Fotografico Buzzi/Imago)

Das spanische Mittelfeldgenie Luis Suárez ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Er wurde bei Inter Mailand zur Legende - und zu einem der besten Fußballer der 1960er Jahre.

Von Javier Cáceres

Bei den Spielen des FC Barcelona schaltete der spanische Radiosender Cadena SER gern einen kratzbürstigen Kritiker aus Mailand dazu, der die Spiele am heimischen TV-Sender verfolgte: den Spanier Luis Suárez Miramonte. Ihm zuzuhören, war ein Vergnügen, denn Luisito, wie er Zeit seines Lebens genannt wurde, redete immer offen und unverstellt über alles.

Auch in eigener Sache sprach er gern Klartext, wenn er Besucher zum Lunch in einer Trattoria im Mailänder Stadtteil Brera empfing, in der Nähe des San-Siro-Stadions. "Ich war schon sehr, sehr gut", sagte er. Und es war nicht bloß so, dass keiner, der ihn je spielen sah, widersprochen hätte. Ein Fakt sprach für sich. Zum Zeitpunkt seines Todes, der am Sonntag bekannt und auf zwei Halbinseln Europas - auf der iberischen und der italienischen - gleichermaßen beweint wurde, war Luisito Suárez der einzige Spanier der Geschichte geblieben, der den Ballon d'Or zugesprochen bekam, den Goldenen Ball für den besten Spieler Europas. Trotz Xavi, Iniesta, Casillas.

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Den Titel holte Suárez im Jahr 1960; zu einem Zeitpunkt also, da Europas Fußball von Real Madrid dominiert wurde. Der 1935 im nordwestspanischen La Coruña geborene und nun im Alter von 88 Jahren verstorbene Suárez war seinerzeit Spieler des FC Barcelona, und dermaßen auf der Höhe seines Schaffens, dass er in einem Messepokalspiel der Saison 1960/61 gegen die Auswahl Zagrebs im Camp Nou ein Tor erzielte, von dem er selbst sagte, es sei maradonianisch (oder messianisch) gewesen.

Ihm glückte ein Dribbellauf von der rechten Seite über den halben Platz, mit dem er den Grundstein dafür legte, dass Barcelona einen 0:2-Rückstand aufholte. Und der verstehen hilft, dass beim FC Barcelona sein Verkauf aus dem Sommer 1961 an Inter Mailand als einer der größten Fehler der Vereinsgeschichte betrachtet wird. Obschon er eine beispiellose Ablöse einbrachte: 25 Millionen Pesetas, oder 250 Millionen Lira, heute kaum mehr als 200 000 Euro, die in den Ausbau des Camp-Nou-Stadions in Barcelona flossen.

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Für ihn, den der große Alfredo Di Stéfano bloß "el arquitecto" nannte, den Architekten, war der Wechsel in gleichem Maße ein Segen wie für die Lombarden. Unter der Führung des unvergleichlichen Helenio Herrera entstand "La Grande Inter", jenes Mailänder Team, das 1964 und 1965 den Europapokal der Landesmeister holte. Im Jahre 1965 räumte Inter auch den Weltpokal und die italienische Meisterschaft ab. 1964 holte Suárez überdies den EM-Titel mit Spanien, und es heißt, dass Suárez in jenem Jahr neuerlich den Ballon d'Or verdient gehabt hätte.

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Der Ausrichter France Football aber überreichte ihn dem Schotten Dennis Law. "Ein Raub!", ärgerte sich Suárez Jahre später. Was für ein Spieler er war, belegt auch dies: France Football hatte Ende der 1960er Jahre erwogen, einen Preis für den besten Spieler der Dekade zu stiften. Einen Spezial-Ballon-d'Or, sozusagen. Es hätte aufgrund der Addition der Punktzahlen bei den Wahlen zum besten Spieler des Jahres nur einen Siegerkandidaten gegeben: Luis Suárez, der "halb Tänzer, halb Torero" war, wie der legendäre italienische Journalist Gianni Mura schrieb.

"Er war ein großartiger Fußballer, mit einer sehr hohen Spielintelligenz, aber auch durchsetzungsstark, technisch sehr versiert und torgefährlich", teilte FC-Bayern-Aufsichtsrat Karl-Heinz Rummenigge der Süddeutschen Zeitung mit, auch er spielte bei Inter (1984-1987) und wurde dort zum Idol. "Ich bin dankbar, dass ich ihn zu meiner Zeit bei Inter Mailand persönlich kennenlernen durfte. Er ist eine Vereinsikone und so wird man ihn in Erinnerung behalten. Das italienische Fußballherz vergisst nie."

Luis Suárez war ein Galicier, den die Sehnsucht nach dem Meer sein Leben lang begleitete - auch dann noch, als er in Mailand zum Held wurde. (Foto: Luca Bruno/AP)

Nach dem Ende seiner aktiven Karriere (1973 bei Sampdoria Genua) wurde Suárez Trainer, unter anderem drei Mal bei Inter und auch beim spanischen Verband. Er holte den U21-Europameistertitel (1986) und führte die A-Mannschaft zur WM 1990 in Italien. Das Land wurde zu seiner Heimat - obschon sein melancholischer Blick verriet, dass er nichts stärker vermisste als den Geruch des Meeres in Galicien, die Percebes und all die anderen Meeresfrüchte, die er sich von Freunden nach Italien schicken ließ. Dort erhoben sich die Menschen auch neulich noch von den Tischen, wenn ihr Luisito durch die Tür kam. Denn keiner konnte je vergessen, dass er ihnen fast ein Jahrzehnt lang, von 1961 bis 1970, immer einen Ausweg geboten hatte. Getreu den Worten, die Helenio Herrera einst von sich gab: "Wenn ihr nicht wisst, wohin mit dem Ball, gebt ihn Luis Suárez."

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