Kader der DFB-Elf bei der EM:Löw mag es international

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  • Erst vier, dann sieben, jetzt zehn Legionäre: An der Zusammensetzung des EM-Aufgebots lässt sich der Aufschwung des deutschen Fußballs in den vergangenen Jahren nachvollziehen.
  • Bundestrainer Löw schätzt es, wenn sich seine Spieler im Ausland weiterbilden.

Von Christof Kneer

An Michael Ballack muss man manchmal denken in Ascona, er stand hier einmal in der Blüte seiner Macht. Als die deutsche Nationalelf bei der EM 2008 das schöne Tessin bewohnte, hörte alles auf das Kommando von Ballack und dessen Hilfssheriff Torsten Frings. Die Spieler hörten sogar so sehr auf das Kommando der beiden, dass es ihnen im Verlauf des Turniers zu viel wurde, es folgte keine Meuterei, aber jene berühmte Aussprache, in der die anderen Spieler die Sheriffs wissen ließen, dass sie künftig bitte nicht mehr ganz so laut herumkommandieren sollten.

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Damals konnte keiner ahnen, dass der große Ballack sein letztes Turnier spielen würde, zwei Jahre später grätschte ihm Kevin-Prince Boateng so herzhaft die Beine weg, dass er die WM 2010 stornieren musste und nie mehr in Löws Elf zurückkehrte.

Ballack war ein stolzer Spieler, und ein Teil seines Stolzes bezog sich auf das Alleinstellungsmerkmal, das er selbst durchaus gerne betonte: Er war ein echter Legionär. Er spielte beim FC Chelsea - in der besten und, was auch wichtig war, bestbezahlten Liga der Welt. Er spielte nicht wie die anderen in Bremen, Stuttgart, Gelsenkirchen oder nicht mal mehr in diesem München. Ballack kam aus der großen, weiten Welt.

Aus Dortmund sind lediglich eineinhalb Spieler dabei

In jenem Kader, den Joachim Löw an diesem Dienstag im selben Ascona präsentierte, wird man nicht mehr zwingend mit Hochachtung begrüßt, wenn man aus dem Ausland anreist. Löw hat einen Kader angemischt, wie es ihn in der jüngeren Länderspiel-Geschichte schon lange nicht mehr gab. Zwar vertraut der Bundestrainer weiterhin einer autoritären Gruppe von aktuellen Bayern-Spielern, ehemaligen Bayern-Spielern und künftigen Bayern-Spielern (Mats Hummels), aber der beste Bundesliga-Zweite der Geschichte (Dortmund) ist nur mit einem halben Spieler mehr vertreten als der sehr gute Liga-Dritte (Leverkusen).

Aus Leverkusen kommt der Torwart Leno, aus Dortmund kommen der Jüngling Weigl sowie ein halber Hummels (siehe oben). Aus Ballacks weiter Welt hingegen kommen gleich zehn Spieler: aus berühmten Ländern und von berühmten Klubs ebenso wie aus mittelberühmten Ländern mit mittelberühmten Klubs.

An Löws Kader lässt sich inzwischen stellvertretend der Aufschwung des deutschen Fußballs nachvollziehen. Als Löw 2008 sein erstes Turnier coachte, hatten außer Ballack gerade mal drei Profis ausländische Klubnamen zu bieten (Lehmann, Metzelder, Odonkor), bei der WM 2010 kein einziger.

Im Sommer 2012 waren vier Kadermitglieder unter ausländischer Vorwahl zu erreichen, bei der WM 2014 in Brasilien immerhin schon sieben. Spätestens seit Rio werden deutsche Fußballer auf dem Exportmarkt wieder als Luxusgüter gehandelt, aber es ist nicht nur das Prädikat "Weltmeister", das Löw einen globalen Kader beschert hat. Teammanager Oliver Bierhoff lebt mit seiner Vita ein Interesse an der großen, weiten Welt vor, und auch Löw freut sich, wenn er mit Mesut Özil in London oder Antonio Rüdiger in Rom Espresso trinken kann.

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Auch aus sportlichen Gründen sieht es Löw gern, wenn seine Spieler "über den Tellerrand hinausblicken", wie Jürgen Klinsmann das immer formuliert hat. Neulich, im SZ- Interview, hat Löw dem Spieler Mario Götze übrigens einen Wechsel ins Ausland empfohlen.

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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