Trainerwechsel in Leverkusen:Sportliche Wahrheiten kosten Herrlich den Job

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Neu in Leverkusen: Peter Bosz übernimmt im Januar das Traineramt. (Foto: AFP)
  • Trotz 13 Punkte aus sechs Spielen muss Trainer Heiko Herrlich in Leverkusen gehen.
  • Für ihn kommt Peter Bosz, der in der Bundesliga schon krachend gescheitert ist - aber immer noch einen guten Ruf genießt.
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Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Die Bundesliga hat in ihren über 55 Jahren schon viele Trainer-Geschichten geschrieben, aber jetzt hat sie ein neues kurioses Kapitel. In Heiko Herrlich musste erstmals ein Übungsleiter gehen, der zuletzt zwei Spiele nacheinander gewonnen und 13 Punkte aus den vergangenen sechs Partien geholt hat. Stattdessen wird zu Beginn der Rückrunde ein Trainer auf der Bayer-Bank Platz nehmen, der bei seiner ersten Station in der Bundesliga krachend gescheitert ist: Der Niederländer Peter Bosz musste in der vergangenen Saison bei Borussia Dortmund nach nur 15 Spieltagen gehen, weil nach einem verheißungsvollen Start so gut wie nichts mehr geklappt und sogar ein 4:0-Halbzeitvorsprung im Derby gegen Schalke 04 nicht zum Sieg gereicht hatte.

Im ersten Moment klingt die Herrlich/ Bosz-Nummer absurd. Und das Prozedere war in der Tat unwürdig. Es gibt aber auch ein paar sportliche Wahrheiten dahinter. Bosz, 55, damals bei Ajax Amsterdam erfolgreich, stand schon 2017 auf dem Wunschzettel von Bayer-Sportchef Rudi Völler, bevor Dortmund ins Spiel kam und der Werksklub Herrlich verpflichtete, weil auch Lucien Favre, Domenico Tedesco und Thomas Tuchel nicht zu haben waren. Bosz hat, obwohl er beim BVB zu lange stur an seinem riskanten Stil festhielt, weiter einen guten Ruf, den er sich bei Ajax verdiente. Und wenn er aus seinen Fehlern gelernt hat, ist ihm zuzutrauen, mit dem offensivstarken Bayer-Kader Erfolg zu haben.

Bayer 04 Leverkusen
:Herrlich muss gehen, Bosz übernimmt

Trainerwechsel kurz vor Heiligabend: Bayer Leverkusen trennt sich von Heiko Herrlich. Für ihn übernimmt ein Coach, der bei Borussia Dortmund gescheitert war.

Tatsache ist auch, dass Leverkusen unter Herrlich nicht vom Fleck kam. Das Team war zwar zu großartigen Partien fähig, aber häufig überkam es das berüchtigte Bayer-Phlegma, das die Elf in den vergangenen Jahrzehnten so oft im letzten Moment scheitern ließ, dass der Werksklub den Begriff "Vizekusen" patentieren ließ. Herrlich führte das Team von Platz zwölf in der Tabelle sieben Plätze nach oben. Aber er konnte nicht verhindern, dass die Mannschaft 2018 wie schon in der Vorsaison schläfrig startete und dass junge Spieler wie Julian Brandt oder Leon Bailey eher schlechter als besser wurden.

Es gab passendere Zeitpunkte für die Entlassung in der Hinrunde

Es gab daher Zeitpunkte in dieser Hinrunde, zu denen niemand an einer Entlassung gemäkelt hätte; vor allem Ende Oktober, als Bayer nach einem 2:4 gegen Dortmund, einem 0:0 in Freiburg und einem in der Nachspielzeit geretteten 2:2 gegen Hannover auch noch in der Europa League 2:3 in Zürich verlor. Doch statt zu handeln, ließen die Klubbosse Herrlich zum scheinbar ungewinnbaren Auswärtsspiel zu den damals siedend heißen Bremern reisen - wo der Werksklub unerwartet 6:2 triumphierte. Drei Tage später legte das Team der Hochtalentierten ein 5:0 im Pokal in Mönchengladbach nach, woraufhin Herrlich zunächst unkündbar war, selbst als es in der Liga wieder zwei Ohrfeigen gab (1:4 gegen Hoffenheim, 0:3 in Leipzig).

Es ist deshalb nicht so, als hätte es einen großen Herrlich-Chor unter den Leverkusener Bürgern gegeben oder eine Online-Petition, um den Coach im Amt zu halten. Und während der 47-Jährige nach dem 3:1 gegen Hertha BSC am Samstag in jedes Mikrofon sagte, er sei "ein Diener des Vereins", rührten die Spieler nicht gerade die Trommel für Herrlich: "Ich habe hier schon einige Trainer erlebt", sagte Brandt, 22, kühl, "es macht keinen Sinn, sich darüber einen Kopf zu machen. Die Verantwortlichen werden die richtige Entscheidung treffen. Mir ist relativ wurscht, ob sie sich jetzt noch zusammensetzen und analysieren." Sein erneut überragender Mittelfeld-Partner Kai Havertz sagte, er halte sich aus dem Thema raus: "Das können wir sowieso nicht beeinflussen."

Das allerdings ist nicht ganz richtig, denn das Leverkusener Problem ist ja auch, dass die Mannschaft den Trainer oft schlecht aussehen ließ, indem sie in einigen Momenten zeigte, was sie kann - und damit zugleich das Rätsel aufwarf, warum sie dies nicht häufiger tat. "Wir sind nicht immer an unsere Leistungsgrenze gegangen", gab der 19 Jahre alte Havertz zu, und irgendwann waren die Verantwortlichen der Ansicht, dass das sehr wohl mit dem Trainer zu tun hatte - auch wenn Rudi Völler am Sonntag sonderbare Dinge kundtat wie: "Man muss nicht immer nach Niederlagen handeln (...) Ich hätte gerne mit Heiko weitergemacht", aber die Diskussionen um ihn, "die wir nicht verursacht haben", seien zu extrem geworden. Zum Glück, so Völler, sei man nach der jüngsten Serie "gar nicht so weit weg" von den eigenen Zielen. Sie zu erreichen, traute man dem Trainer Herrlich aber nicht mehr zu.

Im ersten Spiel nach der kurzen Winterpause empfangen Bosz und Bayer 04 übrigens den Tabellendritten Mönchengladbach, danach geht es nach Wolfsburg und gegen den FC Bayern. Man kann es auch einfacher haben.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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