Leipzig gegen Köln:Timo Werner und die Rückkehr des Flutschfingers

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Tor zum Einstand, auch wenn der Torhüter mithalf: Timo Werner spielt wieder Bundesliga. (Foto: Jan Huebner/Imago)

Beim Bundesliga-Comeback des Stürmers gelingt ihm ein Tor, auch wenn der Kölner Torwart dabei eine große Rolle spielt. Beide Trainer sehen in dem ereignisreichen Unentschieden positive Aspekte - doch Leipzig fehlen unterm Strich vier Punkte.

Von Cornelius Pollmer, Leipzig

Wenn Timo Werner am Sonntag von treusorgenden Freunden gefragt wird, wie seine Woche denn so gewesen sei, dann hat er doch etwas mehr zu erzählen als sonst. Am Dienstag wurde der 20 Millionen Euro schwere Wechsel des Stürmers vom FC Chelsea zurück zu RB vermeldet, am Mittwoch saß er das erste Mal wieder vor journalistischem Publikum im Trainingszentrum am Leipziger Cottaweg und sprach über seine Zeit bereits so lässig, als sei er nur von einem Gap Year zurückgekehrt. Sooooo schlimm sei es da in London ja nun nicht gewesen, und sein Englisch, das sei auch besser geworden.

Im übrigen, so Werner, komme er zurück als jemand, der die Champions League gewonnen und in England mutmaßlich einen Rekord aufgestellt habe für den Spieler, dem die meisten Treffer durch Videoschiedsrichterei aberkannt worden seien. Am Samstag nun, da war die Woche immer noch nicht zu Ende, stand Werner gleich in der Startelf von RB gegen den 1. FC Köln, jenen Verein, der von Steffen Baumgart trainiert wird, den man wegen seiner erfolgreichen Arbeit beim FC längst zum Schiebermützenträger des Jahres hätte küren müssen, gäbe es diesen Titel denn.

Stattdessen erhielt kurz vor dem Spiel Leipzigs Allround-Wunder Christopher Nkunku die Auszeichnung zum Spieler des Jahres 2022, und in Minute 15 fand dann fast alles Genannte ein erstes Mal sinnfällig zueinander: Werner auf Nkunku, Nkunku ins Tor, Videoschiedsrichter so: nö. Abseits. Erleichterung unter Baumgarts Mütze.

Aber wenn die Technik schon keine Geschenke macht, darf man doch manchmal auf das hoffen, was etwas abschätzig "Faktor Mensch" genannt wird. In diesem Fall machte Kölns Keeper Marvin Schwäbe in der 36. Minute die Rückkehr des Flutschfingers an diesem Sommerwochenende perfekt. Nachdem tags zuvor schon Freiburgs Mark Flekken einen eigentlich leichten Ball unglücklich kassiert hatte, rutschte nun Schwäbe ein ziemlich lösbarer Distanzball Werners durch. Für Werner war das auch deswegen praktisch, weil er im gesamten Spielverlauf keine einzige Strafraumaktion hatte, so aber in der 67. Minute eben dennoch als Torschütze vom Platz gehen durfte. Es kam der im Folgenden etwas gehemmt auftretende André Silva.

Leipzig verpasst nach der Führung sowohl das Höchst- als auch das Mindestziel

Nach Werners 1:0 folgten die sonderbarsten und sicher auch interessantesten Minuten dieses insgesamt ereignisreichen und sehenswerten Spiels, in dem Köln erwartungsgemäß versuchte, mit allen möglichen Hereingaben von den Außen Situationen zu verschärfen. Und in dem das Leipziger Publikum das offensive Potenzial im Zusammenspiel von Nkunku, Werner und dem starken Dani Olmo sehen konnte.

In den zehn Minuten nach dem 1:0 jedenfalls parierte der zuvor glasklar gegentorverantwortliche Schwäbe bärenstark, ach was, mindestens drei-Bären-stark gegen Nkunku. Das 2:0, so Tedesco nach dem Spiel, wäre in dieser Situation das Höchstziel gewesen - das Mindestziel, nicht im Konter das 1:1 zu fangen, was aber durch den guten Florian Dietz passierte (40.), logischerweise nach einer Hereingabe von außen.

Ungläubiger Blick: Leipzigs Dominik Szoboszlai (links) sah kurz vor der Halbzeit die Rote Karte. (Foto: Roger Petzsche/Imago)

In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit verlor dann Dominik Szoboszlai recht überraschend und ohne Not einen Teil seiner Nerven. Nach dem Spiel gab es zwar weitgehend Einigkeit, dass es eher eine Schiebe- als eine Schlagbewegung gewesen und die folgende rote Karte sicher eine harte Entscheidung gewesen sei - am Ende stimmt aber auch, dass Szoboszlais Arm am Hals des Gegners war und dass er dort nicht hingehörte.

1:1 statt 2:0, und dann auch noch in Unterzahl, wie macht man da weiter? Tedesco wechselte schlüssig unter anderem Joško Gvardiol ein, als kompromisslosen Türsteher hinten in der durchaus zittrigen Fünferkette. Und auch wegen des zweiten Wechsels - fürs Zentrum kam der Räume zulaufende Kevin Kampl - war Leipzig zunächst sogar feldüberlegen und erzielte mit einem Lehrbuchangriff das 2:1, Torschütze: der erst schön kreuzende, dann locker ins lange Eck verwandelnde Spieler des Jahres Nkunku.

Aber Köln hatte ein zweites Mal die Kraft, den Rückstand auszugleichen - wenngleich in einer Weise, die Tedesco nach dem Spiel zurecht "bitter" nannte: Keine aus Kölner Überzahl generierte Angriffssituation brachte das 2:2, sondern eine Ecke, die von Gvardiol unglücklich ins eigene Tor verbracht wurde (72.).

Josko Gvardiol (rechts) bugsierte einen Eckball ins eigene Tor. (Foto: Karina Hessland/Imago)

An dieser Stelle seines Wochenberichts nun könnte Timo Werner sagen, dass er gerne noch ein bisschen länger auf dem Feld geblieben wäre, denn Leipzig vermochte auf den Ausgleich nicht mehr zu reagieren - und hat nach zwei Spieltagen bereits vier Punkte liegen lassen. Mit dem Wort "Fehlstart" beworfen, sagte Tedesco, wenn man sich die Punkte anschaue, "zwei von möglichen sechs, dann ist es natürlich ein Fehlstart". Wenn er sich hingegen das "Wie" anschaue, im Sinne der Spielweise, dann müsse er sagen: "schon alles ok", die Verteidigung womöglich ein wenig ausgenommen.

Steffen Baumgart hingegen sagte, es sei "aus meiner Sicht ein gutes Spiel, ein sehr gutes Spiel" gewesen. Er meint damit sicher auch die vier Punkte, die Köln nach zwei nicht leichten Spielen zu Beginn dieser Saison bereits verbuchen kann - aber er meint zudem das Spiel als Ganzes, das auch dem Stürmer Timo Werner weiter Lust auf die Bundesliga bereitet haben dürfte.

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