Kölner Debakel in Leipzig:Mehr Sünden als im Karneval

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Da helfen auch Gebete nichts mehr: Kölns Trainer Steffen Baumgart sieht beim 0:6 in Leipzig eine Nicht-Leistung seiner Mannschaft. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Beim 0:6 in Leipzig erleidet der 1. FC Köln die schlimmste Abreibung seit mehr als einem halben Jahrhundert - Trainer Steffen Baumgart lässt seinem Frust freien Lauf. Und auch Leipzig ist trotz einer phasenweise brillanten Vorstellung betrübt.

Von Javier Cáceres, Leipzig

Manche Dinge nimmt der Kölner Trainer Steffen Baumgart persönlich, und er hält mit seiner Meinung dann auch nicht zurück. Im Gegenteil: Seinen Unmut weiß er in der ihm eigenen, direkten Sprache auszudrücken, in unmissverständlichen Worten. So wie am Samstag, nachdem der 1. FC Köln die Visite beim Champions-League-Aspiranten RB Leipzig mit einem 0:6 beendet hatte - und damit sogar noch gut bedient war, wie Kölns Sportchef Christian Keller erklärte.

Es könne passieren, sagte Baumgart, "dass wir den Arsch vollkriegen", wenn man auf Teams der Kategorie des aktuellen Pokalsiegers treffe und diese auch noch ihre Qualität abriefen. Damit müsse und werde man leben. "Womit ich nicht leben kann, und das ist auch in aller Deutlichkeit ganz klar angesagt, dass du aufhörst oder jeder für sich auf dem Platz läuft", sagte Baumgart. Gegen Leipzig hatte der Kölner Trainer genau das in zu vielen Phasen des Spiels gesehen; vor allem in den Minuten nach dem zweiten Leipziger Treffer durch Loïs Openda (40.), der den FC zusammenbrechen ließ.

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Denn bis zur Halbzeit folgten noch die Gegentreffer drei (David Raum/43.) und vier (Openda/45.+2). Zuvor hatte Timo Werner per Elfmeter (15.) getroffen. So stelle er sich Fußball nicht vor, unterstrich Baumgart und meinte damit auch die finalen Minuten, in denen Benjamin Sesko und Christoph Baumgartner für einen beschämenden Endstand sorgten. Der daheim gern als mächtig apostrophierte "Effzeh" ist nun Vorletzter, mit gerade mal vier Punkten aus neun Spielen und 7:21 Toren.

Wie geladen Baumgart ob der Vorstellung seines Teams gewesen war, zeigte sich an dem Ausbruch, den er auf die gelbrote Karte für den eingewechselten Mathias Olesen (80.) folgen ließ. Baumgart tippte sich im Dialog mit dem vierten Offiziellen an die Stirn und war mit einer Verwarnung noch bestens bedient; später ließ er allerdings ein Entschuldigungsgesuch an das Schiedsrichterteam folgen, weil er einsehen musste, dass Olesen bei der zweiten gelben Karte den Leipziger Verteidiger Mohamed Simakan tatsächlich am Knie getroffen und ihm eine kleine Wunde zugefügt hatte.

Simons und Openda harmonieren besser als Bonnie & Clyde

Ein weiteres Indiz für die monumentale Verärgerung über die schlimmste Kölner Niederlage seit dem 0:7 gegen den FC Bayern vor mehr als 50 Jahren war, dass Baumgart die Mannschaft nach dem Schlusspfiff zusammenrief und sie coram publico augenscheinlich scharf zurechtwies. In welchen Worten das geschah, behielt er für sich - was auf dem Platz gesagt wird, bleibt auf dem Platz. Er bestätigte lediglich das Offensichtliche, sprich: dass er emotional geworden war. Lizenzspieler-Chef Thomas Kessler, der zu den Ohrenzeugen gehörte, dürfte zumindest einen Teil der Botschaft übermittelt haben, als er nach dem Spiel vor den Medien zu Protokoll gab, das Kölner Team habe viele Sünden begangen, die man sich "in der Bundesliga überhaupt nicht erlauben" dürfe (und am Dienstag im Pokal beim 1. FC Kaiserslautern wohl auch nicht). Der eine oder andere leistete sich gar mehr Sünden als im Karneval die ganze Stadt.

Kesslers Bemerkung war richtig. Nicht zuletzt, weil sich Kölns Defensive teilweise absurde individuelle Fehler leistete. In ihrer Absolutheit aber bewegte sich Kesslers Diktum latent an einem Delikt der Unterschlagung. Denn zur Wahrheit des Samstags gehörte auch, dass die hochwertigeren Leipziger über die gesamte Spieldauer hinweg einen sehr guten, harmonischen und resoluten Vortrag geliefert - und phasenweise sogar brillant gespielt hatten. Das galt insbesondere für Xavi Simons und Openda, die miteinander noch besser harmonierten als Bonnie & Clyde. Und die jeden Applaus verdient hatten. "Wir haben ein richtig, richtig, richtig gutes Spiel absolviert", sagte Openda.

In Leipzig haben sie Xavi Simons (2. v. r.) sehr lieb. (Foto: Ronny Hartmann/AFP)

Seine beiden Treffer folgten spektakulären Vorbereitungen Xavis, der in Leipzig im Grunde schon jetzt vermisst wird. Der niederländische Nationalspieler ist eine Leihgabe von Paris Saint-Germain und dürfte in Anbetracht seiner außergewöhnlichen Leistungen an die Seine zurückbeordert werden. Auch wegen ihm durfte Leipzigs Trainer Marco Rose seiner Mannschaft attestieren, "ein Topspiel" gezeigt zu haben.

Und dennoch: Roses Sinne trübten sich ob der neuerlichen Verletzung des gerade erst von einer Knieblessur genesenen Dani Olmo. Am Samstag sollte der Spanier eine halbe Stunde lang spielen. Doch wenige Minuten nach seiner Einwechslung musste er den Platz wieder verlassen. Nach einem Foul stürzte er auf die linke Schulter; seit Sonntag steht fest, dass die Hinrunde für den spanischen Nationalspieler gelaufen ist. Er erlitt eine Schultereckgelenkssprengung und muss operiert werden. Die Folge: vier bis sechs Wochen Pause. Mindestens. Bis Olmo wieder voll einsatzfähig ist, können sogar drei Monate ins Land gehen. "Das ist für mich echt schwer zu ertragen, für den Jungen auch", sagte Rose am Samstag - und bezog das nicht nur auf das Pokalduell beim VfL Wolfsburg, das am Dienstag ansteht.

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