Leichtathletik-WM: Usain Bolt:Der Wundermann aus der Karibik

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Usain Bolt ist nach seinem Weltrekord von 9,58 Sekunden fast schon eine Sportlegende - und wirkt wie ein Junge auf dem Weg in die Disko. Und spricht von noch schnelleren Zeiten.

Thomas Hummel

Die Geschichte des Tages dauert sehr viel länger als 9,58 Sekunden. Die Geschichte des Tages handelt davon, dass Usain Bolt behauptet, er wäre in diesen Tagen in Berlin in einem McDonalds gewesen, um ein paar Chicken Nuggets zu essen. Wie schon so oft vor großen Rennen, wie beispielweise auch vor seinem Olympiasieg in Peking.

Usain Bolt nach seinem Weltrekordlauf. (Foto: Foto: Getty)

Man muss sich das also so vorstellen, dass Usain Bolt in ein Berliner Schnellrestaurant marschierte, etwas Fast-Food verdrückte und sich dabei vermutlich dachte: Bald werde ich es der Welt mal wieder zeigen. Am Sonntagabend um Mitternacht kam dann nicht Bolt, sondern kamen etliche Menschen aus einem Schnellrestaurant am Zoologischen Garten, die sich diese albernen "Bolt-Arme" auf den Rücken geschnallt hatten. Zwei Schaumstoffarme, welche die Siegerpose des Jamaikaners imitieren. Denn Usain Bolt, 22-jähriger Sprinter aus Trelawny, Jamaika, hatte es der Welt gezeigt. Und wie.

Bolt ist an diesem Abend im Berliner Olympiastadion die 100-Meter-Strecke so schnell gelaufen wie nie ein Mensch vor ihm. 9,58 Sekunden, noch einmal elf Hundertstel Sekunden schneller als bei seinem bisherigeren Weltrekord bei Olympia vor einem Jahr. Elf Hundertstel sind in dieser Disziplin eigentlich eine Ewigkeit.

Ob er denn nun schon die Sportlegende sei, die er einst werden will, wurde Bolt danach gefragt. Antwort: "Es geht in diese Richtung", sagte er, wenngleich mehr als nur zwei gute Saisons dazu nötig seien. Wenn er sich da mal nicht täuscht.

Als sich Usain Bolt nach den Rennen in jede Ecke des Stadions bewegte, feierten ihn die 51.000 Zuschauer fast frenetisch. Dass der zweitplatzierte Amerikaner Tyson Gay trotz Schmerzen in der Leiste mit 9,71 nun der zweitschnellste Mensch aller Zeiten ist, interessierte kaum einen. Der Lauf von Asafa Powell (Jamaika) als Dritter mit 9,84 kann auch nicht als Bummel interpretiert werden. Doch sie alle waren ohne Chance auf Aufmerksamkeit.

Als Usain Bolt dann von einem Interview zum nächsten gereicht wurde und er seinen Blick hob, hoben hinter den Kameras und Mikrofonen kreischende Fan-Chöre an. Als ein paar hundert Journalisten auf die Pressekonferenz warteten, waren von draußen unregelmäßig Schreie zu vernehmen: Sie kündeten vom Kommen des Stars. Im Pressezelt bauten ein paar Helfer hektisch das Podium um, weil noch fix eine "World-Record"-Wand installiert werden sollte.

Dann schritten die drei Medaillengewinner auf das Podium, Usain Bolt wirkte dort oben wie ein aufgekratzter Junge, der später noch in die Disko geht. Oder zum Nuggets-Essen. "Ich lebe für die Leichtathletik. Die Duelle mit Tyson und Asafa sind toll, das wollen die Leute sehen. Und wir können das Leben genießen", sagte er. Da mussten auch Gay und Powell lachen. Die 100.000 Dollar als Weltrekord-Prämie bekommt Usain Bolt jedenfalls für sich allein. Auch wenn Powell demonstrativ die Hand aufhielt.

Trotz aller Zweifel und allen Staunens kam Bolts neue Bestmarke eigentlich nicht überraschend. In Peking war er mit offenen Schnürsenkeln 9,69 Sekunden gelaufen und hatte sich dabei schon 20 Meter vor dem Ziel seitlich gedreht auf die Brust geklopft. Im Halbfinale am Sonntag trudelte er flockig leicht nach 9,89 Sekunden ins Ziel. Spätestens da ahnten die Ersten, was passieren könnte.

Woher der Wundermann Usain Bolt diese Kraft nimmt, die Dimensionen im Sprint derart zu verschieben - es ist sein Geheimnis. Alle Verdächtigungen, diese Zeiten seien doch nicht möglich und die magischen Läufe basierten auch auf unerlaubten leistungssteigernden Mitteln, prallen an ihm und dem ziemlich lasch kontrollierenden Weltverband IAAF ab. Nichts ist bewiesen, niemand weiß etwas. Biomechaniker sprechen von seinen langen Beinen, die ihm eine weite Schrittlänge erlauben. Manche sagen, er laufe so schön wie der Vogel Strauß.

Sicher ist nur, dass bei momentaner Sachlage der 100-Meter-Wettbewerb allein ihm gehört. In Berlin war der Sprint von der ersten Runde am Samstagmorgen bis zum Finale eine große Show des Jamaikaners. Er schnitt Grimassen in die Kameras, lächelte junge Frauen charmant an, und ab 60 Meter Renndistanz schenkte er seinen Konkurrenten ein Augenzwinkern. "Ich trainiere das ganze Jahr, und wenn ich in den Startblock gehe, weiß ich, was ich tun muss. Da kann ich vorher und hinterher Späße treiben."

Erst im Finale zog er durch. Es schien, als hätte er sich wirklich einmal angestrengt. Er nutzte den für seine Verhältnisse guten Start zur schnellen Führung und distanzierte am Ende die Welt. Selbst in Zeitlupe aber wirkte der Hüne dabei noch locker, verzog kaum die Gesichtsmuskeln. Und so ließen sich immer noch ein paar Hundertstel an Puffer vermuten. Wie schnell er denn noch laufen könne?

"Alles ist möglich", sagte der neue Weltmeister, "9,5 wären definitiv eine große Sache."

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