Leichtathletik-WM:"Auch Ali hat seinen letzten Kampf verloren"

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Noch einmal eine Ehrenrunde: Usain Bolt am Sonntag in London. (Foto: Getty Images)

Usain Bolt dreht in London eine letzte Ehrenrunde und erzählt, wie er seinen dramatischen Abgang erlebte - und dass er nun erst einmal ein paar Drinks nehmen will.

Aufgezeichnet von Saskia Aleythe, London

London, 13. August 2017, 21.45 Uhr: Usain Bolt betritt den Pressekonferenz-Raum im Londoner Stadion, er ist so gut gefüllt wie die ganze WM über nicht. Etwa 80 internationale Journalisten sitzen, kauern auf dem Boden oder stehen, ein Dutzend Kameras filmen, wie der Jamaikaner das kleine Podest betritt und sich behutsam auf den Stuhl sinken lässt. Am Vortag war er bei seinem letzten Rennen im Endspurt um eine Medaille über 4x100 Meter mit einem Krampf im Oberschenkel zu Boden gegangen und verschwand später wortlos und humpelnd aus dem Stadion. So tritt ein Usain Bolt freilich nicht ab. Am Schlusstag der WM dreht er noch einmal eine Ehrenrunde im Stadion, der DJ hat die Bob-Marley-Best-Of-CD eingelegt.

Bolt läuft betrübt die Bahn ab, die Zuschauer jubeln, erst am Ende lacht er drei Mal: für die Kameras, als er seinen Bogenschützen nochmal aufzieht. Dann redet er im Stadioninneren ein letztes Mal, die Moderatorin kündigt an, er hätte 13 Minuten Zeit, daraus werden dann doch 25. "Die ganze Welt war gestern traurig, als du gefallen bist", leitet ein Journalist seine Frage ein, beim Interviewen von Usain Bolt kommt so mancher Fan in den Kollegen durch (bei Olympia in Rio rappte ihm ein Reporter aus Norwegen ein Lied). Am Ende der Pressekonferenz werden viele klatschen. Was Usain Bolt noch zu sagen hatte:

Wie war die Ehrenrunde im Stadion?

Brillant. Die Unterstützung der Fans ist immer noch die gleiche. Sie standen alle, ich liebe sie alle, ich habe mich so willkommen gefühlt.

Bei der Markierungslinie des 200-Meter- und 100-Meter-Starts haben Sie sich niedergekniet und bekreuzigt. Was ist Ihnen da durch den Kopf gegangen?

Ich habe mich von meinen Rennen verabschiedet. Das waren die zwei Strecken, die ich dominiert habe jahrelang. In diesen Momenten habe ich "Auf Wiedersehen" gesagt zu alldem. Ich habe fast geweint, ich war nah dran.

Das Staffelrennen ist anders ausgegangen als erwartet. Wie haben Sie die letzten 24 Stunden erlebt?

Nach der Verletzung wollte ich nur so schnell wie möglich nach Hause und mich behandeln lassen. Ich habe mit ein paar Leuten geschrieben, die besorgt waren. Dann habe ich geschlafen und mich nochmal behandeln lassen. Ich habe versucht, es leicht zu nehmen. Es wird sich die Tage zeigen, ob es doch schlimmer ist als gedacht.

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Ihre Teamkollegen und auch Sprinter der amerikanischen Staffel haben angesprochen, dass sie ungewöhnlich lange vor dem Rennen warten mussten und auskühlten.

Ja, das war ungewöhnlich lange. Mein Trainer hat mir gesagt, bleib so warm wie möglich, dehne dich zwischendurch. Als wir rausgerufen wurden in den Gang zum Einlaufen, mussten wir noch zehn bis 15 Minuten warten. Es hat gezogen. Es wurde entschieden, erst noch Siegerehrungen zu machen. Was kann ich da machen? Wir sind Athleten und müssen uns an die Regeln halten.

Sie haben mal gesagt, sie wollen aufhören bevor Sie anfangen, zu verlieren. Wie hart ist es nun, mit so viel Pech abzutreten?

Ich glaube nicht, dass eine einzige Weltmeisterschaft etwas daran ändert, was ich geleistet habe. Nachdem ich die 100 Meter verloren habe, hat jemand zu mir gesagt: Usain, keine Sorge, Muhammad Ali hat seinen letzten Kampf auch verloren. Ich habe mich selber Jahr für Jahr behauptet. Alles passiert aus einem bestimmten Grund, so schaue ich auf das Leben.

Nach Olympia in Rio hätten Sie ungeschlagen gehen können. Bereuen Sie es, noch weitergemacht zu haben?

Nein, mir geht es gut mit der Entscheidung. Meine Fans wollten mich noch ein Jahr länger, ohne sie hätte ich meine Ziele nie erreicht. Ohne sie hätte ich mich nicht immer wieder zu dem motivieren können, was nötig war, um noch einmal anzutreten. Ich bin hierher gekommen und habe ihnen noch einmal die Show gegeben, die sie wollten. Damit geht es mir gut.

Welches Vermächtnis werden Sie Ihrem Sport hinterlassen?

Ich habe gezeigt, dass mit harter Arbeit alles möglich ist. Kinder können davon lernen, dass sie immer weiter machen müssen, um etwas zu erreichen. Ich finde, das ist eine gute Botschaft an die Jugend: Arbeite hart, sei stark und halte durch.

Bleiben Sie dem Sport in irgendeiner Funktion erhalten?

Ich weiß es noch nicht genau, aber wir werden schauen, wie ich dem Sport am besten helfen kann. Ich freue mich darauf, ich liebe Leichtathletik, der Sport hat mir alles gegeben, was ich habe. Meine Trainer wollen auch, dass ich Co-Trainer werde, aber mal sehen.

Was werden Sie an Ihrem neuen Leben genießen?

Einfach frei zu sein. Mein ganzes Leben schon mache ich Leichtathletik, seit ich zehn Jahre alt war. Ich kenne nichts anderes. Jetzt will ich mich erholen, einfach Spaß haben und ein bisschen leben. Party machen, ausgehen. Das brauch ich jetzt, einen Drink nehmen. Ich bin happy.

Wenn Sie 20 Jahre weiterdenken: Was stellen Sie sich da vor?

Puh, 20 Jahre, keine Ahnung. Hoffentlich drei Kinder haben, verheiratet sein, versuchen, dem Sport zu helfen und zu sehen, wie er sich entwickelt. Leichtathletik ist sehr hart. Ich werde meine Kinder nicht dazu zwingen, aber wenn sie wollen, zeige ich ihnen den Sport.

In Ihrer Karriere war Doping in der Leichtathletik immer ein großes Thema. Was muss passieren, damit ihre nachfolgende Generation nicht mehr damit umzugehen hat?

Ich war immer gegen Doping und für lebenslange Sperren für Betrüger. Wir haben den Tiefpunkt erreicht in den letzten zwei Jahren, jetzt sind wir wieder auf dem Weg nach oben. Wir müssen alles tun, um den Sport wieder in ein gutes Licht zu führen. Ich habe der Welt gezeigt, dass man ohne Doping gut sein kann. Ich hoffe, dass der Nachwuchs mich sieht und das begreift. Das ist eines der Dinge, bei denen ich auch helfen will: Kindern beizubringen, was alles möglich ist.

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