Lance Armstrong:Abgestürzter Superman packt aus

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Lance Armstrong, einst siebenmaliger Tour-de-France-Sieger. (Foto: Gabriel Bouys/AFP)

Lance Armstrong nennt unter Eid erstmals Hintermänner seiner Doping-Vergehen. Eine Reduzierung seines Strafmaßes ist trotz der plötzlichen Kooperation unwahrscheinlich. Dafür bringt er mit seinen Aussagen den Rad-Weltverband UCI in Bedrängnis.

Von Thomas Kistner

Lance Armstrong hat ausgepackt, er hat die Namen der Leute genannt, die ihm bei seinem groß angelegten, jahrelangen Doping-Betrug zur Hand gegangen waren. Die späte Offenheit werde ihm allerdings auch nicht mehr zu einer Reduzierung seiner lebenslangen Sperre verhelfen können, prognostizieren amerikanische Medien, die als erste darüber berichteten.

Doch um eine mögliche Verkürzung seiner Verbannung aus dem Radsport sei es Armstrong gar nicht gegangen, halten nun intime Kenner der Vorgänge fest. Vielmehr habe es Armstrong bei einer Anhörung vor einigen Monaten schlicht nicht gewagt, unter Eid falsch auszusagen - "weil er dieses Mal, anders als zuvor, für eine Falschaussage hätte haftbar gemacht werden können und sogar mit Gefängnis rechnen musste".

In den USA sind Falschaussagen vor dem Richter kein Kavaliersdelikt wie unter anderem hierzulande, wo sich Jan Ullrich mit der Zahlung von ein paar Tausend Euro aus der Bredouille kaufen konnte. Amerikas scharfe Gesetze machen auch nicht vor lügenden Sport-Ikonen Halt, besonders schmerzlich erfahren musste das die dreifache Sprint-Olympiasiegerin Marion Jones, die unter Eid gelogen hatte und für einige Monate ins Gefängnis musste - obwohl sie gerade Mutter geworden war.

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Armstrongs neue Ängste sind insofern gut nachvollziehbar. Umso ärgerlicher, sagen Eingeweihte, sei jetzt für den tief gefallenen, siebenmaligen Gewinner der Tour de France, dass sein Geständnis überhaupt ans Licht kam. Zumal ja gerade in Armstrongs Leben und Karriere der Begriff "Verrat" stets eine schicksalhafte Bedeutung innehatte: Unvergessen sind all seine Mobbing-Attacken gegen Radprofis, die sich der Wahrheit verpflichtet sahen und die dafür vom anerkannten Rudelführer des Pelotons teils sogar während der Rennen gestellt und bedroht worden waren.

Mittlerweile beugt sich auch der abgestürzte Superman aus Texas, Radl-Kamerad früherer US-Präsidenten und Tischgenosse des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, den juristischen Realitäten. Der Tageszeitung USA Today zufolge hat er schon im vergangenen November - unter Eid - detaillierte Auskünfte über Hintermänner und Heloten gemacht. An den Pranger gestellt habe er demnach Trainer Pepi Marti, dazu die einschlägig bekannten Sportmediziner Pedro Celaya, Luis Garcia del Moral und Michele Ferrari. Die beiden Spanier und der Italiener Ferrari - Spitzname "Dottore Epo" - sollen den langjährigen Alleinherrscher über die Tour de France mit Dopingmitteln und -wissen versorgt haben.

Publik wurde die schriftliche Aussage, da sie der Anwalt des einstigen Armstrong-Teamkollegen Floyd Landis im Rahmen eines anderen Prozesses beizog. Die Kurierdienste bei der Beschaffung der Dopingmittel hätten demnach die Physiotherapeutin Emma O'Reilly, der Mechaniker Julien de Vriese sowie Philippe Maire versehen; die irische Masseurin hatte Armstrong schon vor Jahres des Sportbetrugs bezichtigt, war damit allerdings kaum durchgedrungen in der Radsportszene.

Und natürlich soll auch Armstrongs langjähriger Freund und Teamchef Johan Bruyneel explizit in das verbotene Treiben eingeweiht gewesen sein. Der Belgier habe "beim Einsatz von Dopingmitteln teilgenommen oder assistiert", soll Armstrong unter Eid zu Protokoll gegeben haben. Das ist besonders delikat, weil damit eine weitere Zentralfigur des Radsports der letzten zwei Jahrzehnte wankt. Bruyneel, früher Chef von US Postal, Discovery Channel, Astana und RadioShack, hat eine Mittäterschaft bei Verhandlungen mit der US-Anti-Doping-Agentur Usada stets strikt von sich gewiesen.

Armstrong hatte seine Aussagen im Betrugsprozess mit der Versicherungsgesellschaft Acceptance Insurance Company gemacht. Teil des Deals war laut USA Today, dass die Namen der Beschuldigten unter Verschluss bleiben sollten. AIC hatte die Rückzahlung eines Bonus von drei Millionen Dollar gefordert, weil sie ob der Tatsache, dass Armstrong Doping von 1999 bis 2001 betrieben hatte, keine Geschäftsbasis mehr sah. Publik wurde Armstrongs Beichte jetzt nur, weil der Anwalt seines Ex-Teamgefährten Floyd Landis die Mitsünder in einem anderen Verfahren zitierte.

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Um weit mehr geht es für Armstrong im nächsten Schadenersatz-Prozess. Hier will der Versicherer SCA, ebenfalls per Schiedsverfahren, insgesamt 13,8 Millionen Dollar eintreiben; SCA hatte Armstrongs Tour-Siegprämien von 2002 bis 2005 bezahlt. Derzeit schöpft er alle Rechtsmittel aus, "um das Schiedsverfahren als Lösung auszuschalten", teilt ein SCA-Sprecher mit, es sei eine "Verzögerungsstrategie".

Unter Eid hatte Armstrong den Gerichtspapieren zufolge auch erklärt, er habe beim Comeback 2009 und 2010 nie gedopt. Er habe auch nie Personen für ihr Schweigen bezahlt. Allerdings habe er "Beiträge und Gaben an Personen und Institutionen geleistet, die von Armstrongs Doping wussten oder es vermutet hatten". Das führt dorthin, wo nicht nur die Usada den Kern der Betrugsverschwörung vermutet: Zum Radweltverband UCI, dessen langjähriger Boss Hein Verbruggen ein enger Kumpel Armstrongs war. Wiederholt erhielt die UCI Spenden im sechsstelligen Bereich vom Texaner, ohne dass sie klar machen konnte, warum. Und vor allem: wofür.

© SZ vom 11.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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