Kritiker beim FC Bayern:Gurus mit expliziten Ansichten

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In dieser Saison arbeiten auffällig viele ehemalige Spieler des FC Bayern als Experten, sie versorgen den Klub nahezu täglich auf allen medialen Transportwegen mit Ratschlägen, Prognosen und Kritik. Der Klub reagiert spitz - vor allem Mehmet Scholl muss sich entscheiden.

Benedikt Warmbrunn

Thomas Müller hatte am Donnerstag Geburtstag, er ist 23 Jahre alt geworden, und ein großes Thema war da auch, wer ihm nicht gratuliert hat. Mehmet Scholl zum Beispiel hatte zumindest bis zur Mittagsstunde keine Glückwünsche ausgerichtet. Das Geburtstagskind selbst fand dies nicht weiter tragisch, Müller sagte, dass er Scholl eben noch nicht getroffen habe.

Zwei Verträge, einer beim FC Bayern, einer bei der ARD: Mehmet Scholl. (Foto: ddp)

Aber um die Gratulationen ging es ja auch nur oberflächlich. Dass Müller sich zu Mehmet Scholl äußern musste, das ist vielmehr Ausdruck einer allgemeinen Stimmungslage beim FC Bayern.

In dieser Saison arbeiten auffällig viele ehemalige Spieler des Vereins als Experten, sie versorgen den Klub nahezu täglich auf allen nur denkbaren medialen Transportwegen mit Ratschlägen, Prognosen und Kritik. Und obwohl es beim FC Bayern in der Startphase der Saison gut läuft, herrscht so ständiger Rede- und Rechtfertigungsbedarf. Mehmet Scholl machte da gewissermaßen den Anfang, als er im Juni nach dem ersten EM-Spiel der deutschen Nationalelf die Spielweise von FC-Bayern-Stürmer Mario Gomez ("wund gelegen") kritisierte.

Und er entfachte auch die jüngste Diskussion. Nach dem mühsamen 2:1- Sieg der Nationalelf am Dienstag in Österreich hatte Müller auf kritische Fragen eines ARD-Reporters geantwortet: "Wir haben 2:1 gewonnen, das lasse ich mir von keinem kaputtmachen." Scholl, der Experte des Senders, sagte dazu wenige Sekunden später: "Mir gefällt nicht die Art und Weise, wie Müller das erklärt hat."

Scholl nimmt nun unter den FC-Bayern-Gurus eine Sonderposition ein, das liegt zum einen daran, dass er nicht so oberlehrerhaft auftritt, sondern wie schon als Spieler eine durchaus unterhaltsame, freche Art hat, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Zum anderen ist Scholl aber in seinem (ebenfalls gut dotierten) Hauptberuf Trainer, und zwar beim FC Bayern München II.

FC Bayern in der Einzelkritik
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Der FC Bayern bereitet seinem Neuling einen freudigen Einstand: Franck Ribéry überzeugt im Krabbeltraining, Jérôme Boateng bekommt den Zorn der Stuttgarter zu spüren, Luiz Gustavo feiert seinen Abschied als Münchner Stammspieler. Die Bayern beim 6:1 gegen Stuttgart in der Einzelkritik.

Maik Rosner

Müller sagte am Donnerstag, dass die Aussagen des Trainer-Experten für ihn "kein Thema" seien: "Das ist sein Job." Er berührte damit aber genau jenen Punkt, um den es in der Diskussion um Scholl geht: Spricht da nun der TV-Kommentator? Spricht der Klub-Angestellte? Oder lässt sich das gerade wieder nicht so recht auseinanderhalten? Müller, dessen Ende in der zweiten Bayern-Mannschaft mit den Anfängen von Scholls erster Amtszeit zusammenfiel, findet, dass dies eine "ungewöhnliche Konstellation" sei, die "nicht optimal ist". All die Experten seien aber "eher ein Thema des Vereins, nicht der Spieler".

Der Flügelflitzer, 13 Sekunden für die Ewigkeit (Video: Süddeutsche.de)

Die Sache mit den Gurus hat sich jüngst so entwickelt, dass sich nun Karl-Heinz Rummenigge im Vorwort des Stadionhefts für das Heimspiel am Samstag gegen Mainz ausführlich zu all den "sogenannten Experten" äußert. Der Vorstandsvorsitzende thematisiert darin in süffisantem Tonfall die Aussagen rund um den 40-Millionen-Euro-Zugang Javier Martínez. Er wundert sich etwa, dass "der frühere Weltklassefußballer Thomas Berthold, der zu seiner Zeit bei Bayern München die Massen in Ekstase versetzte", sich selbst in Kommentaren über den finanziellen Wert von Martínez widerspreche.

Auch "unser alter Freund Lothar Matthäus" wird erwähnt, die "Thesen Oliver Kahns" oder Thomas Helmer "mit seiner spitzfindigen Art".

Rummenigge entlädt in seinem Vorwort fürs breite Publikum reichlich Unmut über die Seitenwechsler aus dem eigenen Verein, er schreibt: "Grundvoraussetzung für so einen Job ist ja: Man muss einmal im Leben beim FC Bayern München gespielt haben, dann ist man qualifiziert als Experte. (. . .) Manchmal habe ich das Gefühl: Viele Fußballer unterschreiben sofort bei ihrem Wechsel zum FC Bayern einen Vorvertrag als Experte."

Scholl erwähnt Rummenigge in dem Vorwort explizit nicht, aber er äußert sich zu dessen Doppel-Job ja ohnehin fast wöchentlich, Tenor: 2014 müsse sich Scholl entscheiden - Trainer oder Experte? Eine sehr sanfte Drohung. Nach der WM läuft sowohl Mehmet Scholls Vertrag als Experte als auch der beim FC Bayern aus. Und den Vertrag bei der ARD hatte Scholl lange vor seiner Zusage an den FC Bayern unterschrieben.

© SZ vom 14.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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