Kritik an Mario Götze:Falsche Gesten zur falschen Zeit

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Verhinderter Volksheld: Mario Götze. (Foto: dpa)
  • Mario Götze müsste ein Volksheld sein - aber er ist es nicht.
  • Der WM-Finaltorschütze muss ständig gegen irgendeinen Anfangsverdacht anspielen.
  • Nun entschuldigt er sich gar bei den Fans.

Von Christof Kneer

Mario Götze kann wunderbar traurig daherschauen, auf eine Art, die nur er beherrscht. Nur er hat diesen klagenden Blick drauf, der gleichzeitig von einer Art Wurstigkeit unterwandert ist, sodass man nie so genau weiß, ob ihn wirklich etwas bedrückt oder nicht. Dieser Blick kommt im Allgemeinen nicht so gut an bei der Fußballgemeinde, die ihre Helden lieber strahlen oder wenigstens bluten sieht, wie Bastian Schweinsteiger im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft.

Dieses Finale hat Deutschland übrigens durch ein Tor von Mario Götze gewonnen, der es im Weltmeisterland aber zurzeit keinem recht machen kann. Gerade hat man ihn grinsend erlebt, und das war offenbar auch wieder nicht okay. Es war sogar so wenig okay, dass Götze sich jetzt zu einer Entschuldigung genötigt sah, zu einem "offenen Brief", wie die Medien genüsslich vermerkten: Es sei ja durch die Presse gegangen, dass er "nach dem Spiel mit meinem Freund Marc-André ter Stegen geflachst und gelacht hätte", schrieb Götze nach der 0:3-Niederlage des FC Bayern in Barcelona auf seiner Internetseite. Ter Stegen ist der Torwart des FC Barcelona, ein junger Deutscher, Götzes Jahrgang. Wer nun denke, "dass mich die Niederlage nicht interessiert, der ist total auf dem Holzweg", so Götze weiter, "ich war mindestens genauso enttäuscht wie jeder von Euch Fans und meinen Kollegen, und wenn es nicht so rüberkam, dann entschuldige ich mich dafür!"

Es ist kein leichter Job, Mario Götze zu sein. Sitzt er beim FC Bayern auf der Ersatzbank wie zunächst beim Champions-League-Spiel in Barcelona, dann heißt es: Bayern will ihn nicht mehr! Spielt er von Anfang an, heißt es: Bayern braucht ihn doch gar nicht! Ständig muss Götze gegen irgendeinen Anfangsverdacht anspielen, den Verdacht auf Überheblichkeit oder Gleichgültigkeit oder Geldgier.

Manches kann Götze doch besser als Messi

Götze ist erst 22, und doch hängt sein Porträt bereits in der Ahnengalerie des deutschen Fußballs, neben Helmut Rahn, Gerd Müller, Andy Brehme. Sie alle haben Deutschland zum Weltmeister gemacht, es sind diese Namen, die die Fallhöhe definieren. Götze müsste eine Legende sein, ein Volksheld, aber er ist es nicht. Und das Spiel in Barcelona hat in erbarmungsloser Gegenüberstellung gezeigt, dass Götze auch kein Lionel Messi ist. Messi, das ist noch so ein Name, der ihn begleitet, noch so eine Fallhöhe. Er solle der Welt zeigen, dass er besser ist als Messi, das hat ihm Bundestrainer Joachim Löw vor der Einwechslung im WM-Finale zugeflüstert.

Vielleicht gibt es Dinge, die Götze tatsächlich besser kann als Messi, den Ball mit der Brust stoppen und ihn butterweich vor die eigenen Füße fallen lassen zum Beispiel. Götze ist der beste Bruststopper der Welt, und den Spieler, der den Ball geschmeidiger annehmen und weiterleiten kann als er, den möchte man auch erst mal sehen. Aber vielleicht ist es gerade diese künstlerische Ader, die ihn in Tateinheit mit einem eher dezent ausgeprägten Temperament beim Volk verdächtig macht. Alle sehen ja, was dieser Kerl vom lieben Gott für ein einzigartiges Talent geschenkt bekommen hat, und alle sehen, dass er daraus zu wenig macht. So was mochten Fußballfans, die selbst gerne ein bisschen begabt wären, noch nie.

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Von Christof Kneer

Viele Unterstellungen sind tendenziös und unfair, aber Götze selbst hat schon auch ein sicheres Gespür für die falsche Geste zur falschen Zeit. Er hat sich nicht gewehrt, als ihn sein Privatausrüster im Nike-Hemd in eine Pressekonferenz beim FC Bayern setzte, der den Nike-Rivalen Adidas zu seinen Anteilseignern zählt. Solche kleinen Bilder sind es, die sich bei den Leuten zu einem großen Bild zusammensetzen: zum Bild einer ferngesteuerten PR-Kunstfigur, die viel weniger lebt als die Helden früher.

Im Moment ist noch offen, ob Götze beim FC Bayern bleibt, es ist eine schwere Zeit für ihn. Aber zwei Dinge machen ihm Hoffnung: Er ist immer noch wahnsinnig jung, und er kann wirklich wahnsinnig gut Fußball spielen.

© SZ vom 09.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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