Krise bei Manchester United:Owen Hargreaves: "Aber das ist van Gaals Stil!"

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Ex-Profi Owen Hargreaves erklärt die Kritik an ManU-Trainer Louis van Gaal und welcher Fußball die Anhänger wirklich mitreißen würde.

Interview von Javier Cáceres

Wer wissen wollte, wie es nach dem Champions-League-Aus um den Gemütszustand der Sympathisanten von Manchester United aussah, konnte beispielsweise den Versuch unternehmen, der ultimativen Klublegende Bobby Charlton ins Gesicht zu schauen. Es war ein erfolgloses Unterfangen. Zu gesenkt war Charltons Haupt, als er in die Kabine der Mannschaft ging, und er war auch noch geknickt und unnahbar, als er zehn Minuten später wieder herauskam.

Drei Stockwerke höher stand in der Presselounge ein anderer, nicht ganz so legendärer, aber überaus beliebter Klub-Veteran des dreimaligen Champions-League-Siegers und 20-maligen Meisters: Owen Hargreaves, der vor seiner Zeit bei ManU (2007-2011) beim FC Bayern München aktiv war und heute als Experte für einen TV-Sender arbeitet.

SZ: Herr Hargreaves, Manchester United hat erstmals nach zehn Jahren die Gruppenphase einer Champions League nicht überstanden. Wie tief wird der Schock an Ihrem Wohnort Manchester sitzen?

Owen Hargreaves: Es ist eine Überraschung, klar. Aber man muss auch sagen: Das ist nicht mehr das Manchester United, das auf jeder Position Weltklassespieler hatte. Jedenfalls nicht vorne. United verlässt sich auf relativ junge Spieler, die sich heute gut verkauft haben, aber denen noch die nötige Erfahrung fehlt.

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Manchester United hat einen Riesenmarkt, ist einer der reichsten Vereine der Welt und hat in den letzten beiden Jahren 250 Millionen Euro in neue Spieler investieren können. Muss man nicht sagen: Das hätte man auch billiger haben können?

Klar stellen sich jetzt solche Fragen. Und sicher hat Manchester viel Geld ausgegeben - und zwar für eine neue Generation, die eben noch nicht mithalten kann mit den Spielern, die Chelsea, Paris, Barcelona, Real oder Bayern jetzt schon haben. Barcelona hat Neymar, Suárez, Messi. Real hat Ronaldo, Benzema, Bale. Bayern hat Douglas Costa, Lewandowski, Robben. Und United? United hat Martial, der erst 20 ist, oder Memphis Depay, der 21 ist, oder Lingard, der in der vergangenen Saison noch an Derby County verliehen war. Das braucht Zeit.

Dennoch: Gibt es da nicht ein Management-Problem?

Man muss schon bedenken, dass auch viele wichtige Spieler verletzt sind. Andererseits: Es stimmt schon, dass United jetzt gut einen wie Chicharito Hernández gebrauchen könnte, der aus irgendeinem Grund jetzt in Leverkusen spielt. Oder einen wie Robin van Persie, der jetzt bei Fenerbahce in der Türkei ist.

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Es gibt immer heftigere Kritik an Trainer Louis van Gaal, in den englischen Medien werden schon mögliche Nachfolger wie Carlo Ancelotti gehandelt. In der Pressekonferenz wurde van Gaal von englischen Journalisten gefragt, ob er nach 18 Monaten Fortschritte erkenne. Van Gaal hat erstaunlich defensiv geantwortet: Er sagte, er habe nach dem K. o. in der Champions League keine Argumente. Ist die Kritik an van Gaal gerechtfertigt?

Fakt ist: Er hat die Mannschaft übernommen, als sie Siebter war. Letzte Saison wurde sie Vierter und hat damit das erste Ziel erreicht: die Champions-League-Qualifikation. Ich finde, das Problem ist eher grundsätzlicher Natur.

Inwiefern?

Den Leuten ist der Fußball unter van Gaal zu taktisch geworden. Normalerweise sagt man: Manchester-United-Spiele sind so wie die Partie heute, offen, mit vielen Torchancen, mit Toren auf beiden Seiten. Und jetzt kassiert Manchester United plötzlich die wenigsten Gegentoren der Liga, weil sie einen Weltklasse-Torwart wie David De Gea haben, sie haben den meisten Ballbesitz aller Premier-League-Teams, aber sie spielen die wenigsten Torchancen heraus und erzielen wenige Treffer. Das ist man nicht gewohnt.

Ist das zu "kontrakulturell", wie Pep Guardiola die traditionellen Unterschiede zwischen den großen Fußballnationen immer nennt?

Aber das ist van Gaals Stil! Das hätten die Leute vorher wissen müssen. Die Fans sind es einfach gewohnt, dass ihre Mannschaft schnell nach vorne spielt, wie Juan Mata beim ersten Tor, als er den großartgen Pass auf Martial spielte. Das ist Manchester United!

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So viel Kritik war das jetzt nicht. Er ist neulich zum Spieler des Monats gewählt worden, er hat ein paar gute Tore geschossen. Und er ist neben Juan Mata einer der wenigen erfahrenen Spieler in der Mannschaft. So viele Leute wie er oder auch Carrick, die schon die Champions League gewonnen haben und wissen, wie so ein Wettbewerb funktioniert, gibt es im Team sonst nicht.

Aber auch van Gaal scheint inzwischen von seinem Wunschspieler abzurücken. In Wolfsburg hat er jetzt schon wieder gesagt: Das sei nicht der Schweinsteiger, den er aus München kenne.

Vielleicht ist es in dieser Situation auch zu viel Verantwortung für einen Einzelnen. Es ist auch für einen wie Bastian Schweinsteiger nicht einfach, in einer so jungen Mannschaft zu spielen.

In vergleichbaren Lagen würden bei ähnlich großen Klubs, sagen wir: FC Bayern oder Real Madrid, die jeweiligen Trainer den Winter wahrscheinlich nicht überstehen. Konkret gefragt: Muss Louis van Gaal um seinen Job fürchten, oder ticken die Engländer da anders?

Es geht nicht nur um van Gaal. Und man darf nicht vergessen: ManU ist nur drei Punkte vom Tabellenführer in der Premier League entfernt. Sie haben nur zwei Niederlagen in 15 Spielen erlitten. Sie sind dabei. Das sollte man nicht übersehen.

© SZ vom 10.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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