Krise bei Bayer Leverkusen:Niveau am Tiefpunkt

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Roger Schmidt steht in Leverkusen unter Beobachtung. (Foto: AP)
  • Die Krise bei Bundesligist Bayer Leverkusen wird immer größer.
  • Die Mannschaft von Trainer Roger Schmidt zeigt sich derart von der Rolle, dass sich einige im Verein arge Sorgen machen.
  • Der Trainer gerät zunehmend in die Kritik - und muss sich Fragen gefallen lassen.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Garantiert wird es ein besonders herzliches Hallo geben, wenn Niko Kovac an diesem Samstag mit Eintracht Frankfurt in Leverkusen eintrifft. Aus der Zeit, in der er für Bayer 04 gespielt hat, sind noch ein paar Zeugen übrig geblieben. Als Kovac 1996 mit seinem Bruder Robert aus Berlin ins Rheinland kam, hatte Rudi Völler gerade die Karriere beendet und das Büro des Sportdirektors bezogen (bis zur ersten Geldstrafe wegen Schiedsrichterbeschimpfung dauerte es bloß ein halbes Jahr). Und Hans-Peter Lehnhoff, der zu jeder Jahreszeit beneidenswert gebräunte Bayer-Teammanager, war damals noch der Kovac-Nachbar in der Spielerkabine.

Niko Kovac kommt jetzt als Erfolgstrainer nach Leverkusen, das unterscheidet ihn von seinem dort tätigen Kollegen Roger Schmidt. Dieser bekam am Wochenende harte Worte über sein Werk zu hören, die Kovac aus seinen Jahren einst in Leverkusen bekannt vorgekommen sein sollten: "Schlafwagenfußball", "spielen wie Traumtänzer", "absolute Sch..." - so und noch viel mehr schimpfte der altbewährte, ehemalige Bayer-Manager Reiner Calmund in der Sendung "Doppelpass" über den Auftritt der Leverkusener beim 0:1 in Hamburg.

Calmund ist sonst ein loyaler Ruheständler, er schimpft selten über seinen früheren Verein, aber das wüste Stümpern der Bayer-Profis im Volkspark versetzte ihn in Aufruhr. Nun müsse "bis in die kleinste Faser" die Lage analysiert werden, und dabei dürfe es keine Ausnahmen geben, verlangte er. Falls er aber glauben sollte, dass sein alter Freund Rudi weiterhin wie bisher die schützende Hand über den Trainer halten wolle, hat er sich getäuscht. Stattdessen sieht es so aus, als ob sich die Klubführung beim Umgang mit der Misere diesmal vor allem an Roger Schmidt wendet. Völlers Rhetorik zur Trainerfrage hat sich geändert, zwar lediglich um Nuancen - aber um entscheidende Nuancen.

Das liegt daran, dass die Probleme von Bayer 04 Leverkusen an einem essenziellen Punkt angelangt sind, an dem nicht mehr über Roger Schmidts Manieren oder sein Verhalten am Spielfeldrand diskutiert wird, oder über charakterliche Eigenheiten, die ihn etwas kompliziert erscheinen lassen. Längst geht es auch nicht mehr um die geschmackliche Auffassung des radikalen Pressing-Fußballs, der seit Schmidts Amtsantritt vor zweieinhalb Jahren immer schon ein Thema war. Diskutiert wird jetzt das Wesentliche: die schlechten Ergebnisse und der schlechte Fußball.

Dass dieser Fußball nichts mehr zu tun hat mit der hektischen Hetzjagd auf Gegner und Ball, die Schmidts Lehre zugrunde liegt, lässt ihn nicht besser aussehen. Von einer Lehre ist nun gar nichts mehr zu erkennen. In der Sendung "Zeiglers wunderbare Welt" wurden Passagen der Partie in Hamburg mit den passenden Soundwörtern versehen: zack, klong, kling, boing.

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Auf einen solchen Tiefpunkt des Niveaus waren die Leverkusener Verantwortlichen nicht eingestellt. Während der Winterpause hatten sie einiges unternommen, damit Schmidt wieder heimisch werden könnte im Klub. Gegen den Willen des Chefcoachs setzten sie den bei der Mannschaft hochgradig unbeliebten Fitnesstrainer Oliver Bartlett vor die Tür, um Schmidt vor sich selbst zu schützen. Dafür stellte man ihm einen Mann seiner Wahl zur Seite, den früheren HSV-Mediendirektor Jörn Wolf, der als "Kommunikator" eventuellen Konflikten entgegenwirken soll.

Auch über Engagements weiterer Spezialisten zur Unterstützung des Trainers wurde nachgedacht. Hätte Schmidt verlangt, einen indischen Yogi sowie einen Fakir und Schlangenbeschwörer zu verpflichten, hätten die Bayer-Verantwortlichen wohl auch dies getan. Mit aller Gewalt wollten sie den Verbleib des Trainers sichern.

Dieser hatte während der Vorrunde ständig beklagt, dass er wegen der vielen Spiele und des engen Terminkalenders keine Gelegenheit zum Trainieren mehr habe. Entsprechend gewürdigt hat Schmidt das Winter-Trainingslager in Florida, zumal da seiner Schulklasse auch wieder Karim Bellarabi angehörte, der zuvor mehr als drei Monate verletzt gefehlt hatte. Der Ausfall des Nationalspielers wurde stets als Schlüsselproblem bezeichnet.

Bellarabi aber ist, kein Wunder, noch weit weg von seiner alten Klasse, doch mit diesem Argument wird Schmidt jetzt nicht mehr viel Verständnis wecken. Die von der Fifa verhängte Sperre gegen Hakan Calhanoglu bis zum Saisonende entlastet ihn ebenfalls nur noch bedingt. (Calhanoglu gab übrigens bekannt, dass er während des vier Monate dauernden Banns auf die Gehaltszahlungen seines Vereins verzichten werde.)

Völler versicherte jetzt zwar, es gebe "kein Ultimatum" an Schmidt, aber diese Trainingswoche mitsamt dem Spiel gegen die Eintracht ist dennoch richtungsweisend für den 49 Jahre alten Mann aus Kierspe im Sauerland. Zum Üben und Studieren bleibt genug Zeit, denn aus dem Pokal hat sich Bayer dank der Niederlage bei den Sportfreunden Lotte bereits verabschiedet. Doch hat es Schmidt am Dienstag vorgezogen, sein Team nach Düsseldorf zu verfrachten - zum Beachvolleyball. "Um aus dem Trott rauszukommen", so Völler.

Kovac nahm währenddessen mit seiner Elf die Vorbereitung für die Pokalpartie in Hannover auf. In der Branche wird schon gemutmaßt, ob aus der Rückkehr nach Leverkusen wieder etwas Dauerhaftes werden könnte.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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