Kopfverletzungen im Fußball:Runter vom Platz, und zwar sofort!

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Spielte einfach weiter: Chievos Fabio Depaoli in der italienischen Serie A. (Foto: AFP)

Wer im Fußball mit einem brummenden Schädel weiterspielen will, ist kein Hartplatzheld. Andere Sportarten haben das verstanden.

Kommentar von Barbara Klimke

Der Mittelstürmer Alan Shearer hat in seiner Karriere 422 Mal ins Tor getroffen, 260 Mal davon in der Premier League. 58 dieser Treffer drosch er mit dem Spann vom Elfmeterpunkt ins Netz - diese 58 sind es nicht, die ihn heute unruhig schlafen lassen. Was ihn beunruhigt, ist die restliche Anzahl, von der er nicht sagen kann, wie viele davon Kopfballtreffer waren. Und bei wie vielen ihm der Schädel brummte.

Es hat Jahre gedauert, bis im Mutterland des Fußballs eine Autorität wie Shearer, 47, Rekordtorschütze der Liga und heute Fußball-Fachmann der BBC, ein Thema ansprach, dessen Brisanz lange verleugnet wurde: den Zusammenhang von wiederholten Erschütterungen des Gehirns beim Sport und neurologischen Erkrankungen wie CTE (chronisch-traumatische Enzephalopathie). Shearer hat sich Tests unterzogen. Er mahnt Forschungen im Fußball an.

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Andere Sportarten haben das Problem begriffen

Zwar ist nicht davon auszugehen, dass das Ursprungsland des Kick & Rush in Kürze das Kopfballspiel komplett einstellt - jedenfalls nicht vor dem Länderspiel an diesem Freitag, wenn England in London auf Deutschland trifft. Aber dass der Fußball dringend seine Mythen hinterfragen muss, steht außer Diskussion: Ein Kicker, der nach einer Kollision mit blutigem Kopfverband - gern verniedlichend roter Turban genannt - weiterspielt, ist kein Hartplatzheld. Auch kein Vorbild an Pflichtbewusstsein, das sich in den Dienst der Mannschaft stellt. Sondern wie der Rugby-Weltverband richtig erklärt: ein Verletzter, der wahrscheinlich an einem leichten Schädel-Hirn-Trauma oder an Gehirnerschütterung leidet. Und das heißt: Runter vom Platz. Ruhig stellen. Sofort.

Kontaktsportarten wie Rugby oder die Amerikanische Football-Profiliga NFL haben das Ausmaß des Problems begriffen, wenn auch spät: Die NFL zahlte vor einigen Jahren in einem Vergleich mehr als 600 Millionen Dollar an 4500 ehemalige Spieler, die wegen zu vieler Kopfstöße an Gehirnschäden litten. Die Liga hatte das Gesundheitsrisiko zuvor ignoriert. Bei der Obduktion verstorbener Footballer wurden Hinweise auf CTE gefunden.

Im Football gibt es seit 2013 verschärfte Protokolle, die das Vorgehen bei einer mutmaßlichen Gehirnerschütterung regeln; seit 2016 wird Nichtbefolgen unter Strafe gestellt. Auch bei den Basketballern der NBA wachen unabhängige Mediziner darüber, dass kein Athlet nach einer Kopfverletzung wieder spielen darf, ehe er nicht diverse Tests bestanden hat. Der Fußball muss umdenken: Kein Sport der Welt, kein Kopfballtor, ist eine Gehirnverletzung wert.

© SZ vom 10.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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