Kölns Sportchef Volker Finke:Schlecht aussehen für den guten Zweck

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Ist Volker Finke ein Masochist? Im Laufe seines ersten Jahres als Sportdirektor beim 1. FC Köln wurde ihm allerlei unterstellt: Bosheit, Wahnsinn, Hinterlist. Doch dem früheren Freiburger gefällt es in der Domstadt. Für ihn ist der permanente Streit im Verein sogar ein Teil des Motors, der den Klub auch im Spiel gegen Hamburg antreiben soll.

Philipp Selldorf, Köln

Die zentrale Frage sollte eigentlich lauten, ob Volker Finke nach einem Jahr voller Unruhen und Schmähungen noch Spaß daran hat, Sportdirektor des 1. FC Köln zu sein, aber als die Frage endlich zur Sprache kommt, ist das Gespräch bereits eine halbe Stunde alt und Finke hat die Antwort gegeben, ohne gefragt worden zu sein. Er hat dazu kein feierliches Bekenntnis abgelegt, stattdessen hat er über die Erfolge bei der praktischen Fortbildung der Kölner Juniorennationalspieler geredet.

Ein Masochist? Volker Finke mag es in Köln. Warum auch nicht? (Foto: dpa)

Er hat über das tolle Zertifikat fürs Jugendinternat und über geänderte Förderverträge für den Nachwuchs gesprochen und auf weitere "1000 Kleinigkeiten" verwiesen, "die überhaupt nicht berichtenswert sind".

Finke hat also, so viel ist klar, nicht die Lust verloren am Job im Geißbockheim, und trotzdem ist es erstaunlich, dass er davon schwärmt, sein erstes Jahr in Köln sei "total interessant gewesen und mit einem Stück Arbeitsfreude verbunden".

Ist Finke womöglich Masochist? Im Laufe jenes Jahres hat man ihm allerlei Bosheit und Hinterlist unterstellt, neulich erst wurde ihm vorgeworfen, er sei nicht zwecks Spielersichtung zum Afrika-Cup nach Gabun gefahren, sondern weil er sich als Nationaltrainer irgendwo in Afrika bewerben wolle. Und als er dann am Schlusstag des winterlichen Transfergeschäfts den Nordkoreaner Chong Tese aus Bochum nach Köln brachte, war das Echo in Presse, Funk und Fernsehen ausnahmslos schrecklich.

Tese wurde als "Zweitligaspieler" geächtet, umgehend wurde "Chaos" ausgerufen, und es galt als erwiesen, dass Trainer Stale Solbakken die Verpflichtung des Stürmers als persönlichen Affront wertete. Vom "Transferschock" war die Rede und von Finkes "Anti-Tese"; man maß "eisiges Klima" zwischen Trainer und Sportchef und warf die Frage auf: "Wie lange tut sich Solbakken das an?"

Interessanterweise schert sich der berüchtigte Medienkritiker Finke, der durchaus einen Hang ins Bittere haben kann, kaum um die miese öffentliche Meinung. Abgesehen davon, dass er findet, Tese ("der arme Kerl") werde mit diesen Urteilen Unrecht getan, lässt er das Thema einfach beiseite.

Dass Solbakken nicht begeistert war, gibt er allerdings zu. Finke erzählt, der Trainer habe seinen neuen Stürmer auf ein paar Filmen gesehen und anschließend erklärt: "Ich kann nicht sagen, dass er mein Wunschspieler ist, aber es ist in Ordnung so." Solbakkens Wunschspieler hätte allerdings auch deutlich mehr Geld gekostet.

Die Wahrheit ist: Das Verhältnis zwischen Trainer und Sportchef ist in der Tat nicht brüderlich, und auch das Verhältnis zu Lukas Podolski ist nicht selig wie das zwischen Vater und Sohn. Finke sagt dazu, er werde immer gefragt, wie sein Verhältnis zu diesem oder jenem sei, "aber meine Aufgabe ist es wirklich nicht, hier Verhältnisse zu haben", weshalb er daran erinnert, dass er schon beim Amtsantritt für Meinungskontroversen eingetreten sei. "Und dabei bleibe ich: Streitkultur ist ein Teil des Motors, den man hier anschmeißen muss. Meinungsverschiedenheiten sind doch nicht unnormal."

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Lukas Podolski spielt beim 1. FC Köln - nur wie lange noch? An Angeboten mangelt es dem Nationalspieler jedenfalls nicht.

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Beispielhaft deutet er auf die Betriebsführung von Hannover 96, wo sich Jörg Schmadtke, der Manager, und Mirko Slomka, der Trainer, regelmäßig in aller Öffentlichkeit nicht einig sind: "Das ist mehr als erfrischend", meint Finke, "es ist hilfreich für den Verein".

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Ein Kölner Eingeborener hat neulich erkannt, dass Finke nicht der Typ Mensch sei, "der den Teller leer isst, damit am nächsten Tag die Sonne scheint und die Hausfrau glücklich ist". Finke würde das nicht als Beleidigung auffassen, er sagt, er nehme es für den guten Zweck "bewusst in Kauf, in der Öffentlichkeit schlecht auszusehen". Letzteres gelingt ihm womöglich öfter als gut ist.

Als er kürzlich nach dem 0:1 in Wolfsburg auf die hohe Flankenzahl des Gegners hinwies - in einem inoffiziellen Zwiegespräch, wie er glaubte -, wurde ihm das als Angriff auf Solbakkens Systemlehre und Autorität ausgelegt. Solbakken konterte mit bissigen Bemerkungen, Finke fand es nicht schlimm: "Verständlich, wenn Stale sensibel reagiert und sich fragt: Warum werde ich von den eigenen Leuten kritisiert?"

Es ist zwar offensichtlich, dass Finke mit seiner Trainerroutine eine eigene Meinung hat zu Solbakkens spezieller Methode, Innen- und Außenverteidigung abzustimmen. Aber darüber spricht er nicht. Trainerautonomie. Generell bilanziert er, Solbakken inbegriffen: "Meines Erachtens sind wir in einer positiven Entwicklung."

Aus der Sicht des Mannes, der in 16 Jahren beim SC Freiburg relativ ruhige Bedingungen erlebte, ist Köln trotz der irrationalen Tücken und der gefährlichen Neigung zum Personenkult "ein super-interessanter Fußballstandort". Er hat sich daran gewöhnt, dass Spieler, die gestern noch zu nichts taugten, schon am nächsten Tag "als Zwischenheilige proklamiert werden - es geht hier nicht ohne diese Phasen".

Es ist sogar so, dass der Lehrer Finke diese Seltsamkeiten toleriert, weshalb man ihm glauben darf, dass er "im Moment überhaupt kein Interesse" daran hat, irgendwo in Afrika Nationaltrainer zu werden. Bis auf weiteres sucht er stattdessen die Antwort auf eine kulturtheoretische Frage: "Ich weiß gar nicht, wer zuerst in Köln war: der Klub oder die Stadt."

© SZ vom 11.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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