Konstanze Klosterhalfen:Sie muss da weg

Lesezeit: 3 Min.

Umstritten trotz ihrer Erfolge: Konstanze Klosterhalfen. (Foto: Getty Images for IAAF)

Konstanze Klosterhalfen galt früh als großes Lauftalent, durch ihren Wechsel zum Nike Oregon Project erscheint ihre Medaille über 5000 Meter nun in einem düsteren Licht.

Kommentar von Saskia Aleythe, Doha

Wer glaubt, so ein Rennen über 5000 Meter wäre einfach nur mit Schnell-Laufen erledigt, der musste sich nur mal die Beine von Konstanze Klosterhalfen anschauen. Blut links und rechts, tiefe Wunden, die Konkurrentinnen im WM-Finale hatten sie immer wieder erwischt. Auch mit den Ellenbogen musste gerangelt werden, um sich der Angriffe zu erwehren, belohnt wurde die Deutsche mit Bronze. "Vielleicht geh ich öfters Boxen nächste Saison, mein Krafttrainer wird sich freuen", sagte Klosterhalfen später und kicherte. Laufen ist auch Kämpfen. Für Konstanze Klosterhalfen im Moment umso mehr.

Noch nie hatte es eine WM-Medaille für eine Deutsche über 5000 Meter gegeben, Klosterhalfen folgte damit den Prophezeiungen, die ihr schon früh gemacht wurden: Mit 18 brach sie den 36 Jahre alten deutschen U20-Rekord über 3000 Meter, sie gewann Bronze bei den Juniorenweltmeisterschaften, setzte neue Bestmarken in der U23 - sie war auf dem Weg in die Weltspitze. Dort ist sie nun angekommen, am Samstagabend im Khalifa-Stadion von Doha schrieb die 22-Jährige deutsche Sportgeschichte. Doch ihre Medaille ist eine mit Fußnote, in der der Namen Alberto Salazar steht. Will Klosterhalfen verhindern, dass ihre ganze Karriere dieses Aber bekommt, muss sie jetzt handeln: Sie muss da weg, weg vom Nike Oregon Project.

Leichtathletik-WM
:Klosterhalfen behält die Nerven

Die Deutsche gewinnt Bronze über 5000 Meter, obwohl der Gründer ihrer Trainingsgruppe vor ein paar Tagen wegen Dopingpraktiken für vier Jahre gesperrt wurde. Nach dem Lauf gibt sie sich davon unbeeindruckt.

Von Saskia Aleythe

"Tausendprozentig" werde sie auch weiterhin beim Nike Oregon Project (NOP) trainieren, sagte Klostehalfen nach ihrem Rennen. Sie freue sich jetzt schon darauf, "zurück mit dem Team nach Amerika zu gehen", sagte sie, beinahe bedauernd, dass jetzt erstmal noch Urlaub ansteht. Für Klosterhalfen ist die Sache ja klar: Die Vierjahres-Sperre, die Salazar für unerlaubte Dopingpraktiken am Dienstag erhalten hat, erstreckt sich auf die Spanne zwischen 2010 und 2014, sie war aber erst Ende November 2018 zum Projekt gestoßen.

Positive Dopingproben hat es von den aktuellen NOP-Athleten nicht gegeben. "Ich weiß, dass das keinen aus meiner Gruppe betrifft", sagte Klosterhalfen, "und dass mein Trainer Pete Julian ist", der langjährige Adjutant Salazars. Doch so klar ist die Sache dann eben auch nicht. Nicht nur, weil schon 2015 erste Medien über verdächtige Praktiken berichteten und sie und ihr Umfeld bei der Prüfung des Angebots hätten mitbekommen müssen, in welche Kreise sie sich hineinbewegen.

"Schockiert" war Klosterhalfen, als sie von der Sperre und den Vorwürfen gegen Salazar erfahren habe wie auch die neun anderen Athleten, die bei der WM für das NOP starteten. Schockierend musste für sie vor allem sein, was Travis Tygart, Chef der amerikanischen Antidopingagentur (USADA) über die Ergebnisse des Untersuchungsberichts zu erzählen hatte. 5800 Seiten an Dokumenten hatte die USADA ausgewertet, was das Schiedsgericht, das Salazar nun sperrte, für eine 250 Seiten starke Urteilsbegründung nutzte, es ist eine gewichtige Sachlage.

Tygart sagte dem ZDF, die Athleten damals seien "Versuchstiere" gewesen und hätten "wirklich keine Ahnung" gehabt. Auch ihre Erfahrungsberichte haben zum Urteil geführt. Es geht um systematische Praktiken, unerhört hoch dosierte Infusionen, das Verabreichen von Medikamenten und Hormonen, es geht um gefälschte Patientenakten und gezielte Täuschungen den Athleten gegenüber. "Ich weiß für mich und alle, die mit um mich herum sind und Einblicke haben, was passiert und was eben nicht passiert. Doping ist da nie ein Thema", sagt Klosterhalfen. Doch mit dem Wissen aus den Untersuchungsberichten ist es ja kaum möglich, sich auf Eindrücke zu verlassen. Dass Doping kein Thema ist, dachten viele Athleten vor ihr auch.

Sechs deutsche Rekorde hat sie gebrochen, seit sie in den USA trainiert, drei in der Halle und drei draußen. "Ich habe mein bestes Jahr gehabt. Ich bin super glücklich, in dem Team zu sein", sagte Klosterhalfen noch. Und Sifan Hassan, die mit ihr in Oregon trainiert, vergoss als Doppelweltmeisterin über 10 000 Meter und 1500 Meter am Samstagabend Tränen der Wut. "Ich war sauer auf die Welt. Ich bin sauber und zeige hier jedem, wie sauber ich bin", sagte sie im niederländischen Fernsehen, ihre starken Leistungen sprächen für sich, sie werde ja auch regelmäßig getestet. Doch je schneller sie im Namen des NOP sind, das sind die Gesetze der Branche, umso länger werden die Fußnoten hinter ihren Rekorden und Medaillen.

Alberto Salazar hat alle Vorwürfe abgestritten und Einspruch gegen das Urteil eingelegt, unterstützt von den Nike-Bossen; er selbst bewegte sich mit der Arbeit auf dem Campus in Oregon in einem Arbeitsverhältnis von Abhängigkeit und Druck. Für die Gelder, die der Sportartikelhersteller in das Projekt steckt, darf nicht nur Mittelmaß herauskommen. Die Sportler als Objekte der Leistungssteigerung trifft das umso mehr.

Ihre Träume hängen davon ab, wie schnell sie ins Ziel kommen, aber wirkt auch ein millionenschweres System auf sie ein. Trainingsbedingungen wie in Oregon wird Klosterhalfen nirgends sonst finden; die Unterwasserlaufbänder und Höhenkammern etwa, dazu ein großes Team aus Experten. Das Projekt zu verlassen, wäre mit großen Einschnitten verbunden, auch finanziell. Bleibt sie, steht ihr aber ein härterer Kampf als Samstagabend bevor: der ewige Kampf um ihre Reputation.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

MeinungNike Oregon Project
:Perverse Auswüchse eines Systems

Kommentar von Johannes Knuth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: