Klitschko gegen Powetkin in Moskau:Geschwätz vor dem großen Duell

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Wladimir und Vitali Klitschko (von links) in Moskau. (Foto: REUTERS)

Das Klitschko-Lager ist es gewohnt, die Kontrolle zu übernehmen. Vor dem WM-Kampf in Moskau muss es damit zurechtkommen, dass die Crew von Herausforderer Alexander Powetkin die Bedingungen diktiert. Sogar Staatschef Wladimir Putin wird zum Kampf erwartet.

Von Saskia Aleythe, Moskau

Bernd Bönte ist es gewohnt, die Kontrolle zu haben. Seit 2000 managt er die Boxbrüder Wladimir und Vitali Klitschko, doch plötzlich muss er erleben, wie es ist, wenn ein anderer die Führung übernimmt. Als am Freitagnachmittag im Moskauer Zentrum in einer Shopping Mall das Einwiegen zwischen Wladimir und Alexander Powetkin vonstattengeht, kann Bönte nur zuschauen und hoffen, dass am Kampfabend alles organisierter abläuft. Bönte ist dieses Mal nicht der Veranstalter. Leicht fällt ihm das nicht.

Bönte gilt als knallharter Verhandlungspartner, ebenso knallhart wie manche seiner Klauseln, die er in die Verträge bei Klitschko-Kämpfen schreiben lässt. Dass er in Moskau die Halle nicht vorab besichtigen darf, nervt ihn, auch, dass der Zeitplan für den Kampfabend lange auf sich warten lässt. "Diverse Dinge, die im Kampfvertrag festgeschrieben sind, werden noch nicht umgesetzt", klagt der Manager in der Hamburger Morgenpost.

Dabei soll die Veranstaltung in Moskau nicht irgendein Klitschko-Kampf werden. Klitschko gegen Powetkin, das ist der Kampf um drei WM-Gürtel im Schwergewicht (WBA, WBO, IBF), um eine rekordverdächtige Kampfbörse sowie um einen Erfolg für die Ukraine oder Russland, was auch eine politische Note trägt: Die Boxszene ist in Aufruhr geraten, seit sich Klitschko und Powetkin in der gleichen Metropole bewegen, es ist eng geworden um die beiden Boxer herum. 14.000 Leute sollen am Sonntagabend in die Olympia Arena in Moskau strömen, darunter wohl auch Staatschef Wladimir Putin.

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Für 23,2 Millionen Dollar hat der Russe Andrej Rjabinskij das Recht ersteigert, den WM-Kampf im Schwergewicht zwischen Wladimir Klitschko und Alexander Powetkin veranstalten zu dürfen. Im Interview erklärt der Russe, warum der Kampf unbedingt in Moskau stattfinden muss.

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Selten war der Austragungsort eines Kampfes so bedeutsam. Dass der Geschäftsmann Andrej Rjabinskij den Kampf nach Moskau geholt hat, ist nicht nur seiner Fähigkeit des Geldausgebens geschuldet, er will sich im Land vielmehr einen Namen machen: Als der Mann, der das Boxen wieder nach Russland gebracht hat. Das Unterfangen hatte er mit seiner gebotenen Kampfbörse eindrucksvoll gestartet.

Die 23,2 Millionen US-Dollar übertrafen das Angebot des Klitschko-Managements gleich dreifach. "Es wäre für mich deprimierend gewesen, wenn ich die Versteigerung nicht gewonnen hätte", sagt Rjabinskij im SZ-Interview.

Russland erhofft sich viel von Alexander Powetkin. "Ich bin mir der großen Verantwortung bewusst", sagt der 34-Jährige. Und er zeigt, dass es ihm ernst ist. Lange Zeit turnte er als Moppel durch den Ring, eher schwermütig als fit, sodass seine Ambitionen oft in Zweifel gerieten. Beim Wiegen präsentierte er sich nun deutlich erschlankt.

"Es war immer mein Traum, die Nummer eins im Schwergewicht zu werden", sagt Powetkin und fügt überzeugt hinzu: "Diesen Traum kann ich mir nun erfüllen." Größere Töne wird es von ihm nicht zu hören geben, der Mann, der den Beinamen "Russischer Ritter" trägt, ist ein ruhiger Geselle, der auch vor einem Boxevent nicht groß auffällt.

Und Klitschko? Der 37-Jährige tut das, was ihn im Ring die vergangenen neun Jahre unbezwingbar gemacht hat: Er stellt sich auf seinen Gegner ein. 102,8 Kilo brachte Powetkin auf die Waage, doch auch Klitschko wog mit 109,2 Kilo so wenig wie seit Jahren nicht mehr. Er weiß, dass er mit fast zehn Zentimeter mehr Größe körperlich überlegen ist, dass seine höhere Reichweite ein Plus darstellt. Aber auch, dass er gegen den agilen Russen selbst wendig sein muss. "Powetkin ist der schwierigste Gegner, den ich jemals vor den Fäusten hatte", sagt Klitschko.

Tatsächlich gilt Powetkin als würdiger Klitschko-Herausforderer, eine Ehre, die nicht jedem seiner Vorgänger im Vorfeld zuteil wurde. In 26 Kämpfen hat er den Ring stets als Sieger verlassen, er ist ein Boxer der Marke Zermürber, der sein Gegenüber mit schnellen Schlagabfolgen malträtieren kann. Problematisch dabei: Wer gegen Klitschko kämpft, bekommt in aller Regel kaum Gelegenheit, kontinuierlich Treffer zu setzen.

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Klitschko ist ein Defensiv-Meister, seine Gegner hält er sich mit der Führhand vom Leib. Wer durchkommt, kann sich glücklich schätzen. Fehlt dann aber der Punch, ist Klitschko nur schwer umzuhauen. Im Gegenzug ist Klitschkos Abrissbirnen-Wucht, die mit wenigen effektiven Schlägen größtmöglichen Schaden beim Gegner anrichten kann, bisher stets ziemlich wirkungsvoll gewesen.

Sportlich scheint Wladimir Klitschko, der in 63 Profikämpfen nur drei Niederlagen erlitt, kaum angreifbar zu sein. Dass der Kampf nicht von Bernd Bönte veranstaltet wird, merkt aber natürlich auch der Boxer, und auch für ihn ist das eine ungewohnte Situation. Um den Kabinenbesuch von Derrick Chisora, der ihn einst mit Wasser bespuckte, ranken sich die Gerüchte. Chisora soll angeblich in Klitschkos Kabine zusehen, wenn dem vor dem Kampf die Fäuste bandagiert werden. Rjabinskij bezeichnete das als "Geschwätz".

Auch die Regelung zur Doping-Kontrolle regte die Klitschko-Familie auf - während sie die Nada testen lassen wollte, bestand die russische Seite auf den heimischen nationalen Verband. Nun werden beide von ihren jeweiligen Favoriten getestet.

An Diskussionsstoff wird es wohl auch nach dem Kampf nicht mangeln. Wenn Klitschko gewinnt, darf sein Team den nächsten WM-Kampf ausrichten. Dann wieder nach eigenen Bedingungen.

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